Durch Gott geheiligt
von Pfarrer Stefan Kuntz
Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus – da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut –, dass ihr darin immer vollkommener werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen Heiligen Geist in euch gibt.
1. Thessalonicher 4, 1–8
Als Pfarrer habe ich bei Hausbesuchen häufiger in den Gottesdienst eingeladen. Oft erhalte ich dann als Antwort: „Im Prinzip finde ich Kirche gut, aber in den Gottesdienst gehe ich nicht. Wissen Sie, die die jeden Sonntag dorthin gehen, sind auch nicht besser als die anderen.“ Ganz schön direkt! Aber so sind die Pfälzer eben. Allerdings ist damit nicht die Frage beantwortet, ob diese Meinung nun richtig oder falsch ist.Ein Blick auf die Worte von Paulus scheint tatsächlich nahezulegen, dass von Christen „Besonderes“ erwartet wird. Die Frage, ob diese Erwartungen erfüllt werden, sei zunächst dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass Paulus die „Heiligung“ seiner Gemeindemitglieder erwartet und dies als Gottes Willen den Thessalonichern ins Stammbuch schreibt. Ganz schön deutlich! Wir erschrecken! Als Heilige kommen wir uns überhaupt nicht vor! Im Gegenteil: In unserer Zeit ist dieser Begriff noch nicht einmal positiv besetzt. „Heilig sein“ – das klingt danach, in einer anderen Welt zu leben, nicht sehr realistisch, sondern weltfremd – eben anders – zu sein. Und „Spaßbremsen“ sind heilige Menschen nach überwiegender Meinung auch noch. Nein, Heilige wollen wir alle überhaupt nicht sein! Müssen wir auch nicht, zumindest nicht solche Heilige. Das wird deutlich, wenn wir genau hinschauen, was Paulus meint. Er hatte wohl das bunte Treiben der Hafenstadt Thessaloniki vor Augen, wo es im Hinblick auf Prostitution und Kriminalität hoch herging. Darauf reagiert er mit Geboten und Verboten. Doch aufgepasst! Paulus sieht diese im Gesamtzusammenhang des christlichen Glaubens. Deshalb bezieht er sich gleich zu Anfang zweimal auf Jesus Christus. Und diesem geht es nun wirklich nicht um die Einhaltung einzelner Gebote. Das wird schon dadurch deutlich, dass Jesus nachdrücklich betont hat, dass diese für uns Menschen gemacht sind und nicht umgekehrt. Für Jesus Christus war vielmehr die Liebe, die Nächstenliebe, wichtig, ja entscheidend. Diese geht zuerst von Gott aus und soll ihre Entsprechung im Verhalten der Menschen zueinander finden. Die praktische Umsetzung der Gebote wird durch die Liebe von Gott zu den Menschen und der Menschen untereinander somit „aufgerichtet“. Das ist „Heiligung“ – so wie sie Paulus versteht.
Ob wir Menschen uns dieser Heiligung entsprechend verhalten? Sicher nicht! Aber wir können uns auf den Weg machen und dies als Ziel sehen, auch wenn wir letztendlich auf Gottes Vergebung angewiesen sind. Und doch bin ich davon überzeugt, dass christliches Verhalten mit Gottes Hilfe auch sichtbar werden kann – nicht irgendwo, sondern mitten in unserem Zusammenleben. Somit dürfen aktive Christen alles andere als weltfremd sein, denn ein Leben neben der Lebenswirklichkeit würde eine Umsetzung von christlichem Verhalten unmöglich machen. „Heilige“ sind nicht Menschen, die in einer abgelegenen Nische leben, sondern mitten in der Welt, an dieser teilnehmen, diese mitgestalten und dabei auf der festen Grundlage des Glaubens stehen.
„Die, die in die Kirche gehen, sind auch keine besseren Menschen!“ Ist dieser Satz nun richtig oder nicht? Oberflächlich betrachtet ist er richtig, denn Christen sind moralisch grundsätzlich keine besseren Menschen. Und doch leben sie nicht ohne ethisch-moralischen Anspruch, den sie auch zu verwirklichen suchen. Dies wird zumindest an der einen oder anderen Stelle gelingen, wenn auch nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Hilfe Gottes. Dies ist dann ihre „Heiligung“, eine Heiligung, die von Gott kommt und nicht etwa aus einem besseren Menschsein heraus, aber gerade deswegen besonders wertvoll ist.
Veröffentlichung der Andacht mit freundlicher Genehmigung des "Evangelischen Kirchenboten"
Stefan Kuntz ist Dekan im Kirchenbezirk Grünstadt und Mitglied der Landessynode.
Gebet
Guter Gott, hoch sind die moralischen Ansprüche an uns. Oft fühlen wir uns diesen nicht gewachsen, fühlen uns nur auf unsere eigenen Interessen ausgerichtet. Begleite uns mit deinem Geist, zeige uns den richtigen Weg, lass uns die richtigen Entscheidungen treffen und uns mit frohem Herzen in deinem Sinne diese Welt mitgestalten. Amen.