Eine
Erhaltungszucht zählt zu den Pfeilern des Apollo-Rettungskonzepts.
Schmetterlingsexperten aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland haben im
Jahr 2020 damit begonnen, den Mosel-Apollo in Gefangenschaft zu vermehren. Auf
diese Erhaltungszucht greifen die Landkreise Mayen-Koblenz und Cochem-Zell
gerne zurück: Dank der guten Kontakte zu den Züchtenden war es im vergangenen
April möglich, während einer gemeinsamen Aktion an ehemaligen Apollo-Fundorten
Raupen auszusetzen. Zuvor war der Lebensraum auf den Flächen noch optimiert
worden, beispielsweise durch Freistellungsmaßnahmen und das Einsetzen von
Nektarpflanzen. Das ehrenamtliche Engagement rund um das Züchten des
Schmetterlings ist nicht nur aufwendig, es belegt auch eindrucksvoll, wie hoch
das Interesse am Erhalt des schönen Mosel-Apollos auch weit über sein
Verbreitungsgebiet hinaus ist.
Ronny
Strätling aus Emmersweiler im Saarland gehört zu dem Team von Ehrenamtlichen,
die den Apollo mithilfe einer Erhaltungszucht vor dem Aussterben bewahren.
Bereits seit den 1980er-Jahren begeistert sich der hauptberufliche IT-Fachmann
für den gefährdeten Schmetterling und begleitet bei sich zu Hause jährlich etwa
100 Exemplare durch ihren Lebenszyklus.
Herr
Strätling, Sie sind mit Ihrer Zucht quasi das Apollo-Backup für den Notfall.
Warum begeistern Sie sich gerade für diese Schmetterlingsart?
Die Art hat
mich bereits in meiner Kindheit emotional berührt, meine Liebe zu
Schmetterlingen und auch mein Interesse für ihren geheimnisvollen
Entwicklungszyklus verstärkt. Kleinräumig habe ich das Aussterben schon so
mancher Tagfalterart im Saarland verfolgen müssen und die jüngsten
Entwicklungen der Populationen des Mosel-Apollos erinnerten an genau jene
Aussterbeereignisse. Diese, insbesondere die vom Menschen verursachten, nehmen
stark zu. Der Mosel-Apollo ist eine Art, die öffentliches Aufsehen erregt und
die auch auf einem Weinetikett gerne abgebildet wird. Sie ist also sehr gut
geeignet, dieses Problem der Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen.
Weitere
Züchter des Falters wohnen teils mehrere 100 Kilometer vom Moseltal entfernt
und engagieren sich aus der Ferne für die Region. Wie erklären Sie sich die
überregionale Begeisterung für den Mosel-Apollo?
Wir
Schmetterlingsbegeisterten sind gut vernetzt. Zusammenarbeit bei Publikationen,
gemeinsame Exkursionen, freiwillige Biotoppflege, Tagungen und so weiter tragen
dazu bei. Genau wie ich sind sehr viele in unserer Gemeinschaft mit Herzblut
und freiwilligem Engagement dabei, den Schmetterlingen zu helfen. Was man sehen
muss, ist dass die Maßnahmen, Lebensräume zu schaffen, zu erhalten und zu
vernetzen, nicht nur den „Zielarten“ helfen. Das gesamte Ökosystem profitiert
davon – der Mosel-Apollo ist auch nur ein Indikator, wie es um das Ökosystem an
der Mosel bestellt ist. Gemeinsam werden wir vieles herausfinden, was für den
Schutz der Art von Relevanz ist, und was helfen wird, das mit dem Weinanbau eng
verzahnte fragile Ökosystem zu schützen.
Welchen
Aufwand erfordert die Apollo-Nachzucht? Wie sieht Ihr Einsatz für den
Schmetterling konkret aus?
Zu Beginn war
der Aufwand immens und die Ergebnisse teils frustrierend. Infektionen in der
Zucht, die aufwendige Beschaffung des Futters in entsprechender Qualität, der
Bau des Zucht-Equipments. Wir arbeiten inzwischen mit „Apollo-Boxen“. Das sind
Behälter, die mit einem offenen Boden auf Pflanzschalen gestellt werden können
und über eine professionelle „Grow-Lamp“ beheizt und beleuchtet werden. So
können ohne Aufsicht Raupen bis zu zwei Wochen aufgezogen werden, was eine
immense Erleichterung ist.
Wie genau
läuft die Nachzucht ab?
Die frisch
abgelegten Eier müssen mindestens acht Wochen im Warmen bei Sommertemperaturen
verbleiben. Die Raupen entwickeln sich noch vor dem Winter in den Eiern. Danach
werden die Eier spätestens im November bei konstant 70 Prozent Luftfeuchte im
Kühlschrank überwintert. Nach mindestens acht Wochen nimmt man die Eier dann
ins Warme und die Raupen beginnen zu schlüpfen. Innerhalb von 20 Tagen können
sie zur Verpuppung gebracht werden. Die Raupen häuten sich viermal. Die Zeit
bis zur dritten Häutung ist mit vergleichsweise wenig Aufwand verbunden. Danach
jedoch müssen die Pflanzschalen häufig gewechselt werden, was sehr
arbeitsaufwendig ist.
Sollen Raupen
ausgesetzt werden, so müssen viele Raupen aufgezogen werden. Die
Wahrscheinlichkeit für Infektionen steigt, und man ist ständig im Einsatz.
Daher setzen wir auch die Raupen aus und nicht die Falter. Die Raupen können
sich akklimatisieren und die nächste Generation mit dem Wetter synchronisieren.
Es werden
ja nicht alle Raupen ausgesetzt, damit der Mosel-Apollo in Gefangenschaft
weiter vermehrt werden kann. Wie genau funktioniert diese Weiterzucht?
Für die
Weiterzucht müssen sich die Raupen in Gefangenschaft verpuppen. Die Paarung
muss in Gefangenschaft meist als sogenannte „Handpaarung“ herbeigeführt werden.
Das ist eine sehr arbeitsintensive Phase für den Züchter. Die Tiere müssen
regelmäßig gefüttert und die Weibchen sofort nach dem Schlupf verpaart werden,
während die Männchen mindestens vier Tage benötigen, um „voll einsatzfähig“ zu
sein. Und dann zieht sich die Schlupfperiode über 14 Tage. Um die begatteten
Weibchen muss man sich danach ebenfalls intensiv kümmern, damit sie innerhalb
weiterer acht Tage ihren vollen Ei-Vorrat ablegen können. Wir hoffen sehr, dass
Pflegemaßnahmen im Gelände und weitere Forschung zu den Gefährdungsfaktoren uns
helfen werden, dass diese Erhaltungszucht bald nicht mehr notwendig sein wird.