Montag, 09. Dezember 2024
Objekte, die Geschichte erzählen
Beim Restauratorentag in Speyer gab es sakrale Gegenstände zu bestaunen sowie jede Menge Expertentipps für die richtige Pflege und Handhabung der liturgischen Schätze
Kelche, Rauchfässer, Kreuze: Sakristane und Pfarrer demonstrieren beim Restauratorentag am 22. November im Bischöflichen Ordinariat in Speyer ein hohes Interesse an den „heiligen Geräten“, die bei der gottesdienstlichen Liturgie zum Einsatz kommen. Doch je länger und häufiger diese Gegenstände in Gebrauch sind, umso mehr bedürfen sie der Pflege, um auch nach Jahrhunderten ihren Dienst tun zu können. Markus Engert, der in Würzburg eine Gold- und Silberschmiede betreibt, ist nach Speyer gekommen, um Unterstützung beim Erhalt der sakralen Utensilien anzubieten.
Die Verbindung zwischen Speyer und Würzburg liegt auf der Hand: Der Würzburger Bischof Franz Jung war von 2009 bis 2018 Generalvikar in Speyer. Und der frühere Speyerer Bischof Anton Schlembach war zu Beginn der 1980er Jahre Generalvikar in Würzburg. Markus Engert, der die Würzburger Kunstschmiede mit 14 Mitarbeitern seit 1998 führt, versteht sich als Brückenbauer zwischen beiden Städten, wenn er beim Restauratorentag in Speyer sein Wissen weitergibt. Dass sich die Werkstatt in der Domstraße der Altstadt des fränkischen Bischofssitzes befindet, betrachtet Engert als höhere Fügung.
Leuchter, Hostienschalen, Messkännchen oder Monstranzen haben einen vom Material unabhängigen ideellen Wert. Doch bei manchen Gegenständen, die die Teilnehmer am Restauratorentag aus ihren Sakristeien des Bistums mitgebracht haben, handelt es sich in jedem Fall um Stücke, die Geschichte erzählen, teilweise über mehrere Jahrhunderte hinweg. Wie jener reich verzierte Kelch aus dem frühen 18. Jahrhundert, der in der Werkstatt Markus Engerts wieder auf Hochglanz poliert worden ist. Auch ein metallverziertes Kreuz mit einem mittelalterlichen Holzkern liegt auf dem Tisch. Manches Utensil aus früheren Jahrhunderten ist bei der Spendung von Sakramenten regelmäßig in Gebrauch, ohne dass es ein Bewusstsein darüber gäbe, wie wertvoll das Stück in Wirklichkeit ist; und manche Sternsingergruppe zieht unvermutet mit einem Kreuz durch die Straßen, das aus einer frühmittelalterlichen Werkstatt stammt.
Markus Engert gibt tiefe Einblicke in seine Arbeit, beschreibt Galvanisierungs- und Vergoldungsprozesse und erläutert genauestens chemische Reaktionen beim Vergolden von Gerätschaften. Er führt sein Geschäft in der zweiten Generation und arbeitet nach traditionellen Techniken, aber mit modernen Apparaturen. Auch Laser-Schweißgeräte kommen dabei zum Einsatz. Dann lässt er Leuchter und Kelche durch die Reihen gehen. Der Deckel einer Messingsschüssel fühlt sich beim Darüberstreichen pockennarbig an. Eine Silberschale ist dagegen glatt und blitzblank poliert: „Das ist der Unterschied zwischen einem Bunt- und einem Edelmetall“, erklärt der Kunstschmied. Edelmetalle sind deutlich länger haltbar. Buntmetalle korrodieren mit der Zeit und büßen ihren feinen Schimmer ein.
An einigen Kännchen, an denen der frühere Glanz längst stumpf ist, sind Lötspuren zu sehen – hier hat der Zahn der Zeit genagt, Löcher wurden notdürftig geflickt. Engert gibt den Sakristanen und Pfarrern genaue Anweisungen für die Pflege und die angemessene Handhabung, um die liturgischen Schätze auch in Zukunft einsetzen zu können. Empfohlene Putzmittel wandern durch die Reihen, fleißig werden Notizen gemacht. Die Entwicklung der Goldpreise sieht Engert allerdings als Problem: Weil sie nach wie vor steigen, wird ein Restaurieren der Edelmetalle teurer. Die Werkstätten haben davon nichts. Vielmehr wächst die Zurückhaltung in den Pfarreien, was sich negativ auf die Auftragslage der Schmiedewerkstätten auswirkt.
Beim Betrachten der einzelnen Stücke fallen die Unterschiede zwischen Edel und Buntmetallen unmittelbar ins Auge: Kelche aus Silber haben sich über die Jahrhunderte erhalten, weil sie gegen die Weinsäure beständig sind. Zinnkelche, wie sie beim Abendmahl in protestantischen Kirchen gebräuchlich sind, hält der Gold- und Silberschmied auch aus gesundheitlichen Gründen für bedenklich: Durch die Säure lösten sich Metalle und würden beim Trinken aufgenommen. Selbst Traubensaft sei keine Lösung, meint Engert, ganz im Gegenteil: Dieser sei noch säurehaltiger und dadurch schädlicher.
Der Restauratorentag wird als Dienstleistung des Ordinariats für die Pfarreien seit 2014 angeboten, wie Diözesan-Konservator Wolfgang Franz bestätigt. Er hat auch zahlreiche liturgische Gegenstände aus dem Nachlass eines früh verstorbenen Pfarrers und Sammlers mitgebracht, die von Markus Engert unter die Lupe genommen werden sollen. Der Würzburger Restaurator beruhigt die Pfarrer und Sakristane, was das Risiko von Diebstählen betrifft. Sakrale Utensilien seien allenfalls bei Gelegenheitsdieben und im Zusammenhang mit Beschaffungskriminalität begehrt; professionelle Räuber brächen wegen des vergleichbar geringen Materialwerts gewöhnlich nicht in Sakristeien ein. Für alle Fälle aber rät er, die Gegenstände in fest verankerten Tresoren aufzubewahren.
Ob im Tresor oder an einem Ort außerhalb: Trocken, dunkel und kühl sollten die Kelche und Leuchter, Schalen und Fässchen in jedem Fall gelagert werden. Hin und wieder könne man auch Gegenstände aus Edelmetallen vorsichtig mit einem Lappen und Spülmittel abreiben, aber wohlweislich nicht mit einem Metallschwamm. Und auch vor zu viel Bequemlichkeit rät Engert ab. Gehören liturgische Objekte in die Geschirrspülmaschine? „Bloß nicht!“, mahnt der Experte, und man spürt, wie ihn schon die pure Vorstellung graust. (Uwe Rauschelbach)