Donnerstag, 15. Juli 2010
Unruhe nach dem Sturm
Die innerkirchliche Großwetterlage bleibt unruhig – die vom Missbrauchsskandal einerseits und der medialen Berichterstattung darüber anderseits hervorgerufenen Sturm- und Gewitterwolken haben sich nicht völlig verzogen.
„Konfusion und Unsicherheit“ im Innern der katholischen Kirche beklagt Federico Lombardi, der Sprecher des Vatikans. In den schwierigen Zeiten, die die Kirche gerade durchlebe, ließen von außen hereingetragene Konflikte interne Spannungen leichter aufbrechen. Dies trage zu noch mehr Unsicherheit bei, schreibt Lombardi am 10. Juli in einem Kommentar. Papst Benedikt XVI. habe sich in seinen Gesprächen mit aller Kraft darum bemüht, Spannungen und Missverständnisse zu beseitigen, so Lombardi. Er verwies auf die Treffen des Papstes mit Kardinal Christoph Schönborn, Kurienkardinal Angelo Sodano und dem früheren Augsburger Bischof Walter Mixa. Zugleich erinnerte er an die Mahnung Benedikts XVI., angesichts einer „Zeit der Gegensätze und der Unsicherheit“ müssten alle Gläubigen einträchtig zusammenstehen.
Solidarität mit dem Papst
Ausdruck dieses Zusammenstehens für die eigene Glaubensgemeinschaft war am 11. Juli für rund 4000 Katholiken in Köln und München eine Kundgebung. In beiden Städten gingen bei der Aktion mit dem Namen „Deutschland Pro Papa“ Gläubige auf die Straße, um ihre Solidarität mit Papst und Kirche zu bekunden. In Castelgandolfo dankte Benedikt XVI. für die Rückenstärkung aus der Heimat.
Vorbild für die Veranstaltungen, die bewusst am Namenstag des heiligen Benedikt stattfanden, war eine Großdemonstration Mitte Mai auf dem Petersplatz in Rom mit 200000 Teilnehmern. Nach Meinung von Initiatorin Sabine Beschmann ist die katholische Kirche durch die Missbrauchsfälle in ein schlechtes Licht gerückt worden. „So sehr ich den Missbrauch und die Täter verurteile, so sehr habe ich mich auch über die einseitige Berichterstattung in den Medien geärgert“, sagte sie im Vorfeld dem Internetportal katholisch.de. Die Kundgebungen sollten zeigen, dass die Kirche anders ist „als das von den Medien gezeichnete Zerrbild“. Erzbischof Reinhard Marx schrieb in einem Grußwort an die Kundgebungsteilnehmer, es tue gut, dass katholische Christen den Mut fänden, sich zur Kirche, zum Glauben und zum Papst zu bekennen. Das sei nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der die Kirche in der Kritik stehe. Aber: Auch wenn manche Zeitungsberichte überzogen gewesen seien, dürfe niemanden unberührt lassen, was Kindern und Jugendlichen angetan worden sei. Der Erzbischof warnte davor, deswegen alle Priester unter Generalverdacht zu stellen, sprach sich jedoch dafür aus, alles aufzuarbeiten. Berechtigte Kritik sei legitim, „und wir tun gut daran, sie uns zu Herzen zu nehmen“.
„Verschlossene Auster“
Eine solche Kritik kam am 10. Juli seitens der journalistischen Zunft. Für den Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, war es beileibe kein Heimspiel, als er bei einer Tagung der Journalistenvereinigung „netzwerk recherche“ in Hamburg einen ungeliebten „Preis“ entgegennahm: Die Medienmacher verliehen der Bischofskonferenz die „Verschlossene Auster“ für den „Informationsblockierer des Jahres“. In einer Diskussion mit dem Titel „Mixa und Co. – Der Missbrauchsskandal in den Medien“ saßen neben Kopp unter anderen die Journalisten Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ und Gernot Facius, Kirchenfachmann der Zeitung „Die Welt“, auf dem Podium.
Matthias Kopp räumte Kommunikationsfehler der Kirche im Umgang mit dem Missbrauchsfällen ein. „Wir haben in einem falsch verstanden Täterschutz Fehler gemacht und können jetzt nicht zum Geschäftsalltag zurückkehren“, erklärte der Sprecher. Die Journalisten berichteten von Recherche-Hürden, gestanden aber auch eigene Fehler ein: Nicht immer sei er mit der Darstellung des Missbrauchs in den Medien glücklich gewesen, so Facius.
Entschieden für Zölibat
Wie weit die Vorfälle auch zurückliegen, sie belasten aktuell das Vertrauen der Kirche bei den Menschen: Die Seelsorge sei erheblich erschwert worden, sagte der Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, in einem Interview der „Welt am Sonntag“. Ihn quäle „die Wolke des Verdachts, unter die nun alle geraten sind“, sagte Meisner. „Ich hoffe, dass die Talsohle erreicht ist. Schlimmer kann es nach meiner Vorstellung nicht mehr werden“, fügte er hinzu. Aber es sei gut, dass die Untaten ans Licht gekommen seien. Zugleich stelle er fest, dass der Skandal die Gläubigen auch habe zusammenrücken lassen. Entschieden befürwortete der Kardinal den Zölibat. „Überzeugend gelebt, ist der Zölibat immer noch der schlagendste Gottesbeweis. Bei einem Zölibatär muss man immer sagen: ,Entweder ist der verrückt, oder es gibt Gott'.“