Mittwoch, 27. November 2024
Ein Exot in der „Frauenwelt“ Kita
Gabriel Salzmann mag Menschen. Besonders Kinder liegen ihm am Herzen. Selbst wenn sie noch so hartnäckig ihren Willen durchsetzen wollen, geht der 44-Jährige geduldig auf sie ein. Denn als staatlich geprüfter Erzieher ist er ein echter Profi. Und nahezu ein Exot. Denn der zweifache Familienvater arbeitet in einem Tätigkeitsfeld, das überwiegend von Frauen dominiert wird: in der Kindertagesstätte (Kita).
Seit dem 1. Oktober leitet er die Einrichtung St. Dominikus in Harthausen und bringt für diese Aufgabe 20 Jahre Praxiserfahrung mit. Dabei war dieser Berufsweg alles andere als vorgezeichnet. „Als Schüler wusste ich erst einmal, was ich nicht machen wollte: im Büro arbeiten und mit Zahlen hantieren. Denn in Mathematik war ich nicht gut.“ Dagegen bereitete Gabriel Salzmann der Kontakt und der Umgang mit Menschen Freude. Diese Voraussetzungen sollten mit Blick auf den weiteren Lebensweg auf jeden Fall erfüllt sein. Ein Besuch im Berufsinformationszentrum brachte Klarheit, wohin die Reise geht. „Dort musste ich Bögen ausfüllen, auf denen ich meine Interessen notierte, und erhielt daraufhin einen Stapel Filme mit Berufsbildern, die aufgrund meiner Neigungen in Frage kommen, etwa Schauspieler – und Erzieher.“
Nach dem Realschulabschluss entschloss sich Gabriel Salzmann dazu, sich an der Fachschule für Sozialpädagogik seiner Heimatstadt Darmstadt zu bewerben – mit Erfolg. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Sozialassistent als Voraussetzung für die anschließende Ausbildung zum Erzieher. 2004 hatte er seinen Abschluss in der Tasche und sofort einen Arbeitsvertrag. „Die Kindertagesstätte, in der ich im letzten Jahr meiner Erzieherausbildung im Anerkennungspraktikum war, hatte mich danach übernommen.“ Salzmann arbeitete in der Folge in verschiedenen Kitas – und lernte seine Frau kennen, die in Darmstadt studierte. 2009 läuteten die Hochzeitsglocken. Während die standesamtliche Eheschließung in Darmstadt stattfand, gab sich das Paar in der katholischen Kirche in Harthausen, dem Heimatdorf der Braut, das Ja-Wort. „Es war eine ökumenische Trauung, denn meine Frau ist Katholikin, und ich gehöre der Evangelisch-lutherischen Kirche an.“ Die beiden zogen nach Harthausen und gründeten eine Familie. Die zwei Kinder sind heute sieben und zehn Jahre alt.
In der Pfalz fühlt sich Gabriel Salzmann sehr wohl. „Hier ist der Menschenschlag ein anderer“, sagt er über seine Wahlheimat und fügt augenzwinkernd hinzu: „Der Pfälzer stellt etwas zu trinken hin, weil er etwas über sein Gegenüber erfahren möchte; bei einem Hessen ist die Reihenfolge genau umgekehrt.“ Beruflich hat der Erzieher auch in der Pfalz schon zwei Kita-Stationen hinter sich gelassen. In den drei vergangenen Jahren wandte sich Gabriel Salzmann allerdings einem anderen Tätigkeitsfeld zu: der sozialen Gruppenarbeit, „denn ich wollte mit älteren Jungen und Mädchen arbeiten“. Dank seiner Ausbildung brachte er dafür die notwendigen Voraussetzungen mit. Denn sie ermöglicht es ihm, sowohl im sozialen als auch im pädagogischen Bereich in verschiedenen Feldern tätig zu sein. Als pädagogische Fachkraft an der Integrierten Gesamtschule in Ludwigshafen-Gartenstadt war er Teil des Projekts „Nuggets“, das Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen im Schulalltag hilft. Salzmann begleitete Schüler im Unterricht und am Nachmittag im Rahmen der sozialen Gruppenarbeit in den Räumlichkeiten der Schule. „Eigentlich wollte ich dort viel länger arbeiten, aber auch nicht hängenbleiben“, nennt er den Grund für seinen jüngsten Jobwechsel. Er bewarb sich an verschiedenen Schulen für die Tätigkeit als Schulsozialarbeiter und in unterschiedlichen Kindertagesstätten auf Leitungsstellen. In Harthausen erhielt Gabriel Salzmann eine Zusage. Für ihn eine glückliche Fügung, „denn um zur Kita zu kommen, benötige ich zu Fuß lediglich fünf Minuten“.
Dass er sich nun erstmals als „Chef“ einer Einrichtung vor allem mit Managementaufgaben wie Verwaltung und Organisation beschäftigen muss, statt in den Gruppen mit Jungen und Mädchen zu arbeiten oder Praktikanten anzuleiten, bedauert Gabriel Salzmann ein wenig. Dafür freut er sich, viel Neues zu lernen. Die notwendigen Kenntnisse eignet er sich derzeit im Rahmen einer Zusatzqualifikation zum Kindertagesstättenleiter an, die bis Ende Juni 2025 dauert. Seine bisherigen Erfahrungen im Kitabereich sowie in der sozialen Gruppenarbeit sieht er für seine Leitungsfunktion ebenfalls als sehr hilfreich an. Etwa für den Aufbau eines Netzwerks, dem die Beschäftigten der Kita, die Eltern, die Kita-Leitungskolleginnen der Pfarrei sowie für die Einrichtung wichtige Menschen und Institutionen in Harthausen angehören.
„Das oberste Ziel aller Beteiligten besteht darin, das Beste für jedes einzelne Kind zu erreichen“, bekräftigt Salzmann.
Außer ihm kümmern sich in der Kita St. Dominikus jeden Tag 16 Frauen und ein weiterer Mann um die 107 Jungen und Mädchen im Alter von drei bis sechs Jahren. Dass Männer langsam in den Erzieherberuf kommen, findet der frisch gebackene Leiter, der bereits mit dem ein oder anderen männlichen Kollegen zusammengearbeitet hat, gut. Salzmann ist davon überzeugt: „Je früher Kinder mit Männern zu tun haben, desto besser. Sie gleichen den Mangel an männlichen Bezugspersonen aus, da die Väter häufig aufgrund ihres Berufes weniger präsent sind.“ Darüber hinaus profitierten die Mädchen und Jungen von den verschiedenen Persönlichkeiten und Geschlechtern. „Denn wir Erwachsene sind Vorbilder für die Kinder. Von uns können sie sich abschauen, wie man sich in unterschiedlichen Situationen verhält.“
Bereits als Jugendlicher engagierte sich der zweifache Familienvater für Gleichaltrige und Kinder. Acht Jahre lang gehörte er einem Team an, das Wochenendfreizeiten für Kinder und Jugendliche plante und durchführte. „Das war gleich nach meiner Konfirmation bei der Evangelisch-lutherischen Kirche.“ Eine Aufgabe, die Gabriel Salzmann viel Spaß bereitete. „Das ist auch der Grund, warum ich hier jeden Tag die Tür reinkomme: Ich will Spaß haben. Und wir können hier in der Tat unfassbar viel Fez mit den Kindern machen“, freut sich der Wahl-Pfälzer. Lachen und Humor generell seien befreiend und hilfreich bei der Arbeit. „Denn es ist nur möglich, gut zu sein, wenn die Beziehungen auf allen Ebenen stimmen.“ Dazu gehöre zudem ein wertschätzender und freundlicher Umgang miteinander. „Und konstruktive Kritik – auch von Seiten der Mitarbeiter gegenüber meiner Arbeit. Ansonsten muss ich davon ausgehen, dass ich ein Geschenk Gottes für das Haus bin“, merkt er an und kann sich dabei ein Lachen nicht verkneifen.
Humor spielt auch in der Freizeit des 44-Jährigen eine große Rolle. Salzmann moderiert alljährlich die „Harthäuser Tabakernte“, eine Comedy- und Kleinkunstshow des Kultur- und Heimatvereins seines Wohnortes. Als Beisitzer im Vorstand des Vereins vertritt er zudem die Interessen der Kleinkunst. Und mit seinem Projekt „Herrenabend“ steht der Kitaleiter zwei- bis dreimal im Jahr selbst als Kabarettist auf der Bühne. Das notwendige Knowhow erwarb er sich während einer zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung zum Theaterpädagogen für seine Tätigkeit in der Kita. Salzmann weiß, dass die Mädchen und Jungen auf vielfältige Weise von Theater- und Rollenspielen profitieren. „Sie lernen durch die Teamarbeit soziales Verhalten, aber auch, sich vor einem Publikum zu präsentieren. Das fördert das Selbstbewusstsein.“ Wichtig sei, die Kinder beim Entstehen eines solchen Projekts zu beteiligen, auch hinter den Kulissen, wenn es etwa um den Bau von Figuren für das Puppentheater geht. Die Einrichtung St. Dominikus verfügt über einen eigenen Theaterraum, in dem die Kinder in unterschiedliche Rollen schlüpfen können. Und ein Theaterstück ist bereits in Planung. (Petra Derst)