Redaktion der pilger

Mittwoch, 27. November 2024

Wach bleiben

Die spanische Stadt Paiporta im Großraum Valencia hat die Regenflut Anfang November 2024 schwer getroffen. Noch schrecklichere Bilder „sehen“ wir in den Evangelien im Advent. Sie rufen uns zur Wachsamkeit für den „Einbruch“ Gottes in diese Welt auf, die dann zu Ende ist. (Foto: Actionpress_46193737 (SOPA Images via ZUMA Press Wire))

Der Advent ist anders als wir ihn begehen

Aufgetürmte Autos, weggerissene Straßen, geflutete Häuser und Tiefgaragen. Es waren surreal anmutende Szenen, die uns im Fernsehen vor kurzem aus Südspanien erreicht haben. Szenen, wie sie zuvor schon in Norditalien, dem heimischen Ahrtal und an vielen anderen Unglücksorten zu sehen waren. Hunderte Menschen haben dabei ihr Leben verloren, Schäden in Milliardenhöhe sind entstanden.

Doch in beklemmender Weise erinnern die Fernsehbilder auch an jene apokalyptischen Visionen, mit denen die biblischen Schriftsteller schon vor zwei Jahrtausenden das Ende der Zeit illustriert haben. Wenn sie beschreiben, wie „Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen“ oder wie das Meer tobt und sich zu Sturmfluten auftürmt. Zeichen, die auf den Anbruch der Gottesherrschaft für diese Welt hinweisen sollen.

Es sind Bilder, mit denen jedes Jahr die Adventszeit eingeläutet wird und die so gar nicht passen zu jenem heimeligen Gefühl, das sich sonst bei Kerzenschein, Tannenduft und Lebkuchen einstellt. Dennoch gehören sie zum Advent – so wie Adventsmärkte und Glühweinstände.

Ziemlich sicher ist, dass der Evangelist Lukas die apokalyptischen Visionen seines Kollegen Markus (Markus 13) gekannt und in sein eigenes Evangelium aufgenommen hat. Allerdings hatte sich da längst die Einsicht durchgesetzt, dass es mit einer schnellen Rückkehr des Auferstandenen, auf die die frühe Christenheit noch sehnlichst gehofft hatte, wohl doch nichts werden wird. Statt zu erwarten, dass Christus bald wiederkommt, sollten sich die Christinnen und Christen auf eine unbestimmte Zeit einstellen. Sie sollten in dem Bewusstsein leben, dass die Rückkehr Christi und der Anbruch der Gottesherrschaft zwar schon morgen sein könnte, aber vielleicht auch erst in tausend Jahren. „Gebt Acht und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist“ (Markus 13,33).

Doch schon den damaligen Autoren war wohl klar, wie schwierig es ist, in einer permanenten Spannung zu leben und diese ein Leben lang aufrecht zu halten. Denn das hieße ja, jeden Tag, jede Stunde damit zu rechnen, dass diese Welt und das bisherige Leben vorbei sein könnten. Nicht nur, weil ich vielleicht plötzlich sterbe, sondern weil Christus in die bestehende Welt einbricht, um eine andere, neue, bessere Welt zu errichten.

Und der größte Feind einer ständigen, angespannten Erwartung war und ist nun mal der Alltagstrott mit all seinen kleinen und großen Sorgen und Herausforderungen. In meiner kleinen Welt, in der ich mich häuslich eingerichtet habe, die vielleicht alles andere als perfekt ist, die ich aber nur ungern hergeben will. Zumal gegen etwas, das ich mir nicht vorstellen und auch nicht beeinflussen kann. Das wussten auch die Evangelisten. Darum: „Gebt Acht und bleibt wach!“

Die apokalyptischen Texte am Beginn des Advents erinnern also daran, worum es beim Advent auch geht. Eben nicht nur ums Warten aufs Christkind, sondern um das Er-Warten des verheißenen Gottesreichs. Um jene Hoffnung, die das Buch der Offenbarung in eindrücklichen Bildern geschildert hat. Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, wo alle Tränen getrocknet sind und wo Tod und Trauer, Schmerzen und Mühsal keinen Platz mehr haben (Offenbarung 21,1–5).

Die Frage ist nur: Erwarten wir das wirklich noch? Wenn wir ehrlich sind, dann hat im Advent die Hoffnung auf eine machtvolle Rückkehr Christi doch längst einer glühweinseligen Gemütlichkeit Platz gemacht. Schmerzen und Tod sind ein Fall für die moderne Medizin und nur selten noch für den Allmächtigen. Und beim Wort Apokalypse denken die Meisten wohl eher an die Schrecken eines neuen Weltkriegs, kaum jedoch an einen Einbruch Gottes in diese Welt.

Trotzdem lohnt es sich, einen Restbestand dieser alten christlichen Hoffnung zu bewahren. Auch heute. Weil so viele quälende Fragen nach dem Warum von Elend, Leid und Tod ohne Antwort bleiben. Weil es so viel Schmerz gibt, der nicht gelindert, so viel Unrecht, das nicht gesühnt wird und weil da eine ohnmächtige Wut bleibt, dass es zu oft keine Gerechtigkeit gibt. Wenn aber zum Kern der christlichen Hoffnung gehört, dass nicht nur die Liebe, sondern auch die Gerechtigkeit stärker ist als der Tod, dann kann sich diese Hoffnung nur an Gott klammern. Weil eben nur Gott und nicht der Mensch es ist, der einen neuen Himmel und eine neue Erde machen kann für alle, die Lebenden und die Toten.
Die Frage am Beginn des Advents ist, ob wir als Christinnen und Christen diese adventliche Hoffnung auch heute noch mit Leben füllen können. (Martin Wolf)

 

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