Donnerstag, 14. November 2024
Kirche an Sklaverei beteiligt
Auch Ordensgemeinschaften besaßen einst Zehntausende Leibeigene
Schätzungen zufolge wurden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert mehr als zwölf Millionen Frauen und Männer, die vorwiegend aus West- und Zentralafrika stammten, nach Süd- und Nordamerika versklavt. Zunächst waren sie meist Gefangene lokaler Herrscher und wurden dann beispielsweise gegen Waffen und Stoffe getauscht oder verkauft. Die Überfahrten nach Süd- und Nordamerika dauerten mitunter zwei Monate. Aufgrund der katastrophalen Bedingungen überlebten viele nicht.
Daran beteiligt waren europäische Mächte wie Großbritannien, die Niederlande, Portugal, Dänemark, aber auch Brandenburg-Preußen. Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg entstanden 1682 die Afrikanische Compagnie und wenig später im heutigen Ghana die Festung Groß Friedrichsburg, die seit 1979 Teil des Welterbes der Unesco ist. Brandenburg-Preußen war an der Verschleppung von 33 000 Menschen beteiligt.
Eine aktive Rolle hat auch die katholische Kirche gespielt, worüber bisher höchst ungern gesprochen wurde. „Das falsche Narrativ war, dass die Bischöfe, die die Sklaverei guthießen, damit gegen Rom und die Lehre der Kirche verstießen“, berichtet der Priester Christopher Kellerman über die erste Zeit, als er mit seiner Forschungsarbeit begann. Doch Kellerman, der bei der Jesuitenkonferenz von Kanada und den Vereinigten Staaten für den Arbeitsbereich Gerechtigkeit und Ökologie verantwortlich ist, kam zu anderen Ergebnissen, die er mittlerweile in einem Buch veröffentlicht hat. Seinen Forschungen zufolge wurde Sklaverei lange von der Kirche akzeptiert.
So erlaubte im Jahr 1452 Papst Nikolaus V. mit der Bulle „Dum Diversas“ den Sklavenhandel. Die Jesuiten besaßen beispielsweise im Jahr 1760 nach Forschungen des Historikers Andrew Dial weltweit mehr als 20 000 Sklaven. Kritische Gegenstimmen wurden verboten. Gegen Sklaverei sprachen sich etwa im 17. Jahrhundert Kapuzinermönche aus. „Sie wurden von ihrem örtlichen Bischof bestraft, weil sie sich dem atlantischen Sklavenhandel widersetzten“, so Kellerman.
Vor allem nach den Anti-Sklaverei-Dokumenten von Papst Gregor XVI. (1831 bis 1846) und Papst Leo XIII. (1878 bis 1903) sei das Narrativ entstanden, dass die Kirche immer schon gegen die Sklaverei war, sagt Kellerman. Er kritisiert diese Sichtweise, zieht Parallelen zu den Missbrauchsskandalen und betont, dass auch Sklaverei Missbrauch war. „Wir müssen ehrlich sein, auch wenn es eine schmerzhafte Geschichte ist. Niemand will das über seine Kirche hören, aber wie bei allen Missbrauchssituationen müssen wir ehrlich sein.“
Das Thema müsse debattiert werden, fordert auch Jörg Lüer, Historiker und Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax in Berlin. Ein Anfang habe eine Konferenz in Ghana mit Teilnehmern aus Afrika, Amerika und Europa gemacht. „Wir haben nicht nur daneben gestanden. Als katholische Kirche sind wir Teil des Ganzen gewesen“, sagt Jörg Lüer. Ziel sei es, Reflexionen über die Rolle der katholischen Kirche in der Sklaverei voranzubringen.
Mit Kardinal Michael Czerny, Präfekt der vatikanischen Entwicklungsbehörde, habe man im Vatikan einen Unterstützer. Zu Beginn der Weltsynode habe er sich im Schuldbekenntnis zu den Verstrickungen in Sklaverei und Kolonialismus geäußert. „Wir brauchen früher oder später aber ein entsprechendes Schuldeingeständnis aus dem Munde des Papstes“, meint Lüer. Wichtig seien jedoch auch Auseinandersetzung und Aufarbeitung. Die Verantwortung für Orte, die mit Sklaverei in Verbindung stehen, sollte, so Lüer, gemeinsam getragen werden; von heutigen Bewohnern, den Rechtsnachfolgern der ehemaligen Sklavenhändlern sowie den Nachfahren der Versklavten. (Katrin Gänsler, kna)