Samstag, 25. Dezember 2010
Befehle können Leben retten
Die Botschaft von Weihnachten nimmt in die Pflicht – ein Beitrag von Pastoralreferent Thomas Stefan zum Bibeltext aus dem Matthäus-Evangelium (Matthäus-Evangelium 2, 13–15. 19–23).
Befehle stehen nicht gerade hoch im Kurs. In einer Zeit, in der nichts mehr widerspruchslos hingenommen wird, passen Befehle für viele nicht mehr ins Welt- und Menschenbild. Für nicht wenige haftet ihnen ein Mief einer (ungeliebten) vergangenen Zeit an, die für sie bestenfalls noch antiquarischen Wert besitzt. Besonders deutlich ist diese Tendenz an der Fülle von Protestbewegungen gegen Anweisungen, Verordnungen und damit gegen „Befehle von oben“ abzulesen.
Wen wundert es da, wenn es um den Themenbereich „Befehle“ geht, dass die Bundeswehr seit ihrem Bestehen kritisch beäugt wird. Zwar hüllt sich die breite gesellschaftliche Mehrheit in Bezug auf Soldatenthemen „traditionell“ in Schweigen, jedoch tönt eine laut-starke Minderheit immer ungenierter ihre Parolen: „Wie kann man nur Soldat sein?“
Im krassen Gegensatz zu diesen Aversionen gegen Befehle (und deren Empfänger) steht die heutige Begebenheit aus dem Matthäusevangelium. Josef bekommt im Traum dreimal klare Anweisungen vom Engel des Herrn, die er anstandslos umsetzt. Der Engel befahl: „Steh auf ... und flieh“, dann „stand Josef ...auf und floh“. Beim zweiten Mal ähnlich: „Steh auf ...und zieh“, dann „stand er auf und zog“. Und schließlich „weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er...“. Dreimal klare Aufforderungen, denen sich Josef nicht widersetzt hat.
In diesem biblischen Zusammenhang wird wohl keiner gegen die ergangenen Befehle und den Ausführenden zu Felde ziehen, da es sich zum einen um eine göttliche Anweisung und zum anderen um die Abwehr einer realen Bedrohung für die eigene Familie handelt. Demzufolge ist der entscheidende Faktor bei der Beurteilung von Aufträgen, erstens, wer sie erteilt, und zweitens, wozu.
Beim ersten Punkt dreht sich alles um Vertrauen und Autorität, die man in den „Befehlsgeber“ haben muss. Dazu gehört das Akzeptieren seiner Kompetenz, aber auch das Zutrauen in seine Fähigkeiten und in seinen guten Willen. Der zweite Punkt hängt eng mit dem eben genannten zusammen und bezieht sich auf den Zweck der Verordnungen. So zum Beispiel würde wohl jeder zum Wohl seiner Lieben die größten Strapazen auf sich nehmen, um eine Bedrohung für Leib und Leben abzuwehren.
Wer erteilt Befehle und wofür, diesen (lebenswichtigen) Fragen haben sich besonders Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu stellen. Im Gegensatz zur vielleicht vorherrschenden Meinung vieler, findet innerhalb der Truppe allerdings über die Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit von Befehlen und (Auslands-)Einsätzen ein reger Diskurs statt. Auseinandersetzungen in ethischen Fragestellungen ist ein Kernauftrag des Soldaten und besonders für Vorgesetze eine zwingende Notwendigkeit. Wenn wir vor allem dem in der Präambel des Grundgesetzes vorgeschriebenen weltweiten Einsatz für Frieden ins Auge schauen, dann befinden sich Bundeswehrsoldaten näher an einer christlich-weihnachtlichen Friedensausrichtung als viele wahr haben wollen. Frieden und Schutz von Verfolgten braucht Handeln und Einsatz. Die Bundeswehr ist in dem, was sie weltweit tut, parlamentarisch legitimiert und das bedeutet, einem hohen ethischen und rechtlichen Standart Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf die Einsätze geht es nicht darum, den Soldaten einen quasi Heiligenschein anzudichten, aber wer Willkür, Fahrlässigkeit und unverantwortungsloses Handeln Soldatinnen und Soldaten leichtfertig unterstellt, betreibt einen völlig an den Realitäten vorbeigehenden Propagandafeldzug gegen Frauen und Männer aus unseren Reihen, die ihr Leben aufs Spiel setzten, damit wir und andere (noch bzw. wieder) menschenwürdig leben können.
Die leidgeprüfte Situation der Heiligen Familie schreit nach Besserung. Was Angst vor Verfolgung und reale Verbrechen an Menschen und der Menschlichkeit angeht, sollten wir Deutsche in unserer Geschichte bereits ausreichend Erfahrung gemacht haben. Und wer denkt, nur weil man das Wort „Befehl“ auch mit „brauner Tinte“ schreiben kann, die Bundeswehr im gleichen Sumpf sehen zu müssen, dem ist beim besten Willen nicht mehr zu helfen. Fakt ist: Die weihnachtliche Botschaft vom Frieden ist eine christliche Selbstverpflichtung, für die es sich nicht nur verbal stark zu machen gilt. Millionen von Menschen sind auch heutzutage auf den Flucht und Millionen von Menschen träumen von Frieden. Um Leid und Not abzuwenden braucht es mehr als Sonntagsreden. Es braucht auch Befehle und Menschen, die sie umsetzen, wie am Beispiel Josefs zu sehen. Frieden und Freiheit muss mehr sein, als nur ein frommer Wunsch, den wir uns unter dem Tannenbaum zuflüstern können. Dass dies nicht einfach ist, sehen wir schon bei uns im Kleinen.