Donnerstag, 28. April 2011
Katholiken wollen Reformen
Umfrage: 80 Prozent wollen stärkere Öffnung – Zölibat wichtiges Thema
80 Prozent der Katholiken in Deutschland fordern Reformen ihrer Kirche wie die Aufhebung des Pflichtzölibats. Das geht aus einer repräsentativen Politbarometer-Umfrage hervor, die das ZDF zu Ostern veröffentlichte. Der Sender sieht das Ergebnis in Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen des vergangenen Jahres. Demnach traten 2010 schätzungsweise 180000 Katholiken aus ihrer Kirche aus, 40 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, kündigte im ZDF an, in dem von ihm angestrebten Dialogprozess auch über den Zölibat zu sprechen. Die Bischöfe wollten dabei „gute Gründe“ darlegen, weshalb die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit wichtig sei. Man werde „sicher nicht in solchen wichtigen Fragen so schnell zu einer Entscheidung kommen“.
Dem Meinungsbild zufolge, das die Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der ZDF-Sendung „sonntags“ erstellte, sind selbst unter wöchentlichen Kirchgängern 61 Prozent für Veränderungen; 28 Prozent sprachen sich dagegen aus. Das widerlegt laut dem Sender das Argument, praktizierende Katholiken seien mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden.
Besonders hoch ist der Reformwille bei älteren Katholiken: 84 Prozent der Gläubigen über 60 wünschen Veränderungen hin zu verheirateten Priestern und Frauen am Altar. Im Bevölkerungsquerschnitt ohne Rücksicht auf die Konfession sind es 73 Prozent. Zugleich meinten 46 Prozent der häufigen Kirchgänger, die Kirche solle sich stärker an traditionellen Glaubensinhalten orientieren.
Hinsichtlich der wichtigsten Reformpunkte setzen 67 Prozent der praktizierenden Gläubigen die Möglichkeit verheirateter Priester an erste Stelle; für 19 Prozent hat die Frage des gemeinsamen Abendmahls Priorität, für neun Prozent die Zulassung von Frauen zum Priesteramt.
Was den Umgang mit Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen betrifft, sind 50 Prozent der Kirchgänger der Ansicht, die Kirche tue nicht genug zur Aufklärung; 41 Prozent finden das Krisenmanagement angemessen, neun Prozent sind unentschieden. Die Hilfsangebote der Kirche für Missbrauchsopfer halten 29 Prozent der praktizierenden Gläubigen für ausreichend, 51 Prozent für unzureichend.
Das Urteil der Katholiken darüber, wie die Kirche auf den Missbrauchsskandal reagiert, hat sich gegenüber April 2010 verbessert. In der Gesamtbevölkerung halten jedoch unverändert nur 12 Prozent die Aufklärungsbemühungen der katholischen Kirche für überzeugend und 9 Prozent die Hilfen für Opfer angemessen.
Zollitsch kündigte an, zu dem Dialogprozess auch ausgetretene Katholiken einzuladen, um die Gründe ihrer Unzufriedenheit zu erfahren. Die Bischöfe wollten „genauer wissen, warum viele die Kirche verlassen haben“, und die Anliegen der Betreffenden hören. Umgekehrt sei auch die Kirche überzeugt, sie habe „den Menschen etwas zu sagen, etwas Entscheidendes“.
Unter anderem wird sich der Dialog laut Zollitsch mit dem Verhältnis zwischen Priestern und Laien in der deutschen Kirche sowie mit den unterschiedlichen Diensten in der Gemeinde befassen. „Darüber werden wir sicher zu neuen Entscheidungen und Perspektiven kommen“, sagte der Vorsitzende. Andere Fragen würden hingegen mit Rücksicht auf die weltkirchliche Situation „viel länger Zeit brauchen“, sagte Zollitsch.
Hinweis: Alle Ergebnisse beim ZDF unter: http://www.sonntags.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,8234465,00.html