Redaktion der pilger

Donnerstag, 05. Mai 2011

Besuche für die Trauer und gegen das Vergessen

Die Mitglieder der Trauergruppe versammeln sich am Ende ihres zweimonatigen Treffens an der Totengedenktafel in einer der beiden Pfarrkirchen von Lingenfeld oder Schwegenheim, um gemeinsam zu singen und zu beten. Foto: Van Schie

In der Pfarreiengemeinschaft Lingenfeld bringen Ehrenamtliche ein Jahr nach dem Tod eines Gemeindemitglieds ein Gedenkkreuz zu den Angehörigen

„Das klei­ne Gedenkkreuz hat seinen Ehrenplatz am Bild unserer Oma; an ihrem Geburtstag, an Ostern und Weihnachten zünde ich dort eine Kerze an.“ Christa Weiß aus Schwegenheim denkt gerne an ihre verstorbene Schwiegermutter zurück. „Wir hatten eine sehr enge Verbindung; sie war Teil unserer Familie, lebte im hinteren Teil unseres Doppelhauses in einer eigenen Wohnung und konnte, wann immer sie wollte, zu uns kommen.“ Als sie vor drei Jahren im Alter von 90 Jahren starb, „war ich sehr traurig“, bekennt Christa Weiß. „Seitdem rede ich mit ihr, und ich habe das Gefühl, dass sie mir tief in meinem Inneren Antwort gibt.“

Ein Jahr nach dem Tod der Schwiegermutter  erhielt die heute 72-Jährige Besuch von Pastoralreferent Thomas Bauer, um ihr das kleine Gedenkkreuz, das mit dem Namen sowie dem Geburts- und Sterbedatum der Schwie­germutter versehen ist, zu bringen. Es steht seitdem am Foto der Verstorbenen. Seit dem ersten Sterbeamt hing es ein Jahr lang an der Totengedenktafel in der Schwegenheimer Pfarrkirche – zusammen mit weiteren Gedenkkreuzen Verstorbener aus der Gemeinde.

Trauerbesuche nach einem Jahr

Thomas Bauer gehört als einziger hauptamtlicher Mitarbeiter einer Grup­­pe von insgesamt zehn Pfarreimitgliedern aus Lingenfeld und Schwegenheim an, die – wenn gewünscht – nach einem Jahr der Trauer Gedenkkreuze zu den Angehörigen der Verstorbenen bringen. Und das ist noch nicht alles. Bei den Trauerbesuchen fragen er und seine Mitstreiterinnen vor allem auch, wie es den Angehörigen nach dem Trauerjahr geht. „Da dauert es manchmal schon etwas, bis die Betroffenen ihre Scheu ablegen können“, weiß Lucie Camin, Ehrenamtliche aus Schwegenheim, die gemeinsam mit Thomas Bauer die Trauerbesuchsgruppe leitet. Die meisten seien jedoch recht schnell bereit, über ihren Kummer und die schönen sowie weniger schönen Erlebnisse mit dem Verstorbenen zu sprechen. „Denn ihnen ist es einfach wichtig, dass wir zuhören, und wenn es gewünscht wird, sprechen wir mit ihnen ein Gebet.“ Dabei sei sehr viel Einfühlungsvermögen gefragt, vor allem beim Verlust von Kindern oder jungen Menschen. Diese tragischen Fälle stecken dann auch die Besucher aus der Pfarrei nicht einfach so weg, sondern bringen sie besonders zum Nachdenken.

Falls notwendig, bieten die Ehrenamtlichen auch Hilfestellungen an, etwa wenn ältere Witwen oder Witwer unter Einsamkeit leiden. „Wir weisen dann auf Angebote der Gemeinde, etwa einen bestehenden Kreis, hin, der sich regelmäßig trifft“, unterstreicht Lucie Camin, die den Vorsitz des Caritasausschusses innehat und seit rund 25 Jahren dem Pfarrgemeinderat angehört. Bei Notfällen in finanzieller oder sonstiger Hinsicht werde zudem der Pfarrer verständigt sowie an entsprechende Stellen verwiesen, damit den Betroffenen geholfen werden könne. „Da kommt es dann schon mal vor, dass wir einen Hilfebedürftigen zu Behörden begleiten und mit ihm beispielsweise Anträge für Zuschüsse ausfüllen.“ Insgesamt hat Lucie Camin das Gefühl, dass viele in ihrer Trauer hilflos sind. Dabei kann sie feststellen, dass jeder Hinterbliebene unterschiedlich mit dem Verlust umgeht. „Die einen ziehen sich zurück; andere suchen den Kontakt nach außen, und wieder andere lenken sich durch Arbeit ab.“

Projekt besteht seit vier Jahren

Seit vier Jahren bestehen die Trauerbesuchsgruppe der Pfarreiengemeinschaft und die beiden Totengedenktafeln in der Lingenfelder und Schwegenheimer Pfarrkirche. Die Idee brachte ein Ehepaar aus dem Bayernurlaub mit und in den Pfarrgemeinderat ein. Dort stieß sie auf breite Zustimmung. An Allerheiligen 2007 wurde das Projekt schließlich in den drei Gemeinden Lingenfeld/Westheim und Schwegenheim vorgestellt.

Doch zuvor hieß es erst einmal für die Mitglieder der Trauerbesuchsgruppe, sich fit zu machen für die verantwortungsvolle Aufgabe, und zwar in Form eines Fortbildungsseminars für Trauergespräche. Pastoralreferent Thomas Bauer vermittelte den Ehrenamtlichen unter anderem anhand von Rollenspielen, wie man Trauernden begegnet. Mittlerweile sucht die Gruppe in der Pfarreiengemeinschaft rund 40 Angehörige pro Jahr auf und bringt ihnen das Gedenkkreuz, zusammen mit einem Begleitschreiben, das tröstende Worte und ein Engelgebet der Gemeinde enthält. Verzichtet die Familie auf einen Besuch, so wird das Kreuz des Verstorbenen im Osterfeuer verbrannt – als Symbol für die Auferstehung.

Regelmäßiges Gruppentreffen

Alle zwei Monate trifft sich die engagierte Gruppe und teilt die Besuche untereinander auf. „Dabei beginnen wir mit einem Lied und einem Gebet, um uns einzustimmen“, erläutert Lucie Camin den Ablauf. Im Anschluss folgt die Reflektion, bei der sich die neun Frauen und Thomas Bauer austauschen, wie es ihm bzw. ihr bei den Gesprächen mit den Angehörigen ergangen ist. „Da kann jeder sagen, was ihm auf der Seele liegt und sicher sein, dass die Äußerungen vertraulich behandelt werden.“ Danach geht es in die Pfarrkirche, wo sich die Gruppe mit den Kreuzen, die in den nächsten beiden Monaten übergeben werden, im Kreis aufstellen, einen Bibeltext lesen und für die Familien der Verstorbenen beten. Zum Abschluss bitten die Gemeindemitglieder um  die Begleitung Gottes auf ihren eigenen Wegen, speziell auch bei den Trauerbesuchen.

„Ich ziehe bei dieser Aufgabe für mich selbst sehr viel raus“, bekennt Lucie Camin. Vor allem bereite es ihr Freude, wenn sie den Angehörigen behilflich sein kann. Dass das so ist, bestätigen der 64-Jährigen die vielen Rückmeldungen. Etwa wenn Hinterbliebene ihr mitteilen, dass sie nach den Glaubenszweifeln aufgrund des Verlustes wieder zum Gebet gefunden haben.

Auch Christa Weiß hat bei dem Besuch von Thomas Bauer viel Trost erfahren. „Ich bin sowieso nahe am Wasser gebaut und war froh, dass ich da aufgefangen wurde.“ Auch hätten sie gemeinsam ein Dankgebet gesprochen, „dass meine Schwiegermutter –  so, wie sie es wollte, – zuhause in ihrem Bett würdevoll einschlafen durfte“.

(Petra Derst)

Weitere Informationen über die Trauerbesuche gibt es bei Pastoralreferent Thomas Bauer, Telefon 06344/507511, oder bei Lucie Camin, Telefon 06344/5747.

Artikel teilen:

Weitere Nachrichten

14.08.24
Redaktion der pilger

Ins Auswärtige Amt eingliedern?

FDP will Entwicklungsministerium als eigenes Ressort abschaffen
14.08.24
Redaktion der pilger

Leben in Ewigkeit

Esst mein Fleisch und trinkt mein Blut
14.08.24
Redaktion der pilger

Plan wurde nun Wirklichkeit

Speyerer Gymnasiasten haben einen Schulgarten angelegt
14.08.24
Redaktion der pilger

Die Mutmacher

Melanie Wolfers und Andreas Bormann erreichen ein großes Publikum
14.08.24
Redaktion der pilger

Schutz jüdischen Lebens

Musiker Michael Barenboim kritisiert geplante Bundestagsresolution
08.08.24
Redaktion der pilger

"Grüne Revolution" mit Ladesäulen und Sonnenkollektoren...

Ende Juni hatte Papst Franzsikus angeordnet, dass auf einer großen Vatikan-eigenen...
07.08.24
Redaktion der pilger

"Pfälzer Weinkönigin" wird nun doch nicht abgeschafft

Das Amt der Weinkönigin wird in der Pfalz nun doch nicht abgeschafft. Eine...
07.08.24
Redaktion der pilger

Eine Liebeserklärung

In einem Brief bricht Papst Franziskus eine Lanze für Bücher
07.08.24
Redaktion der pilger

Neue Heimat in Norwegen

Florian Pletscher ist Neupriester in Trondheim, zur Nachprimiz kam er in die Pfalz
07.08.24
Redaktion der pilger

Tut alles ohne Murren und Bedenken

Unzufriedenheit macht das Leben schwer und verstellt den Blick auf alles Gute, das...
07.08.24
Redaktion der pilger

Etwas wie seinen Augapfel hüten

Sprichwörter aus der Heiligen Schrift (15)
31.07.24
Redaktion der pilger

Genie mit Manien

Vor 200 Jahren wurde Anton Bruckner geboren. Sein Erfolg stellte sich erst spät ein.
31.07.24
Redaktion der pilger

Häkeln für den guten Zweck

Maria Berger aus Neustadt fertigt Mützen, Topflappen, Decken und Co. aus...
29.07.24
Redaktion der pilger

Ist Leinenbettwäsche knitteranfällig?

Ja, Leinenbettwäsche ist im Vergleich zu anderen Materialien wie Baumwolle oder...
24.07.24
Redaktion der pilger

Mit Gottes Segen reicht es immer

Auch unser Weniges wird dann zur Fülle für alle
24.07.24
Redaktion der pilger

Für würdevollen Abschied

Kirchen begleiten die Beisetzung von Menschen ohne nahe Angehörige
17.07.24
Redaktion der pilger

Immer wieder Überraschendes und Unbekanntes

Anlässliches des Todes- und Gedenktages am 9. August: Edith Stein über die richtige...
17.07.24
Redaktion der pilger

„Je länger wir warten, umso schlechter“

Die Ablösung der Staatsleistungen droht zu scheitern – für die Kirchen ist das...
17.07.24
Redaktion der pilger

Ruhe und Stille

Jesus lädt auch uns ein, bei ihm Kraft zu finden
17.07.24
Redaktion der pilger

Endlich mal ausruhen

Wirkliche Ruhe, wahre Erholung finden wir in Gott
17.07.24
Redaktion der pilger

Abschied von Herxheim

Nach zehn Jahren in der Marienpfalz wechselt Schwester Gerta nach Bayern
16.07.24
Redaktion der pilger

Nachfahren der Attentäter des 20. Juli 1944: Heute...

Ihre Vorfahren wollten Adolf Hitler töten, dafür zahlten sie mit dem Leben. 80...
11.07.24
Redaktion der pilger

Ein bisschen Mittelalter erleben

Wie war das wohl damals im Mittelalter? Wie lebte es sich etwa in einem Kloster?...
10.07.24
Redaktion der pilger

Auf zum Papst

Nach sechs Jahren treffen sich Ministranten wieder in Rom
10.07.24
Redaktion der pilger

Innehalten und Atemholen

Schmuckstück mit Seltenheitswert: die Mehlinger Heide in der Nordpfalz
10.07.24
Redaktion der pilger

Seelsorge kurz vor Mitternacht

Joachim Lauer ist Pastoralreferent der Pfarrei Dudenhofen und Mitarbeiter im...
10.07.24
Redaktion der pilger

Renovierung bringt neue Erkenntnisse

Katharinenkapelle in Hauenstein älter als bisher gedacht – Segensort für kommende...
10.07.24
Redaktion der pilger

Helfer in Ukraine leiden unter Burnout

SOS-Kinderdörfer: Mitarbeitende bleiben um zu helfen, obwohl sie an ihre Grenzen...
05.07.24
Redaktion der pilger

Nightfever im Dom zu Speyer

Den Glauben miteinander teilen bei Gottesdienst, Gebet, Gesang und Gesprächen
05.07.24
Redaktion der pilger

Geistliche Tage mit der heiligen Bernadette

Die südpfälzische Pfarrei Rheinzabern sowie der Westpfälzer Wallfahrtsort Maria...
03.07.24
Redaktion der pilger

Wo alle mitentscheiden

Können die Thomaschristen aus Indien uns ein Vorbild dafür sein, wie Macht in der...
03.07.24
Redaktion der pilger

Rollenwechsel möglich machen

Wir dürfen Jesus nicht allein auf alte Rollen festlegen
03.07.24
Redaktion der pilger

Helfer für die ewige Baustelle

Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer wird 25 Jahre alt
26.06.24
Redaktion der pilger

Für bewusste Entscheidung

Organspenden: Deutsche Bischöfe sehen Widerspruchslösung kritisch
26.06.24
Redaktion der pilger

Ich bin dann mal Pilger

Bernd Wolf erklärt bei Führungen in Neustadt viel üeber das Pilgern
26.06.24
Redaktion der pilger

Projekt mit vielen Gewinnern

Schülerinnen der Edith-Stein-Realschule verkauften selbst gebackene...
26.06.24
Redaktion der pilger

„Inseln im Elend“ schaffen

Die Hauensteiner Aktion Afrika leistet humanitäre Hilfe in vielen Bereichen
26.06.24
Redaktion der pilger
Pilgerreisen

Bibel am Schwenker

Warum die Heilige Schrift nicht mal an ungewöhnlichen Orten erleben?
26.06.24
Redaktion der pilger

Zug um Zug zur Gemeinschaft

Schachclub Ramstein-Miesenbach arbeitet mit Gemeinschaftswerk zusammen
24.06.24
Redaktion der pilger

Klosterfest und Jubiläum

Feier am 30. Juni: Vor 100 Jahren wurde der Grundstein zum Kloster Blieskastel...