Donnerstag, 09. Juni 2011
Großereignisse ohne Langzeitwirkung
Ein Kirchentag, der Papstbesuch oder das Weltjugendtreffen hat „keinen nachweisbaren Effekt“ auf Gottesdienstbesuch oder Teilnahme am Gemeindeleben.
Dieser Meinung ist der Religions- und Kultursoziologe Detlef Polack. Solche Ereignisse könnten die unübersehbare, wachsende Distanz zu den Kirchen nicht umkehren, erklärte der aus Weimar stammende und heute in Münster lehrende Pollack im Interview der „Frankfurter Rundschau“ anlässlich des Evangelischen Kirchentags in Dresden.
Die zentrale Erwartung der Menschen, so Pollack, ziele nicht, wie einige Kirchenverantwortliche oft meinten, auf kirchliche Stellungnahmen zu politischen Fragen, sondern auf das religiöse, spirituelle, soziale, pädagogische und karitative „Kerngeschäft“. Kirche müsse daher in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass sie nützliche gesellschaftliche Funktionen wie etwa die Hilfe für Schwache und Kranke erfülle, so ist sich der Münsteraner Wissenschaftler sicher. Zudem müsse sie den Kult und die Rituale pflegen. Pollack: „Das muss sitzen, das muss die Menschen zugleich sinnlich-emotional als auch geistig-intellektuell ansprechen. Denn auf diesem Feld hat die Kirche ihre Kernkompetenz und immer noch ein weitgehendes Monopol. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Kinder- und Jugendarbeit, weil es hier die meisten Berührungspunkte – auch zu den Eltern und Familien – gebe.
Die These von der „Sehnsucht nach Religion“ lässt Pollack mit Einschränkung gelten. Es gebe ein gestiegenes Interesse der Medien-Öffentlichkeit an Religion, das jedoch viel damit zu tun habe, dass Religion als Austragungsort von Konflikten wahrgenommen werde. Auf institutioneller Ebene könnten aber die Kirchen von dieser Art Interesse nicht profitieren.
Man muss nicht allen Einschätzungen Detlef Polaks zustimmen. So haben gerade die Weltjugendtage auf nicht wenige junge Menschen eine prägende Wirkung gehabt und sicherlich sogar Lebenswege beeinflusst. Aber der Religionssoziologe hat natürlich Recht: Unsere zunehmend säkularisierte Gesellschaft braucht Menschen, braucht Christen, die die Welt und ihre Herausforderungen mit den Augen Gottes sehen, die durch ihr glaubwürdiges Zeugnis überzeugen.
(rn/kna)