Redaktion der pilger

Mittwoch, 12. April 2023

Aus Liebe zur Liturgie

Theo Mang liebt Musik und Liturgie. Auch deshalb hat er ein kenntnisreiches Buch über die heilige Messe geschrieben. Foto: Rittelmann

2000 Jahre Liturgie- und Kirchengeschichte in einem Buch.

Es ist schon ungewöhnlich, wenn sich jemand im Ruhestand noch einmal auf Forschungsreise begibt. Zumal, wenn er völlig fachfremd unterwegs ist. So wie der Chemiker und Ingenieur Theo Mang aus dem kurpfälzischen Weinheim. Er hat im Alter noch einmal ein Buch geschrieben: über die Messe.

Die Tatsache, dass Theo Mang ein Buch geschrieben hat, wäre für sich gesehen keine besonders aufregende Neuigkeit. Denn der 84-Jährige hat in seinem Leben schon sehr viele Bücher geschrieben. Dazu noch zahlreiche Zeitschriftenartikel. Schwerpunkt dieser Veröffentlichungen ist die Tribologie.

Nie gehört? Also: Die Tribologie untersucht Reibung, Verschleiß und damit zusammenhängend die Schmierung von Lagern, Führungen, Getrieben, Motoren und Maschinenelementen. Theo Mang ist eine Kapazität auf diesem Gebiet. Der Chemiker und Ingenieur war viele Jahre im Technik-Vorstand eines weltweit agierenden Unternehmens und darüber hinaus als Honorarprofessor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen tätig.

Aber gerade vor dem Hintergrund dieses naturwissenschaftlich-technisch geprägten Werdegangs ist es eben doch eine geradezu verblüffende Neuigkeit, dass Mang ein Alterswerk der ganz besonderen Art vorgelegt hat: Unter dem Titel „Messbücher“ behandelt es auf rund 440 Seiten 2 000 Jahre Liturgie- und Kirchengeschichte. Erschienen ist es im Springer Verlag in Wiesbaden, mit dem der Autor auch bei seinen tribologischen Veröffentlichungen zusammengearbeitet hat. „Es war schon immer mein Wunsch, in der letzten Phase meines Lebens über die Messe zu schreiben“, sagt er. „Zum Glück konnte ich es realisieren.“

Klavier, Klassik und Folianten
Theo Mang lebt mit seiner Frau Sunhilt in einem erhöht gelegenen Viertel des Weinheimer Stadtteils Hohensachsen. Der Blick durch die ausladende Fensterfront des Wohnzimmers geht weit hinunter in die Ebene. Im Zimmer selbst zeugen ein Klavier, Klassik-CDs und historische Bücher mit Ledereinbänden von den musischen und geisteswissenschaftlichen Neigungen des Autors. Trotzdem: Ein Ingenieur, der sich fünf Jahre lang akribisch mit der Geschichte der katholischen Messfeier beschäftigt und dabei auch nicht die Mühe scheut, in den einschlägigen Bibliotheken nach den wichtigsten Handschriften zu forschen – das ist zunächst eine ganz unwahrscheinliche Konstellation.

Wenn Mang über die Arbeit an seinem Spätwerk erzählt, dann erscheint sie freilich nicht mehr so weit hergeholt. Denn der Naturwissenschaftler war zeitlebens gläubiger Christ und er scheut sich nicht, auch in der aktuellen Krisenzeit seine tiefe Verbundenheit mit der Kirche herauszustellen. 1938 hineingeboren in das katholisch geprägte Dorf Werbeln im Saarland und in ein ebenso liebevolles wie gläubiges familiäres Umfeld, habe er sich selbst in den Wirren des Krieges immer geborgen gefühlt, sagt er.

Dazu kam die Prägung durch die Musik – von den in der Familie gemeinsam gesungenen Volksliedern über den Schulchor bis hin zum Dienst als Hilfsorganist, den er schon in jungen Jahren begann.
Dass Mang 1962 seine spätere Frau Sunhilt kennenlernte, hatte ebenfalls etwas mit der Musik zu tun. Er traf sie bei einer Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium im niedersächsischen Osterode. Und gemeinsam mit ihr veröffentlichte er 2005 schon einmal ein Buch, das thematisch fernab seiner Veröffentlichungen über die Tribologie lag: eine Sammlung von 750 Liedern, allesamt mit Notenbild und versehen mit informativen Erläuterungen. Der Titel des Buches: „Liederquell“.

Liturgiewissenschaftlicher Autodidakt
Auch in seinem Werk über die Messbücher hat das Thema Musik einen hohen Stellenwert. Das gesamte fünfte Kapitel ist der Geschichte der musikalischen Gestaltung der Messfeier gewidmet. Von den Anfängen der sogenannten Neumenschrift über den Durchbruch beim Aufschreiben klar definierter Melodien um das Jahr 1000 bis hin zur weiteren Entwicklung der Notenschrift. „Ich hatte das älteste vollständig erhaltene Musikbuch der Welt in der Hand“, sagt Mang. „Ein Graduale aus dem Jahr 922, das sich in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen befindet.“

Die Abbildung einer Seite dieses wichtigen historischen Dokuments findet sich in Mangs Buch ebenso wie rund 200 weitere Darstellungen, mit denen der liturgiewissenschaftliche Autodidakt seine profunden Ausführungen veranschaulicht und damit für die Leserinnen und Leser noch nachvollziehbarer macht. Das Original des weltweit ältesten noch existierenden liturgischen Dokuments konnte Mang zwar nicht in die Hand nehmen. Aber natürlich wird in seinem Buch darauf verwiesen. Es ist der in der Universitätsbibliothek von Uppsala befindliche Codex Argenteus, zwischen 500 und 510 in Norditalien vermutlich für Theoderich den Großen geschrieben. Eine Abschrift der noch deutlich älteren gotischen Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila.

Die Erklärung, warum er sich in einem Alter, in dem andere längst den Müßiggang bevorzugen, über Jahre hinweg auf akribische Weise mit der Geschichte der katholischen Messfeier beschäftigt hat, fällt Mang nicht schwer.  „Das Faszinierende an der Messe ist für mich, dass sie die zweitausendjährige Geschichte des Christentums überstanden hat“, sagt er. „Natürlich gab es Weiterentwicklungen. Aber die Grundelemente sind geblieben.“ Eben diese erstaunliche Kontinuität, die vielen gar nicht bewusst sein dürfte, zeigt der Autor im vierten Kapitel seines Buches auf – mit einem Abriss der Geschichte der liturgischen Feier von der Zeit der frühen Kirche bis zur Gegenwart.

Auch für die Enkelkinder
Auch das Zweite Vatikanische Konzil und die darauffolgende Liturgiereform hätten keine neue Messe erfunden, sondern nur neue Elemente ergänzt, betont Mang. Insbesondere die Volkssprache und die aktive Beteiligung der Gemeinde. „Das ist vertretbar.“ Wobei Mang nicht verhehlt, dass für ihn selbst die sorgfältige und gemäß den liturgischen Vorgaben gestaltete Messfeier von großer Bedeutung ist. Natürlich hofft Mang, dass sein Buch eine ansteckende Wirkung hat – sprich: dass sich seine eigene Faszination und Begeisterung für die Messe und ihre lange Geschichte auf liturgisch interessierte Leserinnen und Leser überträgt. In ganz besonderer Weise blickt er dabei freilich auf seine eigene Familie: „Das Ziel des Buches ist es, das Thema unseren sechs Enkelkindern nahezubringen.“ (Michael Winter/Konradsblatt)

Info zum Buch: Theo Mang: Messbücher: 2000 Jahre Liturgie- und Kirchengeschichte. Springer Verlag, 462 Seiten, 54,99 Euro

 

 

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