Freitag, 05. Mai 2023
Wallfahren ist mehr als beten
Ein Erfolgsrezept: Pilgern mit Kultur, Musik und gutem Essen verbinden
Anfang Mai beginnt überall die Wallfahrtssaison. Ein Blick auf die einschlägigen Orte zeigt: Klassische Wallfahrten einzelner Gruppen schrumpfen. Aber es gibt auch Beispiele, die Hoffnung machen.
„Die traditionelle Gruppenwallfahrt bröckelt“, sagt Tobias Kläden, Referatsleiter in der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt und Mitglied der Fachgruppe „Pilgern und Wallfahren“ der Deutschen Bischofskonferenz. „Zum Beispiel die Bistumswallfahrten hier in Ostdeutschland. Deren Zahlen haben in den letzten Jahren dramatisch abgenommen.“
Was aber kein Grund ist, die Wallfahrtsorte zu schließen. „Auch wenn weniger Gruppen kommen, bleibt die Gesamtzahl ungefähr gleich“, sagt Kläden. Es kämen mehr Einzelne, Familien oder Kleingruppen. Oft gar nicht aus primär religiösen Gründen, aber dann gingen sie eben doch in die Wallfahrtskapelle, sprächen ein Gebet, zündeten eine Kerze an, kämen ins Gespräch. „Da passieren schon intensive Dinge“, sagt Kläden.
Dass mehr Einzelne als Gruppen kommen, erlebt auch Pater Albert Seul. Er ist Pfarrer und Wallfahrtsdirektor in Klausen, dem größten Wallfahrtsort im Bistum Trier. „Die klassische Frauengruppe, die mit dem Reisebus kommt, stirbt aus“, sagt er. Die Wallfahrt selbst aber keineswegs.
„Das Ineinander von Glauben und Leben muss stimmen“
Dazu trägt bei, dass Klausen ein breites Kulturprogramm in der Wallfahrtskirche anbietet – vom Konzert über den Talk bis zum Vortrag. Und das prominent und mit unerwarteter Klangfärbung. „Bei uns sangen schon die Prinzen und Guildo Horn“, sagt Pater Albert. Zum Talk begrüßte er Günther Jauch oder Gregor Gysi. Kürzlich hielt der von „Terra X“ bekannte Tierfilmer Andreas Kieling einen Vortrag. „Natürlich gibt es immer Leute, die sagen: Mit sowas macht ihr den Tempel zur Händlerbude“, sagt Pater Albert. „Aber erstens waren die Kritiker noch nie dabei und zweitens merken wir, dass Gäste des Kulturprogramms durchaus zu Gottesdiensten wiederkommen.“
Für Pater Albert ist aber auch die Gruppenwallfahrt nicht am Ende. „Unsere Motorradwallfahrt oder die Treckerwallfahrt sind sehr beliebt“, sagt er. Auch Familienwallfahrten gibt es, für dieses Jahr ist erstmals eine Kinderwallfahrt geplant. Das Erfolgsgeheimnis: Es gibt mehr als nur Frommes. „Mit den Kindern machen wir zum Beispiel eine Ziegenwanderung“, sagt er. Essen und Trinken sei wichtig, Gemeinschaft, die richtige Musik. „Das Ineinander von Glauben und Leben muss stimmen“, sagt der Pater und: „Ich habe nichts gegen den Begriff ‚Event‘.“
Das sieht auch Tobias Kläden so. „Die Menschen haben doch auch früher nicht nur wegen des Betens an Wallfahrten teilgenommen, sondern, weil da etwas los war, weil sie dort andere getroffen haben“, sagt er. Das nehmen Wallfahrtsorte wie Klausen oder Kevelaer auf. So lädt die Kevelaer Motorradwallfahrt ein zur „Großen Lichterfahrt zur Gnadenkapelle mit Andacht und Segnung der Motorräder“, aber auch zu „Rahmenprogramm mit Führungen und Erlebnissen“, „Essen und Trinken ganztägig im Forum Pax Christi unter der Glaskuppel“ und zu „Livemusik auf der Veranstaltungsbühne“.
Es ist das Gesamtpaket, das jedes Jahr Tausende anlockt: Glaube, Gott, Gemeinschaft – und einiges an Spaß (Susanne Haverkamp)