Freitag, 15. Oktober 2010
Wenn Sehnsucht zur Hilfe für Menschen wird
Nur sieben Jahre konnte der junge Franziskaner der süddeutschen Ordensprovinz als Missionar in der Stadt Rosario Oeste im Mato Grosso in Brasilien wirken. Da wurde 1966 seine missionarische Arbeit jäh gestoppt, als sein Bruder und dessen Ehefrau bei einem Autounfall ums Leben kamen und er als Vormund für deren zwei Kinder sorgen musste.
Der Orden zeigte Verständnis für sein Entlassungsgesuch. Als Weltpriester in seiner Heimatdiözese Speyer zog Erhard Winter die beiden Waisen mit Hilfe seiner Pfarrhaushälterin Odilia Moll im Pfarrhaus groß. In Petersberg, Klingenmünster und Lambsheim hat Erhard Winter noch viele Freunde, die auch sein Engagment für die Menschen im Mato Grosso unterstützt haben.
Die Sehnsucht nach seiner ehemaligen Missionsstation und den Menschen dort ließ ihn nicht los. „Para matar a saudade“ – um die eigene Sehnsucht loszuwerden –, machte er sich 1992 von seinem Ruhestandsort Tettnang aus wieder zu einer Reise nach Brasilien auf. Trotz angegriffener Gesundheit sind es bis zum zurückliegenden Jahr 31 mehrwöchige Reisen geworden, für ihn Erfüllung seiner eigentlichen franziskanischen Berufung. Zum Segen für die dort lebenden Menschen, vor allem für die Kinder und Jugendlichen, denn Fre Eraldo (Bruder Erhard) fühlte sich für deren Zukunft, für Gesundheit, Bildung und religiöse Orientierung, mitverantwortlich.
Hilfe für Kinder und ein Gemeindezentrum
Er konnte der Bitte der Kinder von Rosario „Kannst Du uns nicht Schatten besorgen für die Kinderpastoral?“ nachkommen, auch wenn er nur einen verfallenen Gemeindesaal, eine zu kleine Kirche und große Raumnot in den Filialgemeinden vorfand. Mit eigenen Mitteln und unterstützt von vielen Spendern – der Kirchengemeinde Tettnang, der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Freunden aus der Diözese Speyer, Sternsingern und vielen mehr – konnte er eine Kinderspeisung einrichten und die Kinderseelsorge unterstützen. Ein neues Gemeindezentrum entstand mit einem Saal für 400 Menschen. In allen acht Filialgemeinden der Stadt wurden Kapellen gebaut mit angrenzenden Jugendräumen für Katechismus-Unterricht und die Betreuung von drogensüchtigen Jugendlichen. In der ganzen Stadt treffen sich in den Räumlichkeiten bis zu 1100 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu Tauf-, Kommunion-, Firm- und Ehevorbereitung. Auch fand Pfarrer Winter, der ein kundiger Wünschelrutengänger ist, im Jahr 2002 eine Quelle, aus der 20 000 Liter Wasser in der Stunde sprudeln. Das Wasser ist notwendig, um in einer kleinen Fabrik Maniokwurzeln zu Mehl zu verarbeitet – Arbeitsplatz für 30 Menschen. Etwa 1500 Kleinbauern und Pflanzer können dort zu gerechten Preisen ihre Maniokwurzeln abliefern.
Brückenbauer zwischen den Kontinenten
Aus Dankbarkeit ist Pfarrer Winter von den Gemeindemitgliedern in Rosario Oeste als Brückenbauer der Freundschaft und Solidarität zwischen Menschen in Deutschland und Brasilien gewürdigt worden. Für seinen Einsatz dankten ihm die Stadt Rosario Oeste und der Bundesstaat Mato Grosso mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. 1999 wurde der Priester Erhard Winter wieder in seinen Orden aufgenommen. Zu seinem Goldenen Priesterjubiläum 2005 hielt der damalige Ordensobere der thüringischen Provinz, Pater Helmut Schlegel, seinem Mitbruder in Tettnang die Festpredigt.
Seine Mission ist jetzt erfüllt
Weil er seine Unterstützung immer als Hilfe zur Selbsthilfe verstand, erklärte der „Unruhestandsmissionar“ jetzt seine Mission als erfüllt. Ehrenamtliche Mitglieder der Gemeinde in Basilien übernehmen jetzt ganz diese Aufgabe. Italienische Ordensschwestern, die in Rosario Oeste arbeiten, und die Pfarrgemeinde bekommen aber für die Unterstützung von Kindern leprakranker Eltern weiterhin Spendengelder über das Aachener Missionswerk der Kinder, denn dorthin hat jetzt Pfarrer Winter – nach Herzinfarkt und Schlaganfall – die Verwaltung und Weiterleitung gegeben.