Mittwoch, 31. Juli 2024
Häkeln für den guten Zweck
Maria Berger aus Neustadt fertigt Mützen, Topflappen, Decken und Co. aus Leidenschaft
Hätte Maria Berger einen Instagram-Account, – würde sie also das, was sie besonders gut und gerne macht, im Internet zeigen, – dann hätte sie gewiss eine riesige Fangemeinde, und tausende „Follower“ würden sich virtuell an ihre Fersen heften, um ihre Aktivitäten zu verfolgen. Aber fürs weltweite Netz und das ganze Drum und Dran hat die rüstige 86-Jährige, die im November 1937 in Messerich bei Bitburg geboren wurde und seit 1987 in Neustadt lebt, weder Zeit noch Sinn. Sie bevorzugt direkte Kontakte und handfeste Beschäftigungen. Und beides lässt sich bestens mit ihrem Hobby, dem Häkeln, verknüpfen. Decken, Topflappen und Babyschühchen, ganz besonders aber Mützen in allen Größen, Formen und Mustern entstehen rund um die Uhr in ihrem Wohnzimmer und finden von dort aus auch ganz ohne Internet ihren Platz in der Welt. Denn die dreifache Mutter, sechsfache Oma und fünffache Uroma macht die Handarbeiten für einen guten Zweck und verschenkt die wunderschönen Wollsachen, die mit so viel Hingabe entstehen, an soziale Einrichtungen, karitative Institutionen oder Hilfstransporte in Kriegs- und Krisengebieten. Gerade eben hat sie supersüße Minihauben für die Frühchen-Station eines Kinderkrankenhauses in ihrer Heimat in Arbeit. Die Tagesbegegnungsstätte „Lichtblick“ in Neustadt, der Kinderschutzbund Neustadt-Bad Dürkheim, verschiedene Caritasverbände in der Pfalz und in Baden-Württemberg – sie alle sind dankbare Abnehmer der gehäkelten Prachtstücke, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele wärmen. Manche Institution sammelt im Gegenzug Wolle, die der unermüdlichen Handarbeiterin als willkommenes Arbeitsmaterial am laufenden Meter dienen.
„Auch von Freunden und Nachbarn bekomme ich viel Wolle geschenkt“, verrät Maria Berger, die diese Vorräte farblich und nach Qualität sortiert sowie großen Wert darauf legt, dass sie wirklich alles verbraucht. „Es macht mir tatsächlich Freude, jedes kleinste Knuddelchen zu verarbeiten und nichts wegzuwerfen“, hebt sie den nachhaltigen Aspekt ihres Hobbys hervor. Weil sie allerdings auch hohe ästhetische Ansprüche stellt und keineswegs mit Handarbeiten aus wahllos buntem Materialmix zufrieden ist, schätzt sie die Beratung ihres Mannes Werner, der – so stellt sie anerkennend fest – ein besonders gutes Auge für ausgefallene Farbkompositionen hat. Die Modellentwürfe stammen wiederum von ihr selbst, und da hat sie von hipp glitzernden Lurexkappen über lustige Eulenhauben bis hin zu kuscheligen Bommelmützen alles im Repertoire, was gerade en vogue ist oder für einen bestimmten Zweck erbeten wird.
Die eigene Familie kommt mit ausgefallenen Extrawünschen, für die sie freilich besonders hochwertige Wolle kauft, nicht zu kurz. Vergangenes Jahr hat Maria Berger auf Bitten ihres Enkels, der in München als Fluglotse arbeitet, 18 spezielle Mützen für die Teilnehmer eines internationalen Meetings gehäkelt. „Das war dann schon eine große Herausforderung, und ich war sehr stolz, als ich das Gruppenfoto sah“, freut sich die Hobbyhäklerin, die von 1992 bis 2016 auch im Vorstand des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Neustadt-St. Pius eine muntere Netzwerkerin war und diese rege Gemeinschaft bis heute schätzt. Vermutlich wurde ihr der ungezwungene Umgang mit Menschen, der Sinn für Bedarf und Bedürfnisse und das sorgfältige, zielgerichtete Arbeiten schon in die Wiege gelegt. „Ich bin in einen Gemischtwarenladen hinein geboren und war von Kindesbeinen an hinter der Theke“, erinnert sich die Eifelanerin an die frühesten Anfänge ihrer eigenen Berufslaufbahn mit Handelsschule, kaufmännischer Lehre und späterer Arbeit im elterlichen Betrieb.
Schon die Mutter hat gerne gehandarbeitet und vor allem Tunesisch gehäkelt, was jetzt auch eine Spezialität der Tochter ist. Erst kürzlich, während der Fußball-EM, ist beim Anfeuern der Deutschen Mannschaft quasi en passant eine besonders schöne Wolldecke in dieser Technik entstanden. Und wer über das bewundernde Staunen hinaus gerne selbst lernen will, wie man so ein wohnliches und schickes Kunstwerk macht, dem zeigt die erfahrenen Handarbeiterin gerne die Vorgehensweise. Maria Berger ist ein großer Fan der Tunesischen Häkelei, die besonders von den Dänen geschätzt wird und die man manchmal auch als Sträkeln bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine völlig eigenständige, traditionelle Technik, die einige Gemeinsamkeiten mit dem Stricken und dem Häkeln hat. Der größte Unterschied, so demonstriert die geschickte Handarbeiterin, liegt darin, dass beim Tunesischen Häkeln eine einzige Reihe aus zwei Schritten besteht: Im ersten Schritt werden die Schlingen auf die Nadel geholt, und im zweiten Schritt all diese Schlingen quasi in einem Rutsch „abgemascht“. Das Ergebnis sieht aus wie gestrickt und begeistert durch eine besonders griffige Festigkeit. Für ihre schöne Decke hat Maria Berger 24 gleich große Quadrate gehäkelt, davon viele aufwändig mit selbst ersonnenen Knötchenstichen verziert, und dann mit festen Maschen zusammengefügt. Auch schon manche weiche Babydecke ist auf diese Weise entstanden.
Nicht jede Handarbeit ist freilich so aufwändig. Die Mützen, die oft „ganz normal“ in diversen Rippen- oder Stäbchenmustern gehäkelt werden, entstehen binnen drei bis vier Stunden. Aber auch hier verwendet die Hobbyhäklerin niemals Vorlagen, und kein Modell gleicht den anderen. „Immer das Gleiche machen wie am Fließband wäre mir zu langweilig“, winkt sie ab. Deshalb habe sie auch dankend abgelehnt, als eine Freundin sie schon vor Jahrzehnten dazu animieren wollte, große Auftragsarbeiten für eine Firma anzunehmen. Die Profi-Kniffe, die man für die perfekte Ausführung solcher Heimarbeiten braucht, habe sie sich aber gerne zeigen lassen. Wichtig, so verrät Berger, sei vor allem der unsichtbare Reihenübergang. Das bedeutet, dass man beim Wechsel der Farbstreifen „keine Treppen macht, sondern dass jede Reihe für sich gehäkelt wird“. Einer besonderen „Auftragsarbeit“ hat Monika Berger aber doch zugestimmt und 2023 für den Frauenbund Neustadt zwei Dutzend einfarbige Mützen – freilich in verschiedenen Modellen – für den „Orange Day“ gehäkelt. Die UN-Kampagne „Orange the World“, die alljährlich vom 25. November bis 10. Dezember stattfindet, macht mit dieser Signalfarbe seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam. Und dafür hat auch Maria Berger gerne Farbe bekannt. (Brigitte Schmalenberg)