Donnerstag, 21. Oktober 2010
Alle können sich beteiligen
Interview mit Erzbischof Robert Zollitsch zur geplanten Dialoginitiative der katholischen Kirche.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch hofft auf einen neuen Aufbruch, wie er in einem Interview betont.
Herr Erzbischof, Sie haben beim jüngsten Treffen der deutschen Bischöfe Konsequenzen aus der derzeitigen Vertrauenskrise der Kirche gefordert. Ihnen schwebt ein breit angelegter Dialog- und Reflexionsprozess vor. Um welche Themen soll es dabei gehen?
Wir werden über die Themen sprechen, die für das Leben der Kirche in Deutschland von besonderer Dringlichkeit sind. In die Dialoginitiative, die ein Beschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ist, wollen wir sowohl die Bistümer und die Gemeinden als auch Menschen einbeziehen, die nicht in der Kirche aktiv sind. Gleichzeitig werden wir – auf der Grundlage der guten Erfahrungen unseres Reflektionstages in Fulda – das selbstkritische Gespräch in der Bischofskonferenz vermehrt pflegen.
Warum kommt diese Initiative jetzt? Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Die Erfahrungen und Verwerfungen des zurückliegenden halben Jahres verlangen, dass wir uns kritisch und verstärkt mit unseren Zeitfragen auseinandersetzen. Wir verstehen diesen Dialog als eine Weise wie wir als Kirche der Pilgerschaft leben, besonders auch als eine hörende Kirche. Es geht um das Bezeugen, die Weitergabe und praktische Bekräftigung des Glaubens.
In Ihrem Vortrag bei der Bischofsvollversammlung sprachen Sie selbstkritisch von einer zu großen Distanz zwischen „normalen“ Gläubigen und den Bischöfen. Wie wollen Sie das ändern?
Wo die gefühlte Distanz zu groß ist, muss man versuchen, die Lebens- und Glaubenssituation der jeweils anderen Beteiligten besser zu verstehen. Als ein wichtiger Kooperationspartner gehört vor allem auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken dazu. Ich zähle in den Bistümern auch auf die verschiedenen diözesanen Räte und auf die Erfahrungen, die wir Bischöfe bei unseren Visitationen machen.
Kritiker verweisen auf den „föderalen“ Aufbau der katholischen Kirche in Deutschland. Demnach sei ein Dialog immer vom Willen des jeweiligen Ortsbischofs abhängig. Wie sind die ersten bundesweiten Rückmeldungen ihrer Bischofsbrüder?
Der Beschluss, den Dialogprozess in Gang zu setzen, war einmütig. Eine weitere Rückmeldung ist nicht nötig. Beim nächsten Treffen der Bischöfe, dem Ständigen Rat, wird das ein wichtiges Thema sein.
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller schloss bereits öffentlich Gespräche über Fragen von Sexualmoral, Zölibat oder einer Weihe von Frauen als Diakoninnen aus. Lassen sich kritische Katholiken, die in ihrer Kirche etwas bewegen wollen, überhaupt auf einen Dialog ein, wenn sie nicht an der Auswahl der Themen und Zielsetzungen der Gespräche beteiligt sind?
Wir bieten den Dialog an – alle können sich beteiligen, und es gibt viele Themen, über die gesprochen werden kann. Zugleich ist klar, dass Glaubenswahrheiten keinen Raum für willkürliche Interpretationen bieten.
Ist die Kirche auf dem Weg zu einer neuen bundesweiten Kirchenversammlung, 40 Jahre nach der Würzburger Synode, in der es schon 1971 auch um einen neuen Stil des Miteinanders von Kirchenvolk und -leitung ging?
Wir brauchen keine neue Synode. Synoden sind kirchenrechtlich geregelte Formen der Kirche, die gut sind in bestimmten Zeiten und Situationen. Wir brauchen das konkrete und zügige Gespräch in einer horizontalen und vertikalen Kommunikation der katholischen Kirche in Deutschland. Ich erlebe übrigens ein insgesamt gutes Miteinander und lasse mich durch Einzelaktionen mancher Gruppen nicht beunruhigen.
Hoffen Sie auf eine Aufbruchstimmung, die dann auch in eine weltweite Kirchenversammlung – ein Konzil – münden könnte?
Ob Gott für die Kirche ein erneutes Konzil wünscht oder nicht, dazu maße ich mir kein Urteil an. Auf jeden Fall ist eine neue Aneignung der noch heute wertvollen Konzilsdokumente wichtig. Was da gesagt und geschrieben ist, braucht eine Vergegenwärtigung und Verlebendigung. An der müssen wir arbeiten, wenn wir einen neuen Aufbruch wagen wollen. (Interview: Volker Hasenauer)