Mittwoch, 09. Februar 2011
Ruf nach Reformen in der Kirche
Mehr als 150 Theologieprofessoren melden sich zu Wort
Es ist eine Art Alarmruf, den mehr als 150 Theologieprofessoren am 4. Februar an die katholische Kirche gerichtet haben. „2011 muss ein Jahr des Aufbruchs werden“, mahnen sie eindrücklich in einer im Internet veröffentlichten Erklärung. Und warnen vor einer „Grabesruhe“, die immer mehr Katholiken in die innere Emigration oder gar aus der Kirche treibe.
Ein Jahr nach dem Missbrauchsskandal kommt erneut Bewegung in die Debatte über die Zukunft der Kirche. Hohe Austrittszahlen und Umfragewerte über ein dramatisch gesunkenes öffentliches Vertrauen in
die Kirche sind für die Theologen aus dem deutschsprachigen Raum Hinweis genug: „Die Kirche muss diese Zeichen verstehen und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen, um neue Lebenskraft und Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen.“
Bei manchen katholischen Bischöfen rennen sie mit ihrer Erklärung möglicherweise offene Türen ein: War es doch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, der bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe in einem vielfach beachteten Referat zugestand, dass die Kirche einen neuen Aufbruch brauche. Über die Missbrauchsfälle hinaus gebe es „bohrende Zweifel an der einen oder anderen Lehre der Kirche“ – etwa im Bereich der Sexualität, so der Freiburger Erzbischof.
Doch der von Zollitsch und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angestoßene Dialogprozess scheint derzeit vor sich hinzudümpeln. Zwar wurden im November zwei gemeinsame Arbeitsprojekte auf den Weg gebracht, die sich mit dem „Zusammenwirken von Priestern und Laien in der Kirche“ sowie der „Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat“ befassen. Doch es fehlt nach Meinung vieler Beobachter ein sichtbares Zeichen, dass sich etwas bewegt. Offenbar gibt es innerhalb der Bischofskonferenz auch erheblichen Widerstand, bestimmte strittige Themen neu zu diskutieren.
Mit Blick auf die teilweise heftigen Reaktionen, die katholische CDU-Politiker kürzlich auf ihre Bitte nach der Priesterweihe erprobter verheirateter Männer ernteten, formulieren die Professoren: „Die Unruhe eines offenen Dialogs ohne Tabus ist nicht allen geheuer, schon gar nicht wenn ein Papstbesuch bevorsteht.“ In dem Papier warnen die Wissenschaftler jedoch: „Dem Sturm des letzten Jahres darf keine Ruhe folgen.“
Manche Themen, die Zollitsch im September nannte, finden sich in der Erklärung wieder. Die Professoren wollen die Beteiligung des Kirchenvolks bei der Auswahl der Bischöfe und ein Ende des „moralischen Rigorismus“. Notwendig ist in ihren Augen eine verbesserte Rechtskultur in der Kirche, zum Schutz der Beschäftigten. Nach ersten Auswertungen hat jeder dritte katholische Theologieprofessor im deutschsprachigen Raum die Forderungen unterzeichnet.