Donnerstag, 28. April 2011
Von blauen Pferden und gelben Kühen
Vor 100 Jahren gründete sich die Künstlergruppe „Blauer Reiter“
Wer kennt sie nicht – die blauen Pferde von Franz Marc? Sein berühmtes „Blaues Pferd I“ hat er mitten in eine knallbunte Landschaft gestellt. Kraftvoll steht es da und neigt den Kopf zur rechten Seite. Es ist eines der Schlüsselwerke der expressionistischen Künstlerbewegung „Blauer Reiter“. 100 Jahre ist es her, dass Marc und sein Freund Wassily Kandinsky den Almanach „Blauer Reiter“ herausbrachten. Damit verbunden war die gleichnamige Ausstellung in München, die Künstler weltweit inspirieren sollte.
Der Münchner Marc und der Russe Kandinsky lernten sich an Neujahr 1911 bei Marianne von Werefkin in der Münchner Giselastraße kennen. Damals konnte niemand ahnen, dass ihre farbenfreudigen Bilder und die ihrer Freunde einmal weltberühmt werden würden. Beide Männer verbanden ähnliche Interessen. So besuchten sie am Tag darauf mit ihren Kollegen Gabriele Münter, Alexej Jawlensky, Werefkin und Helmuth Macke ein Konzert von Arnold Schönberg.
Schönbergs Musik erlebten die Maler als kongenial zu ihren Vorstellungen. Sie inspirierte Kandinsky zu weiteren abstrakten Farbkompositionen und auch Marcs farbintensive Landschafts- und Tierbilder wie rote Kühe oder Rehe feierten die Künstlerfreunde enthusiastisch. Gemeinsam protestierten sie auch gegen ihren schärfsten Kritiker Carl Vinnen. Der Maler hatte den Expressionismus in einer Schrift heftig verurteilt.
Marcs „Blaues Pferd I“ wurde erstmals im Mai 1911 in München ausgestellt. Es war eines von 24 neuen Gemälden, die die Galerie Thannhauser präsentierte. Bereits am 19. Juni kündigte Kandinsky seinem Freund in einem Brief an, mit ihm einen „Almanach“ herausbringen zu wollen. Das Jahrbuch sollte das aktuelle in- und ausländische Kunstgeschehen und Geistesleben aus Künstlersicht reflektieren. Die Freunde einigten sich darauf, es „Blauer Reiter“ zu nennen, entlehnt der Gestalt des heiligen Georg als Sinnbild für den Kampf gegen das Überkommene, Dunkle und Böse in der Welt.
Zur Redaktion zählten auch der Zeichner Alfred Kubin, der Maler August Macke und der Komponist Schönberg. Alle Künstler waren Mitglieder der reformwilligen „Neuen Künstlervereinigung München“. Als aber die Jury ein Gemälde von Kandinsky im Spätherbst 1911 abwies, traten Kandinsky, Marc, Münter und Kubin aus dem Verbund aus. Fortan organisierten sie ihre eigene Ausstellung unter dem Namen „Blauer Reiter“. Erstmals passierte dies im Dezember 1911.
Zusammen mit dem ersten „Almanach“ gilt die Schau als bleibendes Dokument für das programmatische Anliegen des Münchner Künstlerkreises in Europa. Mit dem Bekenntnis „für eine internationale Zusammenarbeit setzten Kandinsky und Marc Zeichen, die für die Kunst der Moderne heute selbstverständlich geworden ist“, wie das Münchner Lenbachhaus vermerkt. Dieses kam 1957 durch eine Schenkung von Münter in den Besitz von herausragenden Werken der Mitglieder des „Blauen Reiters“, die den Weltruf des Hauses begründeten.
Anders als die Berliner Vereinigung „Die Brücke“ vertraten ihre Kollegen in München die geistige Erneuerung des deutschen Expressionismus. Die Künstlergruppe wandte sich gegen den Materialismus des 19. Jahrhunderts und strebte eine neue, „geistige“ Kunst an, die sich von volkstümlichen Kunstformen, wie religiösen Hinterglasmalereien und auch von der „primitiven“ Kunst anregen ließ.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs löste sich der Kreis auf. Kandinsky ging zurück nach Russland, Macke und Marc fielen auf den Schlachtfeldern Frankreichs. Ihre Ideen aber blieben. Sie beeinflussten nicht nur das Bauhaus, wo Kandinsky und Klee später als Lehrer arbeiteten, sondern viele Felder der abstrakten Kunst bis heute.Elisabeth Noske
Hinweis: Zum Jubiläumsjahr gibt es mehrere Ausstellungen zum Blauen Reiter unter anderem im Schlossmuseum Murnau, im Franz Marc-Museum Kochel, im Gabriele Münter-Museum in Murnau und im Buchheim-Museum in Bernried. Veranstaltungen in München sind unter www.blauesjahr.de zu finden.