Redaktion der pilger

Donnerstag, 09. Juni 2011

Wes' Geistes Kind wir sind

Ein Beitrag zum Evangelium des Pfingstfestes (Johannes-Evangelium 20, 19–23) von Pastoralreferent Thomas Stephan

Beim Thema „Geist“ scheiden sich die Geister. Ob man geistreich ist oder anderen auf den Geist geht, ob man geistig beweglich oder einfach nur „geistig beschränkt“ ist, ob man begeisterungsfähig oder von allen guten Geistern verlassen ist, ist überaus schwer zu entscheiden. 

Die „Unterscheidung der Geister“ gehört zu den größten Herausforderungen im Leben und im Glauben. Der Geist, der zu Beginn des heutigen Evangeliums bei den Jüngern weht, dürfte gespenstischer Natur gewesen sein. Sie leiden unter den Eindrücken der Verhaftung und der Hinrichtung Jesu, unter der Angst, vielleicht die Nächsten zu sein, denen ein solches grausames Schicksal droht, und unter der Gerüchteküche, die nach seinem Tod zu brodeln begonnen hat. Aus Furcht haben sie die Türen verschlossen und sich von der Außenwelt abgeschottet. 

Mit Leichtigkeit könnte man sich nun einen unheimlichen Verlauf der Ereignisse vorstellen, in der beispielsweise die Eingangstür ihrer Zufluchtstätte „wie von Geisterhand“ quietschend und knarrend langsam aufschwingt. Aber auch ohne blühende Phantasie war es für die Jünger bestimmt beängstigend und wahrlich zum Fürchten, als der todgeglaubte Jesus trotz verschlossener Türen in ihre Mitte trat. Der Anspannung folgte dann aber, wie es im Evangelium heißt, eine Freude, als die Jünger ihren Herrn und Meister wieder erkannten. Schlüssel hierfür war der Friedensgruß des auferstandenen Jesus und damit der Friede Gottes an sich. Gemeint ist ein Friede, der aus der Erfahrung des Leidens und Sterbens, aber darüber hinaus aus der Wirklichkeit der Auferstehung erwachsen ist. Furcht und Angst haben keine Macht mehr über Jesus. Diese Stärke des inneren Friedens geht auf die Jünger über. Mit anderen Worten: wer das alles mitgemacht hat, was Jesus erlitten und erlebt hat, der braucht nichts und niemanden mehr zu fürchten. Von dieser Stärke, Zuversicht und Ruhe erfüllt, können die Jünger furchtlos einen Blick auf die Wunden des Gekreuzigten werfen und freudig kennen, dass Er es wirklich ist und kein Geist oder Schreckgespenst.

Nachdem Jesus seinen Jüngern den Geist des Friedens nochmals zugesagt hat, wie es bei Johannes heißt, kommt es nun zu dem zentralen Punkt des heutigen Evangeliums, nämlich der Sendung und Bevollmächtigung der Anwesenden. In Anlehnung an seine eigene Sendung durch den Vater gibt Jesus den Hl. Geist an seine Jünger weiter. Man fühlt sich an das Einhauchen des Lebensatems bei der Erschaffung des Menschen erinnert, wie es im Buch Genesis geschrieben steht. Dementsprechend sind die Jünger und alle, die in der Nachfolge Christi bis heute stehen, als neugeschaffene und be-geisterte Menschen anzusehen, die beauftragt sind, an seiner Stelle Gott erfahrbar werden zu lassen. Christen sollen, wie Jesus, als „neue Menschen“ das allumfassende Liebesbekenntnis Gottes für alle sichtbar, hörbar und spürbar werden lassen. 

An Pfingsten wurde der Kirche durch den Heiligen Geist Leben eingehaucht. Jedoch haben sich in der Kirche schon immer beim Thema „Heiliger Geist“ die Geister geschieden. Es gab zu allen Zeiten welche, die glaubten auf der einen Seite den Heiligen Geist für sich „gepachtet“ zu haben und auf der anderen Seite überzeugt waren, genau bescheid zu wissen, wer im Gegensatz zu ihnen gott- und geistlos ist. Gerade heute, in einer Zeit der schier unendlich vielen (An-)Fragen und der wenigen wirklichen Antworten, ist die Sehnsucht nach Gewissheit und geistlicher Orientierung riesig. Bemerkenswert ist hierbei, dass in manchen „christlichen Kreisen“ besonders ein „Geist“ unter Generalverdacht zu stehen scheint, nämlich der vielgescholtene Zeitgeist. Er soll von Hause aus gefährlich und für alle möglichen negativen Erscheinungen verantwortlich sein. Jedoch ließe sich in diesem Zusammenhang anfragen, ob nicht auch hinter manchen Veränderungen der heutigen Zeit der Heiligen Geist stecken könnte. Sind die Menschen von heute wirklich so schlecht geworden, oder sind es nicht vielleicht auch die Antworten, die wir auf die Fragen der Zeit zu geben haben? Es erscheint doch geradezu paradox, wenn manche Kreise den Wind, der sie (vor)gestern bewegte, zum „frischen Wind“ erklären wollen, der der Kirche den Geist der Erneuerung einhauchen soll. Diese Kreise wundern sich dann, wenn sie in der Glaubensvermittlung so wenig ankommen und machen daraufhin die vermeintlich „böse Welt“ wieder für ihr Scheitern verantwortlich.

Das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung der Geister ist Biblisch gesprochen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“. Jeder Geist muss auf den Prüfstand des allumfassenden Liebesbekenntnisses Gottes, wie es in Jesus Christus Mensch geworden ist. Wem dient dieser Geist und zu welchem Zweck? Macht dieser Geist die Herzen weiter oder enger, macht er mutiger oder ängstlicher? Ist der daraus erwachsene Glaube und die daraus erwachsene Wirklichkeit lebensfreundlicher oder lebensfeindlicher? 

Der Heilige Geist, den wir an Pfingsten feiern, hat uns bis zum heutigen Tag geführt. Es liegt an uns, vorurteilsfrei herauszuhören, wo, wie und durch wen er auch heute noch zu uns spricht. 

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