Montag, 06. Mai 2024
Frischer Wind für eine 100-Jährige
Das Eröffnungskonzert für eine besondere Jubiläumsreihe haben am 21. April die beiden größten Musikinstrumente der Landauer Marienkirche geprägt: Zum einen die Jubilarin persönlich, die bald 100-jährige Steinmeyer-Orgel, zum anderen das Geläute aus sechs Glocken in den beiden Kirchtürmen. Zuvor erhielt die Orgel eine besondere Auffrischung: Eine historische Windmaschine von 1924 ging nach Umbau wieder in Betrieb.
Mit insgesamt zehn Konzertterminen bis Oktober feiert die Landauer Pfarrei Mariä Himmelfahrt das Orgeljubiläum. Das nächste findet bereits am Sonntag, 12. Mai (17 Uhr), statt: Dafür wirken die Panflötistin Hannah Schlubeck und Organist Horst Christill zusammen. Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Albinoni, J.S.Bach, Guilmant und Rutter. Bei diesem und den anderen Konzerten kann die riesige Klangvielfalt der Steinmeyer-Orgel erlebt werden. Sie ist die zweitgrößte Orgel im Bistum nach der Hauptorgel im Speyerer Dom.
Mit Musikbeispielen führt Dekanatskantor Christill führt diese Klangvielfalt auch bei Orgelführungen vor. Das riesige Klangspektrum durch insgesamt 70 Register biete die Chance, alle Arten von Musik, alle Stile zu spielen, bis hin zur romantischen Orgelliteratur, für die das Instrument 1924 auch geschaffen worden war. Die reiche Klangwelt vergleicht Horst Christill gerne mit einem Farbenkasten: In einem kleinen Kasten gibt es ein helles und ein dunkles Blau, weitere Blautöne lassen sich mischen. „Diese Orgel hier zeigt nicht nur zwei oder vier Blautöne, sondern entspricht einem Farbenkasten, der von sich aus schon ein Vielfaches an Blautönen anbietet.“
An den Orgelführungen verzeichnet die Pfarrei ein reges Interesse. „Viele Gäste haben gar keine Vorstellung, wie eine solche Orgel funktioniert“, berichtet der Kirchenmusiker. „Das hängt wohl damit zusammen, dass man von vorne nur eine kleine Zahl Pfeifen sieht.“ Dass in einer solch großen Orgel weit mehr steckt, nämlich rund 5 500 Pfeifen, unzählige Meter Kabel zur Steuerung, Windkanäle und anderes, wird bei der Führung deutlich. Zu sehen ist ein Mix aus „altem Handwerk und moderner Digitaltechnik“, wie der Organist vorführt. Bei der Führung geht es dazu ins eigentliche Innenleben des riesigen Instrumentes. „Der Blick hinein ist für viele eine große Überraschung.“ In den Raum unterhalb der prächtigen Fensterrosette der Kirche passte ein zweistöckiges Wohnhaus.
Ein solch komplexes Instrument benötigt viel Pflege, die eben auch Geld kostet. „Bisweilen wird das kritisiert – aber mal ehrlich, eine Kirche so groß wie St. Maria, die ja eigentlich ein Mariendom ist, braucht ein solches Instrument.“ Horst Christill ist deswegen froh, dass die Orgelführungen auch zu Neuanmeldungen beim „Verein der Freunde der Marienkirche e.V.“ führen, der sich für den Erhalt von Gotteshaus und Orgel einsetzt. Der Verein hat die große Orgel-Restaurierung, die ab 2010 zum 100. Geburtstag der 1911 geweihten Marienkirche anstand, maßgeblich mit einer hohen sechsstelligen Summe unterstützt. Auch jetzt, zum Orgelgeburtstag am 26. Oktober (auf den Tag genau ist das der Weihetag der Orgel), waren Investitionen nötig. Um der Orgel jede altersbedingte Luftnot zu ersparen, wurden rund 15 000 Euro in die Aufarbeitung und Anpassung der historischen Windanlage von 1924 investiert. In den 1980er-Jahren war die zentnerschwere Maschine in den einstweiligen Ruhestand gegangen. Jetzt läuft sie wieder und kann bei Bedarf hinzugeschaltet werden, angetrieben vom vermutlich ältesten Elektromotor der Region. „Das ist wie ein Turbo“, sagt Christill und freut sich über ein volleres Spiel mit mehr Volumen. Die Luft, die in die Pfeifen strömt, bezeichnet der Fachmann als „Wind“. Mit dem neuen, alten zweiten „Lungenflügel“ kennt die 100-jährige Orgel keine Atemnot mehr.
Ende des vergangenen Jahrhunderts sah es für das komplette Instrument nicht gut aus. Es wurde bereits an einen Orgelneubau gedacht. Der damalige Organist Rudolf Peter setzte sich indes mit viel Engagement, Tatkraft und mit zahlreichen Konzerten für eine umfassende Restauration ein. Mit Erfolg: Die folgende Renovierungsmaßnahme brachte nicht nur die einstige Klangvielfalt, sondern auch die historische Schauansicht der Kirchenorgel zurück. Der so genannte Orgelprospekt – wie große Teile der Orgel wurde er bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört – konnte nach Originalplänen neu entstehen (Bild auf Seite 16). Damit wurde auch der Blick auf die Fensterrosette wieder möglich. Beschrieben wird die Wiederauferstehung der Steinmeyer-Orgel von St. Maria in einem „Orgelbuch“ von Organist Rudolf Peter und Gabriela Rothmund-Gaul, für das der Organist 2012 Werke von Liszt, Bach, Reger, Ritter, Guilmant und Franck auf zwei CDs einspielte. Horst Christill zeigt sich überzeugt: „Die Restaurierung von 2010 war die absolut richtige Entscheidung. Das Ergebnis ist ein Instrument, dass im süddeutschen Raum seinesgleichen sucht.“ (Hubert Mathes)
Weitere Orgelkonzerte (jeweils sonntags, 17 Uhr):
16. Juni mit Anna Linß (Landau), Werke von Mendelssohn-Bartholdy, Karg-Elert, J. S. Bach u.a.; 30. Juni mit Andreas Jetter (Chur), Werke von Schmidt, Bairstow, Reger u.a.; 7. Juli mit Anna-Victoria Baltrusch (Halle), Werke von Elgar, Bruckner, Liszt u.a.; 1. September mit Johannes von Erdmann (Frankfurt), Werke von Rheinberger, Bruckner, Bossi, J. S. Bach u.a.; 22. September mit Johannes Michel (Mannheim), Werke von Karg-Elert, Rinck u.a.; 6. Oktober mit Daniel Roth (Paris), Werke von J. S. Bach, Franck, Saint-Saëns, Widor u.a.; 13. Oktober mit Klaus Mertens und Horst Christill, Werke von J.S. Bach, Quantz, Rheinberger, Reger, Dvořák u.a.; Jubiläumskonzert am Samstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, mit Markus Eichenlaub (Speyer), Werke von Liszt, Karg-Elert, Whitlock, Kromolicki u.a.
Karten bei ticket-regional.de/maria-himmelfahrt-landau,im Pfarrbüro (Marienring 4), an der Abendkasse und bei Vorverkaufsstellen von Ticket-regional. Orgelführungen sind geplant für sonntags, 2. Juni, (12 Uhr), 3. Juli (18 Uhr) sowie 8. September (12 Uhr) bzw. donnerstags, 3. Oktober (16 Uhr). Eine Anmeldung im Pfarrbüro, Telefon 06341/968980, ist sinnvoll. Info auch auf www.kirchelandau.de/orgel im Internet. Im Pfarrbüro ist das Buch „Die Steinmeyer-Orgel von 1924 in der Pfarrkirche St. Maria in Landau i.d. Pfalz“ erhältlich (OrganumBuch, Öhringen, 2014, Ogm 142021, Preis: 29,99 Euro, mit zwei CDs).