Montag, 27. Mai 2024
„Wir sind bunt“
Pfarrei Dudenhofen setzt mit farbigen Bändern ein Zeichen für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt
Die Pfarrei Heilige Hildegard von Bingen Dudenhofen hat eine ökumenische Aktion gegen Rechtsextremismus angestoßen. Seit Ende Januar setzen Bürgerinnen und Bürger, aber auch Geschäftsleute, Vereine und demokratische Parteien in Dudenhofen, Hanhofen, Harthausen und Römerberg mit bunten Bändern ein Zeichen gegen Rechtsextremismus.
„Das Thema hat mich schon länger umgetrieben“, erklärt Pfarrer Dr. Jens Henning. Die zunehmenden Umfragewerte der AfD hat er mit großer Sorge beobachtet und das schon in seiner Weihnachtspredigt angesprochen. Die Enthüllungen des Recherchenetzwerks „Correctiv“ und die Berichterstattung über einen „Geheimplan gegen Deutschland sowie einem Masterplan zur „Remigration“ Anfang des Jahres brachte das Fass dann zum Überlaufen. Für den Pfarrer war klar: „Wir müssen da etwas machen, und wir müssen die evangelische Kirche mit ins Boot holen.“
Bunte Bänder und Banner im ganzen Ort
Ähnlich ging es Heike Vogt, die sich im Pfarreirat engagiert. Sie hatte dann die Idee, bunte Bänder zu verteilen, mit denen jeder ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Hass, Hetze und Ausgrenzung setzen kann, indem er es sichtbar für alle an Haus oder Wohnung anbringt. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Idee von einem kleinen Team rund um Heike Vogt, Pfarrer Jens Henning und Vertretern der evangelischen Kirchengemeinden umgesetzt. Satin-Bänder in allen Farben wurden bestellt, in eineinhalb Meter lange Stücke geschnitten, aufgerollt und ab dem 27. Januar dann gegen Spende von einem Euro in den Kirchen, Pfarrämtern und Kindertagesstätten abgegeben. Vor Supermärkten haben die Helferinnen und Helfer die Aktion an einem Stand vorgestellt, und auch beim Fasnachtsumzug in Mechtersheim waren sie dabei. Kostümiert, aber mit klarer Botschaft.
„Anfangs hat jede von uns jeden Tag mindestens zwei bis drei Menschen persönlich angesprochen und motiviert, mitzumachen“, erzählt Christiane Kemper. „Ich bin selbst kein politischer Mensch, und ich musste schon ein bisschen mutig sein und die Bänder in meinem Garten aufhängen“, gibt die Pfarreiratsvorsitzende Birgit Birkle-Ertel zu. Auch die demokratischen Parteien haben sich angeschlossen und Bänder in ihre Schaukästen gehängt. Selbst ein großes Autohaus hat sich an der Aktion beteiligt. Dieser große Rückhalt bestätigt den Pfarrer und sein Team. Zusätzlich wurden an jeder katholischen und evangelischen Kirche in den Orten sowie an den christlichen Kindertagesstätten farbenfrohe Banner mit dem Aufdruck „Wir sind bunt! Farbe bekennen gegen Rechts“ aufgehängt.
Die Reaktion sei sehr positiv gewesen, berichten Henning, Vogt und ihr Team. Allerdings habe es in sozialen Medien kritische Äußerungen gegeben. „Ich habe da schon einige intensive Diskussionen geführt. In Hanhofen und Harthausen wurden Banner gestohlen. Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, neue bestellt und sie höher gehängt“, erzählt Pfarrer Jens Henning. Und das beschmierte Banner an der Kita in Mechtersheim haben die Helfer wieder gereinigt.
„Ein Christ muss den Mund aufmachen!“
„Am Anfang hatte ich schon ein mulmiges Gefühl dabei, mich politisch zu positionieren“, gibt der Pfarrer zu. Vor einem Jahr hätte er sich noch nicht getraut, die AfD beim Namen zu nennen. „Doch man muss Ross und Reiter nennen. Die Kirche muss politisch Stellung beziehen“, sagt Henning. Das gelte gegen jede Form von Extremismus, im Moment aber ganz besonders gegen Rechtsextremismus, da die Gefahr, dass eine rechtsextreme Partei an die Macht komme, wesentlich größer sei.
„Ein Christ kann nicht AfD wählen“, sagt Pfarrer Henning. Die konservativen Positionen könne man haben, das Problem sei das völkische Denken, das hintendran steht, das nicht mit christlichem Glauben und Werten vereinbar sei. „Durch die Taufe sind wir weltweit Schwestern und Brüder, Menschen aus anderen Erdteilen sind auch meine Schwestern und Brüder“, so Henning. Rassismus habe er bei einem Aufenthalt in Südafrika vor einigen Jahren am eigenen Leib erlebt. „Ich hatte viel mit Schwarzen Umgang. Die Weißen haben mich auf der Straße dafür verachtet.“ Diese Reinheit der Kultur, wie sie auch die AfD vertrete, sei für einen Christen ausgeschlossen.
Ein Christ dürfe auch den Angriff auf die Medien und die Demokratie nicht unterstützen. Ebenfalls nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar sei das extrem konservative Menschen- und Frauenbild. Außerdem leugne die AfD den von der Wissenschaft bestätigten von Menschen gemachten Klimawandel. Das sei unverantwortlich. Christen hätten Verantwortung für die Schöpfung und für Menschen. „Ich könnte zu jedem Punkt im Programm der AfD etwas sagen“, schließt Hennig. Und fasst es so zusammen: „Wo Menschen in ihrer Würde benachteiligt werden, müssen Christen den Mund aufmachen.“ Und in Dudenhofen, Harthausen, Hanhofen und Römerberg tun sie das.
„Ich wurde anfangs sehr belächelt, als ich sagte, wir brauchen 3 000 Bänder“, erzählt Heike Vogt. Inzwischen ebbt die Aktion zwar ein bisschen ab, aber es dürften an die 5 000 Bänder sein, die ein sichtbares Zeichen für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt setzen.
Inzwischen beteiligen sich auch die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in Waldsee, Otterstadt, Limburgerhof, Neuhofen und Altrip sowie protestantische Gemeinden in Speyer an der Aktion „Wir sind bunt“. (Christine Kraus)