Redaktion der pilger

Freitag, 02. Februar 2024

Waren Frauen Nazi-Verbrecherinnen?

(Foto: Uniibliothek Heidelberg)

Wenn es um die Verbrechen während der Nazi-Diktatur geht, ist eigentlich fast immer von Männern die Rede. Doch wie sieht es mit den Frauen aus? Welche Rolle haben sie damals gespielt, und welche Auswirkungen hat das bis heute? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer Wochenendveranstaltung am 15. und 16. März in Neustadt.

Kinder schon als Babys in die Krippe geben und arbeiten gehen? In unseren Nachbarländern ist das eine Selbstverständlichkeit – viele deutsche Frauen finden den Gedanken heute noch befremdlich. Andersherum können Frauen aus den Nachbarländern nicht verstehen, warum deutsche Frauen ihre Kinder früher einfach schreien ließen, anstatt sie sofort auf den Arm zu nehmen und zu trösten. Zumindest empfahl das der Erziehungsratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ aus dem Jahr 1934. Der Erziehungsratgeber schlechthin in der Zeit des Nationalsozialismus, der in abgemilderter Form noch bis 1987 verlegt wurde. Was ist also anders mit uns deutschen Frauen?

Diese Frage beschäftigte auch die evangelische Pfarrerin Martina Horak-Werz, Bildungsbeauftragte der Protestantischen Kirche im Kirchenbezirk Neustadt, schon seit einer ganzen Weile. In ihrer Zeit als Gemeindepfarrerin hat sie festgestellt, dass Frauen, die die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt haben, oft eine gewisse Härte zeigten. „Zumindest haben mir deren Töchter das oft erzählt“, sagt Horak-Werz. Ihre eigene Mutter ist als Zehnjährige in ein Internat gekommen und hat später erzählt, dass die Lehrerin die Kinder dort regelrecht gedrillt hat. „Ich habe mich gefragt, warum die Frauen so waren und wie dies bis heute nachwirkt“, erzählt die Pfarrerin. So kam sie auf die Idee, dieses Thema gemeinsam mit der Frauenseelsorge des Bistums Speyer, den Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Neustadt und der Evangelischen Kirche der Pfalz sowie der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt in einer Wochenendveranstaltung aufzugreifen.

Um „Ganz normale Frauen!? Täterinnen und Mitläuferinnen im Nationalsozialismus und ihr Einfluss bis heute“ geht es am Samstag, 16. März, von 10.30 bis 14.30 Uhr, in der Unterkirche der Pauluskirche in Neustadt-Hambach. Am Vormittag ist der Geschichtswissenschaftler Benedikt Breisacher von der Universität Bayreuth zu Gast und erklärt, welche Rollen Frauen in der NS-Zeit gespielt haben, auf welche Art sie zu Täterinnen wurden und wie mit ihnen nach dem Krieg umgegangen wurde. Einen kleinen Vorgeschmack auf die Veranstaltung gibt er hier: „Zunächst einmal spielten Frauen in der NS-Ideologie nur eine untergeordnete Rolle in einer männlich geprägten Bewegung. Erst ab März 1932, nachdem Hindenburg und nicht Hitler zum Reichspräsidenten gewählt worden war, änderte man die Strategie und warb nun offensiv für die Stimmen der Wählerinnen.“ Frauen wurden dabei als „Mütter des Volkes“ hochstilisiert, welchen die ehrenvolle Aufgabe zukam, zur Erhaltung der „arischen Rasse“ beizutragen. Sie sollten harte Soldaten großziehen. In wichtigen Positionen in Wirtschaft und Politik wollte man Frauen nicht mehr haben, als mögliche Wählerinnen verprellen wollte man sie aber auch nicht. Männer waren Soldaten, Frauen waren Mütter, und beides wurde als gleichwertig hingestellt. Eine Neuerfindung der Nationalsozialisten war diese Überbetonung der Mutterrolle freilich nicht, das war schon in den 1920ern in vielen national- und christlich-konservativen Kreisen so. Nur auf die Mutterrolle reduzieren konnte man Frauen allerdings auch nicht, denn durch den Männermangel im Krieg mussten Frauen in vielen Arbeitsbereichen wieder die Aufgaben der Männer übernehmen, wenngleich in der Propaganda immer noch am traditionellen Frauenbild festgehalten wurde.

„Nach dem Krieg kehrte man rasch wieder zur Geschlechterordnung von vor dem Krieg zurück. Frauen sollten sich wieder um Heim und Herd kümmern und den rückkehrenden Männern die Arbeitsplätze in der Industrie und Verwaltung überlassen“, beschreibt es Breisacher. Obwohl Frauen durchaus nicht nur passive Mitläufer waren, sondern zum Beispiel durch Mitarbeit in Konzentrationslagern direkt an Verbrechen beteiligt waren, wurden sie nach dem Krieg kaum zur Rechenschaft gezogen. Das liege vor allem an den Besatzungsmächten. „Die dachten, Frauen können keine Täter sein“, erläutert Historiker Breisacher.

Nach einer Aussprache zum Vortrag und einem Mittagsimbiss geht die Diskussion in kleinen Runden weiter. Sie werden moderiert von Frauen, die beispielsweise den Erziehungsstil der NS-Ideologie noch miterlebt haben, oder von jungen Frauen, die gegen die AfD demonstrieren.

Wie sich die Frau eines NS-Verbrechers gefühlt haben könnte, zeigt die Schauspielerin Hannelore Bähr am Freitag, 15. März, um 19 Uhr, ebenfalls in der Unterkirche der Pauluskirche in dem Theaterstück: „Bürckel! – Frau Gauleiter steht ihren Mann“ und stellt damit auch einen regionalen Bezug her. Sie mimt in dem Ein-Frau-Stück Hilde, die Witwe des 1944 verstorbenen Neustadter Gauleiters Josef Bürckel, der maßgeblich für die Deportation von 6 538 Juden aus Baden und der (Saar-)Pfalz ins französische Internierungslager Gurs verantwortlich war und sich damals rühmte, dem ersten judenfreien Gau Deutschlands vorzustehen. „Was macht man, wenn man so einen liebt?“, fragt sich Hilde, hin und hergerissen zwischen Liebe, Stolz, Ratlosigkeit und Entsetzen.

Wer mehr über Neustadt in der NS-Zeit wissen möchte, dem sei ein Besuch der Gedenkstätte für NS-Opfer empfohlen. Sie wurde 2013 im Arrestgebäude der ehemaligen Turenne-Kaserne in Neustadt, die zeitweise als Konzentrations- und Arbeitslager genutzt wurde, eröffnet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die Ereignisse nach 1933 wach zu halten, der Opfer zu gedenken und die Voraussetzungen für Demokratiebildung an diesem außerschulischen Lernort zu schaffen. Die Gedenkstätte steht Einzelbesuchern, Gruppen und Schulen kostenlos zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es unter www.gedenkstaette-neustadt.de(Christine Kraus)

Für die Veranstaltung am 16. März ist eine Anmeldung per E-Mail bis 11. März erforderlich bei martina.horak-werz@evkirchepfalz.de. Bei ihr gibt es auch Karten für das Theaterstück am 15. März zum Preis von 12 Euro.

Artikel teilen:

Weitere Nachrichten

20.12.24
Redaktion der pilger

Fernseh- und Radiogottesdienste an Weihnachten

Voll wie selten sind die Kirchen an Weihnachten. Wer lieber zuhause bleiben möchte,...
20.12.24
Redaktion der pilger

Lasst uns hüpfen

Vor Freude und Glück, dass Gott mit uns ist
20.12.24
Redaktion der pilger

Heute, jetzt

Jesus, der Retter, ist da. Er ist der Christus
20.12.24
Redaktion der pilger

Wo Leben ist, da ist Gott

Unsere „Schlüsselfrage“ heißt: Wo ist Leben drin?
20.12.24
Redaktion der pilger

Wird 2025 etwas ruhiger?

Ein Heiliges Jahr und ein neues Gesangbuch für die großen Kirchen
20.12.24
Redaktion der pilger

Die Könige kommen

Wertvolle Fresken in einer kleinen Kapelle in Essingen in der Südpfalz
20.12.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Viele Ereignisse im neuen Jahr

In der katholischen Welt wird 2025 vor allem als „Heiliges Jahr“ begangen. Das...
20.12.24
Redaktion der pilger

Ausdrucksstarke Figuren

Vor 100 Jahren wurden die ersten Figuren der Domkrippe gefertigt
19.12.24
Redaktion der pilger

„Aus Isais Baumstumpf wächst ein Reis hervor“

Der Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zum Weihnachtsfest 2024
18.12.24
Redaktion der pilger

Wer klopfet an?

Eine kunterbunte Adventsaktion für Familien in der Pfarrei Maxdorf
18.12.24
Redaktion der pilger

Lasst uns hüpfen

Vor Freude und Glück, dass Gott mit uns ist
18.12.24
Redaktion der pilger

Öffnung zu Weihnachten

In der Loreto-Kapelle kann wieder gebetet werden – Restaurierung geht weiter
12.12.24
Redaktion der pilger

Große Jubiläumsfeier eines Versprechens

Die Schweighofener haben in den Kriegswirren im Jahr 1944 mit ihrem damaligen...
11.12.24
Redaktion der pilger

Gottesdienst erinnert an Geburtstag von Carl Theodor

Eine Feier mit Musik aus der Zeit des Kurpfälzer Kurfürsten und prominenten Gäste...
11.12.24
Redaktion der pilger

Warum wir so gerne Plätzchen backen

Manche machen es alleine, andere treffen sich mit Freunden und Familie dazu. So...
11.12.24
Redaktion der pilger

Was sollen wir also tun?

Da sein für andere, alles vom Anderen und seinem „Heil-Sein“ her denken und tun
11.12.24
Redaktion der pilger

Das Heilige Jahr 2025

Bischof Wiesemann ruft die Gläubigen im Bistum zur Mitfeier auf
11.12.24
Redaktion der pilger

Stadionsingen vor dem Fest

Kirchen und Institutionen in Mannheim laden für 23. Dezember ein
09.12.24
Redaktion der pilger

Eine alte Tradition

Christdeihen sind ein Traditionelles WeihnachtsGebäck in der Südpfalz
09.12.24
Redaktion der pilger

Großartige Idee für die Ökumene

Ein ganz bedeutendes Jubiläum der gesamten Christenheit steht an: Im nächsten Jahr...
09.12.24
Redaktion der pilger

Objekte, die Geschichte erzählen

Beim Restauratorentag in Speyer gab es sakrale Gegenstände zu bestaunen sowie jede...
09.12.24
Redaktion der pilger

Jubiläum eines Versprechens

Feier mit Weihbischof Otto Georgens: 80 Jahre Schweighofener Gelöbnis
08.12.24
Redaktion der pilger
Pfarreien

„In jedem Fall hat der Staat das Leben zu schützen“

Das Jubiläum der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind ist am 8. Dezember mit...
06.12.24
Redaktion der pilger

Düstere Weihnachten

Der Tourismus im Heiligen Land leidet weiter unter dem Krieg. Kirchliche...
06.12.24
Redaktion der pilger

Zum zweiten Advent: Gottes Heil ist universal

Es war! Nicht: es war einmal…! Sondern es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des...
29.11.24
Redaktion der pilger

Advent am Dom zu Speyer

Raum für persönliche Andacht, Gottesdienste und Konzerte
27.11.24
Redaktion der pilger

Sehnsucht nach mehr Licht

In der Dunklen Jahreszeit spielt Licht eine wichtige Rolle
27.11.24
Redaktion der pilger

Rom macht sich schön für 2025

Zurzeit besteht Rom vor allem aus Baustellen. Doch im Heiligen Jahr, zu dem mehr...
27.11.24
Redaktion der pilger

Wach bleiben

Der Advent ist anders als wir ihn begehen
27.11.24
Redaktion der pilger

Witzig, warm, wertvoll

Ein Adventskalenderbuch für die ganze Familie
27.11.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Ein mitfühlendes Herz

für Untröstliche, Getröstete, Trostgebende und Neugierige
27.11.24
Redaktion der pilger

Ein Exot in der „Frauenwelt“ Kita

Gabriel Salzmann mag Menschen. Besonders Kinder liegen ihm am Herzen. Selbst wenn...
20.11.24
Redaktion der pilger

Viva Cristo Rey

Christus ist König, und seine Herrschaft ist Liebe
20.11.24
Redaktion der pilger

Engagierte Pioniere in Ausbildung

21 ehrenamtliche Frauen und Männer werden für Beerdigungsleitung in den Gemeinden...
20.11.24
Redaktion der pilger

Kritik von den Bischöfen

Vorstoß zu Straffreiheit bei Abtreibungen löst scharfe Reaktionen aus
20.11.24
Redaktion der pilger

Völkermord in Gaza?

Papst Franziskus plädiert für Untersuchung der israelischen Kriegsführung
20.11.24
Redaktion der pilger

Wunderbare optische Geschenke

Fotokünstler Horst Hamann über den Speyerer Dom – Buch, Kalender, Karten erschienen
19.11.24
Redaktion der pilger

"Sehnsucht nach Frieden ist drängender denn je"

Erstmals gab es in Freiburg eine Seligsprechung. Papst Franziskus schickte Kardinal...
14.11.24
Redaktion der pilger

Singen in netter Gemeinschaft

Die neue Seniorenkantorei der Dommusik erfährt großen Zuspruch
14.11.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

„Wir werden weniger und weniger haben“

Interview zum Vorschlag für künftiges Seelsorgekonzept
Treffer 1 bis 40 von 5344