Mittwoch, 23. August 2023
Behütet
Gott gibt uns Schutz auf unseren Wegen
Irgendwann, vor langer Zeit, wurden diese Bäume vermutlich in Reih und Glied gesetzt, und in den vielen Jahren sind sie so gewachsen: Sie stehen nach wie vor Spalier, wie sie gepflanzt wurden. Sie ließen den Weg so gerade bleiben, und dem geraden Weg geben sie nach beiden Seiten Halt. Und sie geleiten die auf ihm gehen. Aber dann sind sie auch eigenwillig gewachsen: Sie haben dem Weg einen Raum gegeben. Wie ein Gewölbe sind sie geworden, das birgt und schützt. Die Äste halten die Sonne ab, der Regen dringt nicht ganz so stark durch. Und doch ist es in dem Gang licht und hell. Das ist ein gutes Bild für unsere Lebenswege, wie sie sein sollen, gerade, hell und behütet.
Nun ist es aber meist nicht so klar und einfach. Natürlich wird jeder gerade und helle Strecken auf seinen Lebenswegen benennen können, der eine mehr, der andere weniger. Aber wer ehrlich ist, gesteht auch andere ein: kurvige, unübersichtliche, holprige Abschnitte, schlechte Wegstrecken, Strecken ohne Wegzeichen und Markierungen, kleine und größere Hindernisse, Kreuzungen und Abbiegungen, Sackgassen, Engpässe, Steigungen und Gefälle ... So jedenfalls geht es mir, wenn ich auf mein Leben zurück schaue.
Eines jedoch kann ich im Nachhinein sagen: Nie war ich ohne Bergung, wenn ich sie auch, warum auch immer, nicht wahrnahm, mich einsam und alleine fühlte. Der sie mir gab, den nenne ich Gott. Ich glaube: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen … Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen. Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich ...“ (Psalm 23,1–4). Und mehr noch: Ich weiß, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreibt.
Für mich unüberbietbar drückte diese Zuversicht, die nur aus tiefer Erfahrung mit Gott kommen kann, der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische Terrorregime Dietrich Bonhoeffer (1906 bis 1945) aus: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will … Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen … In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden als mit unseren vermeintlichen Guttaten ...“.
Dieses Glaubenskenntnis schrieb Bonhoeffer zur Jahreswende 1943 auf 1944 aus der Gefangenschaft. Am 9. April 1945 wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Der Lagerarzt Hermann Fischer-Hüllstrung, der dabei war, schilderte später, wie gefestigt und gelassen Bonhoeffer, mit einem Gebet als letztem Wort, geradewegs auf seinen gewaltsamen Tod zuging.
Ganz sicher wird mir ein solcher Weg erspart bleiben. Doch möchte ich diese absolute Zuversicht lernen, für alle Wege, die mir noch bevorstehen: Gott möge mir weiterhin seine Bergung schenken und zusagen: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir. Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen. Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich … bin dein Retter“ (Buch Jesaja 43,1–3). (kh)