Donnerstag, 21. Dezember 2023
Besonders emotionale Anrufe
In der Weihnachtszeit herrscht bei der Telefonseelsorge Pfalz Hochbetrieb
Sie sind immer da. 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch an Weihnachten und Silvester – die ehrenamtlicher Mitarbeitenden der 104 Telefonseelsorgestellen in Deutschland. Eine davon ist die Telefonseelsorge Pfalz in Kaiserslautern. Auch hier herrscht in dieser Zeit Hochbetrieb.
„Im Vorfeld von Weihnachten machen sich viele Menschen Gedanken, wie und mit wem sie die Feiertage verbringen. Nicht jeder hat eine Familie, da ist Einsamkeit ein großes Thema“, sagt Astrid Martin vom ökumenischen Leitungsteam. „Zum Glück gibt es mittlerweile etliche Angebote, von der Kirche, der Gemeinde und sozialen Einrichtungen, die sich an Alleinstehende richten. Und so finden viele doch noch eine Möglichkeit, an Weihnachten nicht alleine zu sein. Deshalb haben wir an den Feiertagen selbst oft nicht so viele Anrufe wie man meinen könnte. Allerdings sind sie meist besonders emotional“, weiß die katholische Diplom-Pädagogin und erinnert sich an einen Tag, an dem sie selbst Dienst gemacht hat. „Da rief eine Frau an, die sehr aufgewühlt war. Sie hatte einen Brief von ihrer Schwester bekommen, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt hatte. Nun traute sie sich nicht, ihn zu öffnen. Indem ich ihr das Gefühl vermittelte, bei ihr zu sein, hat sie es schließlich geschafft. Und es waren einfach nur nette Weihnachtsgrüße.“
Nach den Feiertagen sei meist umso mehr los. „Weihnachten ist wie kein anderes Fest mit hohen Erwartungen und Sehnsüchten verbunden. Die Menschen freuen sich auf ein gemütliches Beisammensein, auf Harmonie, Gespräche, gutes Essen und Geschenke. Doch nicht immer erfüllt sich diese Hoffnung. Manchmal brechen bestehende Probleme und Konflikte auf, es kommt zum Streit, zu verletzenden Vorwürfen und Missverständnissen. Dann ist die Enttäuschung groß, und so mancher fällt in ein tiefes Loch.“ In solchen Situationen kann der Griff zum Telefon helfen.
„Wir hören zu, trösten, machen Mut und versuchen, gemeinsam mit den Anrufenden Lösungen zu entwickeln“, sagt Anne Müller-Huck. Seit 32 Jahren ist sie ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge Pfalz tätig, nicht nur am Telefon, seit vier Jahren auch per Chat. Auch in der Weihnachtszeit ist sie für Menschen da, die ein Problem haben. „Einsamkeit, Depressionen, Existenzängste machen den Leuten in der dunklen Jahreszeit besonders zu schaffen. Dazu kommt die Weltsituation, die ständig beängstigende Schlagzeilen schreibt.“
Ein Bereich, der immer häufiger eine Rolle spiele, sei die finanzielle Situation. „Alles ist teurer geworden, das macht vielen zu schaffen. Wenn das Geld nicht reicht, ihren Angehörigen etwas schenken zu können, ist das für die meisten sehr schlimm“, weiß die 76-Jährige.
Das symbolische Fest bringe vieles besonders deutlich ins Bewusstsein und wachse sich zu einer großen Belastung aus. Die Mitarbeitenden halten die Sorgen und Nöte mit aus, helfen, sie mitzutragen und für Entlastung zu sorgen. „Manche rufen auch an Weihnachten an, um sich bei uns zu bedanken. Das freut uns natürlich und bestärkt uns in dem, was wir tun“, sagt Astrid Martin und wünscht sich eine Verstärkung der Mitarbeiterschaft, um der Nachfrage weiterhin gerecht zu werden.
Bis Anfang Dezember verzeichnete die Telefonseelsorge Pfalz mehr als 9 000 Gespräche und gut 2 500 Seelsorgechats. „Wir starten Anfang Februar 2024 einen neuen Ausbildungskurs. Er umfasst 200 Stunden, dauert etwa eineinhalb Jahre und findet vorwiegend samstags und an Gruppenabenden statt. Darin werden die Teilnehmenden in Gesprächsführung geschult und mit den verschiedensten Themen, die am Telefon zur Sprache kommen, vertraut gemacht. Außerdem gibt es eine Chat-Zusatzausbildung.“ Wer sich dafür interessiert, solle Belastbarkeit, Empathie und Einfühlungsvermögen mitbringen und kann sich bis 10. Januar 2024 unter der Telefonnummer 0631/67700 melden. Dann läuft die Bewerbungsfrist aus. (friju)
Hinweis: Für Gespräche und Beratungsanliegen ist die Telefonseelsorge kostenlos unter Telefon 0800-1110111 oder 0800-1110222 zu erreichen sowie per Chat unter online.telefonseelsorge.de