Donnerstag, 18. Januar 2024
Sinn in Krisenzeiten
In Krisenzeiten – und die gibt es irgendwo auf der Welt schließlich immer – sehnen sich Menschen nach Sicherheit, nach Sinn und oftmals auch nach Spiritualität.
Die Glaubensangebote und Rituale der Kirche werden dabei hierzulande immer weniger nachgefragt oder sind auch gar nicht mehr bekannt. Dafür nutzen private und meist kommerzgetriebene Anbieter ihre Chance und begegnen den allzu menschlichen Bedürfnissen zum Beispiel mit „Ritualdesign“. Solche „Ritualdesigner“ überlegen sich einigermaßen freihändig Zeremonien zu bestimmten Anlässen wie Hochzeit, Taufe, Trauerfeier, Umzug, Abschied und Neuanfang. Sie folgen keiner liturgischen Ordnung und vermitteln als selbsternannte Autorität des Augenblicks mit Worten, Lichtern, Wiederholungen, Düften und Musik ihren Kunden ein Gefühl von Bedeutung.
Noch weiter gehen sogenannte „Lifecoaches“, die ihre „Jüngerschaft“ im Internet finden und z. B. online meditieren oder aufmunternde Botschaften verschicken. Anschließend können sie mit den Angesprochenen sogar große Hallen füllen, wo sie gegen saftiges Eintrittsgeld ihre „Weisheiten“ zum Besten geben. Mit klassischer Seelsorge hat das wenig zu tun, eher mit esoterisch angehauchter Lebenshilfe, die der Sehnsucht von Menschen begegnet, das eigene Leben auch ohne klassisches Gottesbild irgendwie glücklich und sinnvoll zu machen.
Ein häufiger Trick nutzt dabei der in der Psychologie bekannte „Barnum-Effekt“. Benannt nach dem Zirkusgründer Barnum, dessen Kuriositätenkabinett „jedem Geschmack“ etwas zu bieten versprach. Es geht um Aussagen, die so allgemein gehalten sind, dass sich jeder in ihnen erkennen kann: „Manchmal verhalten Sie sich leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder skeptisch und zurückhaltend.“ Wie im Zeitungshoroskop: „Sie sollten weniger grübeln und mehr Tatendrang beweisen.“
Das passt eigentlich immer. Und heißt bei mir zum Jahresanfang: Ich pfeife auf Horoskope und greife zu den Psalmen – da finde ich Schönheit, Sinn und manchen Trost – gerade in Krisenzeiten. (Philipp)