Redaktion der pilger

Donnerstag, 03. August 2023

Vom Zauber blauer Stunden

(Foto: AlexWolff68/ AdobeStock.com)

Wohl kaum eine Tageszeit ist so schön wie die blaue Stunde, wenn am Himmel das Tagesblau über viele Schattierungen ins Nachtblau übergeht. Gerade laue Sommerabende eignen sich zum Bestaunen und Genießen dieses Phänomens. Unser Bild oben zeigt die „Skyline“ von Frankfurt, mit dem Main und dem Eisernen Steg.

Ob man sie auf dem Balkon, im Garten oder im Park erlebt, ob in Gesellschaft oder allein – für viele Menschen hat die blaue Stunde einen ganz besonderen Reiz. Gerade laue Sommerabende eignen sich, diesem leisen Naturwunder zuzusehen. Wenn die Sonne an klaren, (meist) wolkenlosen Tagen hinter dem Horizont verschwunden ist, beginnt wenig später eine Sinfonie aus gefühlt tausenden Blau-Schattierungen. Mitunter dauert es noch fast zwei Stunden, bis auch der letzte helle Streifen am Horizont erlischt und nur noch der Nachthimmel zu sehen ist.

Die typische blaue Färbung des Himmels entstehe, „wenn sich die Sonne zwischen vier und acht Grad – also ganz knapp unter dem Horizont – befindet“, erläutert ARD-Wettermoderatorin Claudia Kleinert. Je weiter die Sonne unterhalb des Horizonts wandert, desto mehr scheint der Himmel in magisches, tiefes Blau getaucht. Die Farbintensität habe etwas mit der Streuung des Lichts zu tun: Durch die sogenannte Rayleigh-Streuung werde das Sonnenlicht in verschiedene Farbspektren gefiltert, „dadurch nehmen wir den Himmel überhaupt erst als blau wahr. Und wenn die Sonne dann untergeht und in einem bestimmten, schrägen Winkel strahlt, kommt das Blau besonders gut raus.“

Ein stimmungsvolles Licht, das nicht nur Fotografenherzen höher schlagen lässt. Auch Kunst und Literatur wurden davon inspiriert. So zeugt Gottfried Benns melancholisches Liebesgedicht „Blaue Stunde“ (1950) von der besonderen Stimmung am Übergang zur Nacht, der die Wehmut des Abschieds aufkommen und die Endlichkeit der Zeit erahnen lässt: „Was sich erhebt, das will auch wieder enden, was sich erlebt – wer weiß denn das genau, die Kette schließt, man schweigt in diesen Wänden und dort die Weite, hoch und dunkelblau.“

Den Augenblick genießen, das Leben feiern – für viele ein Grund, diese besondere Stimmung mit Freunden oder Familie genießen. Vielleicht läuft im Hintergrund dezente Klaviermusik des italienischen Musikers Federico Albanese. Er hat sich von der blauen Stunde zu einer CD inspirieren lassen. Darin greift er das Verschwommene, Mystische und Magische dieser Stimmung zwischen Tag und Nacht auf. Der Musiker versteht die blaue Stunde als „die Mitte von zwei unterschiedlichen, gegensätzlichen Universen“, als „definitiv etwas, das zwischen zwei Zuständen liegt“, wie er erzählt. Denn es sei „nicht dunkel, nicht hell, es ist nicht Tag, es ist nicht Nacht – es ist definitiv eine Art undefinierter Schwebezustand“. In diesen Momenten sei alles vage: Erinnerungen, Träume, Erfahrungen.

So sehr die blaue Stunde Menschen auch anspricht – einen Fachbegriff gibt es für sie erstaunlicherweise nicht. Klar sagen lässt sich aber, wann die blaue Stunde geschlagen hat – dafür bietet die Internetseite www.timeanddate.de sogar einen eigenen Blaue-Stunden-Rechner, mit dem sich rund um das Jahr für den eigenen Wohnort der Beginn des Naturphänomens ermitteln lässt. Auch das Gegenstück gibt es übrigens – die goldene Stunde. Sie beschreibt die Zeit kurz nach dem Sonnenaufgang oder kurz vor dem Sonnenuntergang – freilich an einem möglichst wolkenfreien Himmel.

Blaue Stunden kann es im Prinzip an jedem Tag des Jahres geben. Aber im ungemütlich-kalten Winter fällt das blaue Himmelsglühen in den späteren Nachmittag. Da ist so mancher noch bei der Arbeit oder auf dem Heimweg, der mit Einkaufen und anderen Erledigungen gefüllt ist. So bleibt wenig Muße zur Himmelsbetrachtung. Zudem fällt die blaue Stunde dann mit rund 15 Minuten viel kürzer aus als in den warmen Monaten, rechnet Wetterexpertin Claudia Kleinert vor. Im Sommer dauere sie in unseren Breitengraden dagegen etwa 40 bis 50 Minuten: „Deshalb kann man die blaue Stunde im Sommer länger und besser genießen.“ Der Tipp der „Wetterfrau“ für den perfekten Ort dafür: „Am Meer. Oder auf einem Berg mit viel freier Sicht oder einfach auf einem Feld.“ Claudia Kleinert selbst genießt diese besondere Stimmung gerne von einer großen Stranddüne aus. Wenn dort die blaue Stunde einsetzt, „dann ist es einfach zum Niederknien und Heulen, weil es so schön ist“. Angelika Prauß (KNA)

Weitere Infos zur orts- und tagesgenauen Berechnung:  www.timeanddate.de/astronomie/blaue-stunde
Federico Albanese über die blaue Stunde: www.youtube.com/watch?v=AIkIbnFy3Zk

 

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