Mittwoch, 12. Juli 2023
Für alle heißt für alle
Manfred Lütz gibt Klassiker von Joseph Ratzinger neu heraus
Jeder Theologe und auch viele andere dürften die „Einführung in das Christentum“ kennen. 1968 hat Joseph Ratzinger das Buch geschrieben, damals ein aufleuchtender Stern am Theologenhimmel. Jetzt ist es neu erschienen.
„Mein Exemplar hat mir meine erste Freundin geschenkt“, sagt Manfred Lütz. „Ich habe es damals nicht gelesen.“ Erst als Lütz viele Jahre später für sein Buch „Gott. Eine kleine Geschichte des Größten“ recherchierte, entdeckte er es neu. „Es war ergreifend, toll, poetisch“, sagt er. „Das Buch hat mir geholfen, meinen Glauben zu vertiefen.“
Doch auch wenn das Buch, das im Kern das Glaubensbekenntnis erklärt, damals ein Bestseller war: Heutige Leserinnen und Leser schreckt es durch viele Fußnoten und Fremdwörter doch ab. Deshalb wurde Lütz 2020 gefragt, ob er das Buch für ein breiteres Publikum überarbeiten könne. „Ich hielt es für aussichtslos, dass Papst Benedikt diesem Gedanken zustimmen würde“, sagt Lütz heute. Aber er schrieb auf Anraten von Georg Gänswein trotzdem an den emeritierten Papst. Und der habe nicht nur positiv geantwortet, sondern auch „witzig, wie das so seine Art war“, sagt Lütz. Er habe den Gedanken etwas „wunderlich“ gefunden, war aber einverstanden – und hat die „Kurze Einführung in das Christentum für alle“ kurz vor seinem Tod autorisiert.
Viel Glaube, wenig Kirche
Und was ist die Stärke des Buchs? „Wir erleben zurzeit eine unglaubliche Kirchenkrise“, sagt Manfred Lütz. „Was wir heute brauchen, ist deshalb nicht mehr Kirche, sondern mehr Christentum als Gegengift gegen den aufkeimenden Nationalismus, gegen die Verzweiflung der Klimaaktivisten und auch für Atheisten, die die christliche Wertegrundlage unserer Gesellschaft verstehen wollen.“ Und dafür sei das Buch genau richtig. Kirche, sagt Lütz, sei nur auf sieben Seiten Thema. Glaube auf allen.
Für Lütz ist Ratzinger ein hochmoderner Autor. „Er setzt sich bei der Gottesfrage mit moderner Philosophie und Naturwissenschaft auseinander, das sind keine Theologenphrasen“, sagt er. Deshalb ist auch alles Inhaltliche ungekürzt erhalten. Nur „die Diskussion theologischer Irrwege und alle Anmerkungen“ habe er gestrichen, sagt Lütz, Fremdwörter übersetzt und einiges gestrafft, so dass ein „mitunter funkelnder Text“ zum Vorschein komme.
Lesen könne den, sagt Lütz, „jeder, der lesen kann“. Und verweist auf seinen Friseurtest. „Ich habe einen tollen Friseur, dem gebe ich jedes meiner Bücher zuerst zu lesen“, sagt er. Was der nicht versteht, korrigiere er. Natürlich sei mancher Gedanke nicht ganz einfach, „aber es lohnt sich, auf 250 Seiten das ganze Christentum allgemeinverständlich erklärt zu bekommen“, sagt Lütz.
Deshalb eigne sich das Buch für den Religionsunterricht, die Firmvorbereitung, den Gesprächskreis in der Gemeinde, aber auch für die atheistische Nachbarin. „Die Menschen haben ernste, echte Fragen, da reichen keine Kalendersprüche, da braucht es Substanz“, sagt Lütz. Und die hat das Buch ganz sicher zu bieten. (Susanne Haverkamp)
J. Ratzinger/M. Lütz: Kurze Einführung in das Christentum für alle. Kösel, 256 S., 22 Euro