Redaktion der pilger

Mittwoch, 15. Mai 2024

Pfingsten – von Gott neu belebt werden

Der Geist weht, wo er will. Doch zeigt sich sein Wirken seltener im Sturmgebrause, sondern eher im leichten, sanften Windhauch. Foto: tota /AdobeStock.com

Ja, so ist Pfingsten: Die Jünger trauen sich was. Es treibt sie raus vor die Türen. Sie fangen an von Jesus zu erzählen. Sie werden von allen verstanden. Und sie feiern die ersten Missionserfolge. So schildert die Bibel das Pfingstereignis in der Apostelgeschichte.

Auch heute erleben wir in unserer Kirche solche beeindruckenden und begeisternden Pfingstmomente. Da haben sich vor wenigen Wochen tausende von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen während der 72-Stunden-Aktion für Projekte engagiert, die die Welt ein wenig besser machen, allein in unserem Bistum an 72 verschiedenen Orten. Wenn da kein Pfingstgeist zu spüren war, wo dann?

Im Frühjahr dieses Jahres sind unzählige Christinnen und Christen gemeinsam mit vielen anderen Menschen in unserem Land aufgestanden und haben ganz bewusst aus ihrem Glauben heraus gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit demonstriert. Manche haben dafür zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Demonstration teilgenommen. Die Bischofskonferenz hat einstimmig Position bezogen. Mit dem Pfingstfest startet unser Bistum zusammen mit der protestantischen Landeskirche eine große Initiative, mit der wir aufstehen wollen für Menschenwürde und Demokratie. Wird nicht auch in diesem eindeutigen Engagement für die zentralen Werte unserer Gesellschaft das Wehen des Heiligen Geistes spürbar?

Auch in der mittlerweile weltweiten Bewegung hin zu mehr Synodalität in der Kirche entdecke ich das Wirken des Gottesgeistes.Zum Glück dürfen wir immer wieder solche Erfahrungen in und mit der Kirche machen – hier bei uns und weltweit.

Trotzdem ist der Eindruck weit verbreitet, dass solche Pfingsterfahrungen (viel zu) selten geworden sind. Unsere gute alte Mutter Kirche ist müde geworden, nicht mehr so stürmisch und so charismatisch wie in ihren Anfangszeiten. Aber muss das Wirken des Gottesgeistes immer so spektakulär und so großartig ausfallen, wie es die Apostelgeschichte erzählt – und wie sich das viele auch heute wünschen?

Der Geist wirkt in Ereignissen aber ebenso im Alltäglichen

Im Johannesevangelium erleben wir Pfingsten ganz anders. Da erscheint Jesus nach seiner Auferstehung den Jüngern, die sich aus Angst vor den Juden hinter verschlossenen Türen verstecken. Plötzlich steht Jesus mitten unter ihnen. Zweimal wünscht er ihnen zunächst den Frieden. Dann heißt es: „Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ (Johannes 20,22).
Kein gewaltiger Sturm, keine spektakulären Feuerzungen, keine flammende Predigt des Petrus und auch keine begeisterten Massen. Diese Pfingsterfahrung ist ganz anders als die der Apostelgeschichte, ein schlichtes Hauchen und dann die Zusage Jesu: Empfangt den Heiligen Geist! Die BE-GEISTERUNG des Johannesevangeliums setzt eindeutig auf die leisen Töne.
Es ist sicher kein Zufall, dass der Evangelist im griechischen Urtext dasselbe Wort für dieses Hauchen Jesu benutzt, wie es die Bibel ganz am Anfang bei der Erschaffung des Menschen verwendet, wenn Gott diesem den Geist einhaucht (vgl. Genesis 2,7). Den Geist Gottes empfangen heißt also, von Gott neu beatmet, neu belebt werden.
Die lateinische Bibelübersetzung nutzt an dieser Stelle das Wort ‚insuflavit‘. Diese Vokabel dürfte den meisten Theaterbesuchern vom Souffleur her bekannt sein, der so unauffällig und so leise wie möglich den Schauspielern den Text ‚einflüstert‘, wenn sie steckenbleiben.

Im Johannesevangelisten zeigt sich das Wirken des Heiligen Geistes also nicht in spektakulären und großartigen Glaubenserfahrungen. Auch und vielleicht gerade dort, wo Christinnen und Christen mit Vertrauen und Ausdauer tagtäglich ihren Glauben ganz unspektakulär, aber überzeugt leben, dort wirkt der Geist Gottes.
Wenn Menschen in die Stille des Gebetes gehen, wenn sie im Gottesdienst Ruhe und Kraft tanken, wenn sie aus dem Wort der Heiligen Schrift ihren Alltag gestalten, wenn Haupt- und Ehrenamtliche sich von den kleiner werdenden Zahlen in der Kirche nicht entmutigen lassen, dann hat ihnen Gott seinen Geist eingeflüstert.

Leise aber doch kraftvoll – auch das ist Gottes Geist

Wenn wir als Kirche hier bei uns und weltweit mit Ausdauer und Geduld um Reformen und Erneuerung beten und ringen, wenn wir auch nach Enttäuschungen und Rückschlägen nicht die Hoffnung verlieren, dann wirkt darin der Geist Gottes – still und leise und doch kraftvoll.

Wenn wir ehrlich und konsequent in kleinen Schritten an der Aufarbeitung unserer Missbrauchsgeschichte arbeiten, uns dabei vom Leid der Betroffenen berühren lassen und alles dafür tun, dass so etwas in der Kirche und in der ganzen Gesellschaft nicht mehr passiert, dann wirkt da der Geist Gottes, auch wenn man das von außen noch nicht wahrnimmt. Pfingsterfahrungen sind nicht immer nur spektakulär und großartig. Sie sind auch, ja vielleicht sogar viel häufiger, ganz alltäglich und gewöhnlich, dort wo Gott uns seinen Heiligen Geist einhaucht.

Text: Markus Magin, Generalvikar des Bistums Speyer und Herausgeber des "Pilger"

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