Mittwoch, 01. Juni 2011
Den Sinn der Ehe neu vermitteln
Einführung der Scheidung auf Malta
Es ist eine historische Entscheidung, und manche Politiker sprechen bereits emphatisch davon, ein neues Malta sei jetzt geboren worden. Tatsache ist jedenfalls: Bald gehen in Sachen Ehe die Uhren auf dem kleinen Inselstaat genauso wie in allen anderen Ländern Europas, denn die Mehrheit der Wähler hat sich im Rahmen eines Referendums für die Einführung der Scheidung ausgesprochen. Was die Konsequenzen angeht, so gibt es trotz der schwachen Wahlbeteiligung nichts zu beschönigen: Für die katholische Kirche, die auf Malta Staatsreligion ist, stellt der Ausgang eine schwere Niederlage dar, zumal sie schon früh und mit Nachdruck dafür geworben hatte, mit „Nein“ zu stimmen. Vielleicht waren der Druck und das Engagement zu groß, denn immer wieder gab es Berichte über harsche Predigten von Priestern und über Vorfälle, bei denen Scheidungsbefürwortern sogar die Eucharistie oder die traditionellen Haussegnungen zu Ostern verweigert wurden.
Im Nachhinein ist festzustellen, dass solche Verhaltensweisen den Zielen der Kirche eher geschadet als genutzt haben. Selbstverständlich gilt für Katholiken nach wie vor uneingeschänkt: Die Ehe ist und bleibt unauflöslich. Und doch wissen auch Maltas Bischöfe, dass Ehen scheitern können und es dafür weltliche Regelungen braucht. Auch in dem katholischen Inselstaat ist nämlich diese engste Verbindung zwischen zwei Menschen leider nicht mehr das, was sie einmal war: Scheidungsbefürworter glauben, dass bis zu vier von zehn Ehen in Wirklichkeit gescheitert sind, auch wenn sich das Paar nicht scheiden lassen kann und sich dann eben „nur“ faktisch trennt. Statistisch sicher belegt ist jedenfalls, dass inzwischen jedes vierte Kind außerehelich geboren wird.
Vor diesem Hintergrund gilt es, realistisch und pastoral einsichtig zu sein. Die Entscheidung muss nämlich nicht automatisch die Zerstörung von Ehe und Familie nach sich ziehen, wie die Oberhirten es fürchten. Sie kann auch eine neue Chance bedeuten, den Sinn von Ehe und Familie neu zu vermitteln und verständlich zu machen sowie besonders bei jungen Leuten verstärkt für lebenslange Liebe und Treue zu werben. Mit anderen Worten: Jetzt kommt es entscheidend darauf an, wie die Kirche auf den Ausgang des Referendums reagiert. Sich enttäuscht und verärgert in den Schmollwinkel zurückzuziehen, wäre genau die falsche Konsequenz.
(Gerd Felder)