Donnerstag, 21. März 2024
Die Glocken fliegen nach Rom
Von Gründonnerstag bis Ostern schweigen die Glocken
Glocken können fliegen. Fragen Sie die Kinder oder die, die vor 50 oder mehr Jahren Kinder waren. Damals konnten Glocken fliegen, aber nur einmal im Jahr: Am Abend des Gründonnerstags in der Messe verstummten sie und flogen nach Rom, um sich dort den päpstlichen Segen abzuholen. Rechtzeitig zur Osternacht waren sie wieder da, um laut und voller Freude die Auferstehung Jesu zu verkünden. So erzählten es die Eltern oder Großeltern und erklärten damit das Verstummen der Glocken in der Messe am Gründonnerstag und ihr Schweigen an den folgenden Kartagen, bis sie in der Osternacht wieder erklingen.
Die Erklärung der Liturgie für die große Stille – denn auch die Orgel schweigt – liegt im Nacherleben der Passion Christi: der Gebetswache am Ölberg nach dem Abendmahl, der Gefangennahme, der Geißelung, dem Tragen des Kreuzes nach Golgotha und dem Sterben am Kreuz. Die Christenheit verharrt in tiefer, stummer Trauer bis zur Auferstehung. Das kindliche Gemüt dagegen malte sich das große Glockentreffen in Rom aus. Die Glocken der Heimatkirche würden dort etwa auf die neun Glocken des Kaiserdoms von Speyer treffen, auch die sieben Glocken der protestantischen Stiftskirche in Neustadt wären dabei. In Neustadt hängt mit einem Gesamtgewicht von 33 Tonnen das größte je gegossene Ensemble aus Gussstahl, darunter mit der Kaiser-Ruprecht-Glocke die größte Gussstahlglocke der Welt und die zweitgrößte Glocke Deutschlands nach dem „Dicken Pitter“ im Kölner Dom.
Etwas Besonderes ist auch das Glockenensemble in der Kirche St. Andreas in Landstuhl. Der Glockenturm stammt noch aus dem Mittelalter. Er war so marode geworden, dass das Geläut dauerhaft abgestellt werden musste. Hans-Josef Wagner wollte sich damit nicht abfinden. Ihm liegen die Glocken am Herzen. Er hatte schon als Kind beim Läuten helfen dürfen. Tatkräftig wurde er zum „Geburtshelfer“ eines neuen Geläuts. Im Mai 2011 gründete er zusammen mit einigen anderen Landstuhlern den Förderverein Glockenturm St. Andreas e. V., der in drei Jahren, zusammen mit den Fördermitteln der Stadt, genug für das Geläut zusammenbrachte. In der Glockengießerei Maria Laach wurden vier neue Bronzeglocken gegossen, gekrönt vom historischen „Silberglöcklein“ von 1809. Am 5. April 2013 erklang das Geläut zum ersten Mal, musikalisch abgestimmt nicht nur untereinander, sondern harmonierend mit allen anderen Glocken der Stadt.(pil)