Montag, 19. Februar 2024
Eine dramatische Entwicklung
Caritasverband berichtet von großen Herausforderungen bei stationärer Pflege
„Das System Pflege ist krank, es müsste neu gedacht werden“. Dies sagte Caritasdirektor Vinzenz du Bellier am 1. Februar bei der Jahrespressekonferenz des Bistums Speyer. Als Vertreter des Diözesan-Caritasverbandes vermittelte du Bellier Einblicke in die Caritasarbeit und benannte aktuelle Herausforderungen.
Beispielhaft berichtete Vinzenz du Bellier von der Allgemeinen Sozialberatung, zumal diese komplett aus Eigenmitteln, also letztlich aus der Kirchensteuer, bestritten werde und dieses Aufgabenfeld nicht staatlich refinanziert sei. Der Caritasdirektor sagte, dass an der Sozialberatung gut abzulesen sei, wie es den Menschen gehe und wie es um die Gesellschaft bestellt sei. „An dieser Stelle setzt sich die Caritas aktiv für Bedingungen für eine menschenwürdige Lebensqualität ein und engagiert sich nachhaltig im Kampf gegen Armut“, so Vinzenz du Bellier. Er sprach von einem deutlichen „Warnsignal“: Die Zahl der Beratungen nehme zu, ein Beleg der wachsenden Armut. Auch die Zahl der Wohnungslosen steige, dies sei abzulesen an der wachsenden Nachfrage nach Postlagerung. Hierbei fungiert ein Caritaszentrum vor Ort als Empfangsadresse für Menschen, die keine feste Wohnsitz-Anschrift mehr angeben können.
Gesetzgeber soll Leiharbeit in der Pflege endlich regeln
Eine besondere „Dramatik“ beschrieb Vinzenz du Bellier im Feld der Altenpflege: „Mit Blick auf die stationäre Pflege wird deutlich, dass immer mehr Menschen Pflegeunterstützung benötigen und benötigen werden, sodass Wartelisten bereits jetzt schon in unseren Häusern üblich sind. Gleichzeitig fehlt es an Personal. Daher müssen wir immer häufiger auf Fremdpersonal von Leasinggesellschaften zurückgreifen“.
Damit sind verschiedene Schwierigkeiten verbunden: Zum einen ist dieses Personal teurer, rund das 1,8-fache an Kosten im Vergleich zu eigenen Mitarbeitenden gibt die Caritas an. „Diese Mehrkosten werden nicht refinanziert und gehen somit zu unseren Lasten – was wir jedoch wirtschaftlich nicht verkraften“. Zugleich seien die Leiharbeitskräfte eine Belastung für die Einsatz- und Schichtplanung, weil sie nicht zu jeder Zeit arbeiten wollten. „Das macht die Planung kompliziert und fordert die Teams heraus“. Das Fazit der Caritas lautet, dass die Leiharbeit in der Pflege langfristig nicht leistbar sei. Es gebe nun regelmäßig Insolvenzen von großen Trägern der Altenpflege. „Andere Träger fahren den Betrieb der Heime runter“. Diese Anpassung an den eigenen Personalstand laufe dann der steigenden Nachfrage nach Heimplätzen zuwider. „Aus Sicht der Caritas wäre hier ein politischer Eingriff sinnvoll“. Dies betrifft aber nicht nur den Anteil der Leiharbeit. Sondern: „Einmal das ganze Pflegesystem komplett auf den Prüfstand stellen und neu machen, das wünschen wir uns“. Das Ziel müsse eine Pflegeversicherung sein, die „vollständig den Pflegeaufwand abdeckt und nicht eine schlechte Teilkasko-Versicherung ist“.
Um zumindest das Problem der Personalnot in der Pflege aktiv zu bekämpfen, setzt die Caritas auf eine Erhöhung der Ausbildungsquote. Aktuell gibt es im Pflegebereich 117 Auszubildende. Um dem Aufwand von Bürokratie und Dokumentation zu begegnen, laufe ein Digitalisierungsprozess, „mit dem wir unseren Mitarbeitenden ermöglichen, die Dokumentation per Smartphone oder Tablet direkt am Bett durchzuführen, eine deutliche Entlastung im Pflegealltag.“
Zukunfts-Investitionen in die Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit hat im Caritasverband für die Diözese Speyer Priorität. Positives konnte er vom Ausbau der Erneuerbaren Energien berichten: In insgesamt fünf Photovoltaikanlagen auf ihren Einrichtungen werde eine Leistung von 630 Kilowatt Peak (kWp) Sonnenstrom erzeugt. Zusätzlich zur Eigenerzeugung sei der Stromverbrauch durch den konsequenten Einsatz von LED-Lampen halbiert worden. Auch bei Abfällen, insbesondere Speiseresten, konnte eine deutliche Reduktion erreicht werden. Caritasdirektor du Bellier: „Wir wollen durch umweltfreundliches und sozial verantwortliches Handeln unsere Mitarbeitenden binden und unsere Arbeitgeberattraktivität steigern.“(is/hm)