Dienstag, 26. März 2024
Grenzstein, Feuer und Wein
Pfälzer Besonderheiten: Domnapf in Speyer – Kirchennapf in Lingenfeld
Den Domnapf in Speyer bestaunen Jahr für Jahr unzählige Gäste in der Domstadt. Bei Führungen wird dieses einzigartige Denkmal gerne den Touristen vorgestellt. Viele hören dann, dass es im Mittelalter ein Grenzstein war zwischen städtischem und kirchlichem Einflussbereich.
Noch mehr Speyer-Gästen bleibt bestimmt im Gedächtnis, dass in der Gegenwart der Domnapf bei besonderen Kirchenfesten eine Rolle spielt als „Trinkgefäß“. Bei runden Jubiläen, bei Bischofseinführungen und anderen Großereignissen wird aus der riesigen steinernen Schale Wein ausgeschenkt. Mehr als 1400 Liter passen in eine spezielle, hygienische Innenschale des Domnapfs. Deren Inhalt, ein „gutes Fuder weißen oder roten Weines“, geht an alle, die davon kosten möchten. Ausgeschenkt wird „zu des Volkes Lust und Fröhlichkeit“, wie es heißt. So will es die Speyerer Tradition.
Nur wenige Pfälzerinnen und Pfälzer hingegen wissen wohl, dass es ein paar Kilometer südlich von Speyer ein ähnliches Gefäß gibt, das auch zwei Funktionen hat: Vor der Lingenfelder Martinskirche steht ebenfalls ein Napf. Freilich ohne die alte Tradition des größeren „Bruders“ in Speyer, aber doch seit immerhin 20 Jahren. Wein wird auch dort ausgeschenkt. Seit 2013, dem Jahr der 950-Jahr-Feier Lingenfelds, immer Mitte September, wenn das Kirchweihfest begangen wird. Dafür sorgt dann das örtliche „Kerwewoi-Team“ unter Leitung von Heini Löffler.
Der Wein wird jeweils gespendet. Er fließt übrigens gratis in die durstigen Kehlen, die Gläser für den selig machenden Trauben-Genuss müssen gekauft werden. „Aber man kann sie jedes Jahr wieder mitbringen und füllen lassen“, sagt Bertram Steinbacher vom „Kerwewoi-Team“ schmunzelnd. In Speyer funktioniert das im Prinzip genauso.
Wie in Speyer gibt es in Lingenfeld besondere Termine, an denen der Kirchennapf als Weinspender zum Einsatz kommt: So wurde zur Einweihung der neugestalteten Dorfmitte 2004 und zur Weihe neuer Kirchenglocken erstmals Wein aus dem Sandsteintrog vor der Kirche ausgeschenkt. Dafür erhielt das von einem Steinmetz und einem Kunstschmied geschaffene Werk eine Edelstahlauskleidung mit Zapfhahn.
Eine Grenzmarkierung ist der Lingenfelder Martinus-Napf natürlich nicht. Und doch war der Kirchennapf in der Idee des ortsansässigen Architekten Reinhold Mack von vornherein als Multifunktionsobjekt geplant. Für Taufen unter freiem Himmel zum Beispiel. Oder als große „Feuerschale“: Im Lingenfelder Kirchennapf brennt nämlich zu Beginn der Osternacht am Abend des Karsamstags das Osterfeuer. Sie wird in diesem Jahr um 20.30 Uhr mit Weihbischof Otto Georgens gefeiert. An diesem Abend wird mit einer besonderen Zeremonie die große Osterkerze angezündet.
Zwar gibt es das Osterfeuer an Karsamstag auch vor dem Speyerer Dom. Doch nicht in der uralten „Domschüssel“. Sie wurde vermutlich 1294 errichtet, 1490 in heutiger Form gestaltet und ist erstmals für das Jahr 1314 bezeugt. Denn dazu ist das historische Speyerer Monument zu wertvoll und zu einzigartig. Und das übrigens weltweit. Im Dom wird die Osternacht um 21 Uhr mit Bischof Karl-Heinz Wiesemann gefeiert.(pil)