Mittwoch, 10. Mai 2023
„Kirche, bist du dabei?“
Missbrauchsbetroffene pilgern mit dem Fahrrad zum Papst
Die Pilgergruppe will Papst Franziskus ein Kunstwerk überreichen – und eine Botschaft senden.
Am Samstag bei der Langen Nacht der Musik war es so weit. Nach einigen Jahren wurde Michael Pendrys Kunstwerk „Heart“ wieder in München präsentiert. In der Herz-Jesu-Kirche konnten Besucher die Installation in einer Kombination mit Licht, Musik und Wasser halbstündlich pulsieren, pochen und bluten sehen.
Eine kleinere Version war da bereits unterwegs nach Rom. Das 20 mal 20 Zentimeter große Kunstwerk, befestigt auf einem Granitsockel, soll Papst Franziskus bei einer Audienz am 17. Mai überreicht werden.
Zusammen mit einem Brief gehört das Stück zum Gepäck einer Gruppe von rund 15 Missbrauchsbetroffenen und ihren Begleitern. Unter dem Motto „Wir brechen auf! Kirche, bist du dabei?“ sind sie vom Marienplatz zu einer Radpilgerreise in die Ewige Stadt aufgebrochen. Organisatoren sind Dietmar Achleitner, Richard Kick und Kilian Semel vom Betroffenenbeirat der Erzdiözese München und Freising sowie Robert Köhler von der Initiative „Wir-wissen-Bescheid.de“ des Vereins „Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer“.
Ein Stein ist im Rollen
Zur Verabschiedung gab’s den Reisesegen und die guten Wünsche von Generalvikar Christoph Klingan. Auch die Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats, Stephanie Herrmann, war gekommen sowie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Er würdigte die Initiatoren, die damit die Botschaft sendeten, dass die „Zeit des Wegschauens und Verschweigens“ vorbei sei.
Reiter räumte ein, dass auch die Stadt zu spät mit der Aufarbeitung von Missbrauch in städtischen Kinderheimen begonnen habe. Er versprach: „Wir werden offenlegen, wer welche Verantwortlichkeit gehabt hat.“ Wenn dies die Kirche ebenso mache, habe sie einen „unglaublichen Stein ins Rollen gebracht“.
In zehn Tagen wollen die Rad-Pilger, die allesamt T-Shirts mit dem goldenen Pendry-Herzen auf der Brust tragen, die 720 Kilometer und gut 4500 Höhenmeter schaffen. Zwischendurch werden sie steile Stücke mit der Bahn überwinden. Manch einer setzt von vornherein aufs E-Bike.
Nicht nur konditionsmäßig gilt es die Strecke zu bewältigen. Unterwegs sind immer wieder geistliche Impulse vorgesehen. Zudem will man sich mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzen. Ziel sei es, Veränderungen im Umgang mit Betroffenen sowie in der Aufarbeitung anzustoßen. Beim Stopp in Bozen am 8. Mai steht ein Austausch mit Vertretern der Diözese Bozen-Brixen auf dem Programm. Dessen Bischof Ivo Muser und der Münchner Kardinal Reinhard Marx haben bereits zugesagt. (Barbara Just)