Redaktion der pilger

Donnerstag, 08. August 2019

Glauben ist immer auch ein Wagnis

Wichtig ist die Offenheit für Gottes Gegenwart in unserem Leben - Gedanken zum Lukas-Evangelium 12, 35-40 von Pastoralreferentin Regina Mettlach

„An die Hebräer“ – in den ältesten Handschriften trägt der Hebräerbrief diese Überschrift. „An die Hebräer“, das meint, „an die Judenchristen“. Der Titel stammt nicht vom Verfasser der Schrift selbst , sondern kam im zweiten Jahrhundert dazu. Damals wurde die Schrift nachträglich den Paulusbriefen zugeordnet und steht dort an letzter Stelle. Man vermutete, das Schreiben stamme, wenn nicht von Paulus selbst, so von einem seiner Mitarbeiter, etwa von Barnabas oder Apollos. Da der Hebräerbrief sich in Form, Sprachstil und Theologie deutlich von den Paulusbriefen unterscheidet, ist man inzwischen von dieser Zuordnung abgekommen. Stil und Denkweise des Verfassers legen nahe, dass er ein griechisch gebildeter Judenchrist war, der das paulinische Gedankengut kannte. Man kann davon ausgehen, dass er der zweiten oder dritten christlichen Generation angehörte und als Lehrer in den Gemeinden tätig war. Einzelheiten im Text deuten auf eine Entstehungszeit zwischen 85 und 95 nach Christus.

Für seine Darlegungen schöpft der Verfasser aus dem griechischen Alten Testament sowie aus jüdischen und christlichen Überlieferungen. Er schreibt als Seelsorger, der lobt und tadelt, ermahnt und ermuntert, der neu zu einem lebendigen Christsein motivieren will und für ein Festhalten am Glauben wirbt. Die Mahnung zu einem neuen geistlichen Aufbruch durchzieht den ganzen Brief, denn der Verfasser wendet sich an Menschen, bei denen die Begeisterung des Anfangs verblasst ist und deren Glaube sich im Alltag und in der Normalität des Lebens bewähren muss.

Die Verse des vorliegenden Lesungsabschnittes sind dem „Glaubenskapitel“ des Hebräerbriefes entnommen. Am Anfang steht eine eher philosophisch-abstrakte Definition von Glauben. Dann erzählt der Verfasser von Glaubenszeugen aus der Geschichte Israels: Abel, Henoch, Noach, Abraham und Sara, Isaak, Jakob, Josef, Mose und Rahab. Damit wendet er sich auch an uns mit der Bitte, uns in diese Glaubensgeschichte einzureihen. Aber damit haben wir oft unsere Not. Nicht nur die Menschen damals waren im Glauben nachlässig, schwach, müde oder unsicher geworden. Auch bei uns treten Ermüdungserscheinungen zutage. Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen sich von der Kirche abwenden, sei es aus Protest und als Zeichen der Kritik, sei es aus Gleichgültigkeit gegenüber Glaubensdingen. Die einen sind von Amtsträgern der Kirche enttäuscht und kehren der Gemeinde den Rücken. Andere sind durch Schicksalsschläge bitter geworden. Wieder andere haben ihre Antenne für den Glauben verloren und sind einfach gleichgültig geworden. Und schließlich geistert immer noch das Gespenst herum, dass Glaube nicht Wissen sei und damit für ein sinnvolles Leben keine Grundlage bieten könne.
Glauben geht nicht immer leicht. So richtungsweisend unser Glaube an Jesus Christus auch ist, er erspart uns doch das Fragen und Suchen nicht. So sehr der Glaube uns in der Not eine Hilfe sein kann, so sehr scheint er uns in entscheidenden Momenten zwischen den Fingern zu zerrinnen. Nicht selten verlässt uns die Kraft, weil wir zweifeln, dass der Glaube überhaupt trägt. Da kann schon einmal die Frage auftauchen: Hat es überhaupt einen Sinn, zu glauben?

Glaube beginnt dort, wo wir nichts wissen. Es ist „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“, sagt der Hebräerbrief. Der Lesungstext führt Abraham als Vorbild im Glauben an, als Vater der Glaubenden. Das Alte Testament erzählt, was für ihn Glauben bedeutete: „Der Herr sprach zu Abram. Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. … Ein Segen sollst du sein. … Da ging Abram, wie der Herr ihm gesagt hatte“ (Gen 12,1–4).
Abrahams Aufbruch deutet der Hebräerbrief als Glaubensgehorsam gegen Gott. „Gehorsam“ ist abgeleitet von „Hören“. Gehorsam gegen Gott ist ein Hinhören auf das, was der Ruf an mich sein könnte. Ist es auch Gott, der mich sendet, so liegt es doch an mir zu gehen oder mich zu verweigern. Denn nicht zu „bleiben“, sondern mich auf den Weg zu machen, braucht Vertrauen und Mut.

Leben ist in gewisser Weise immer Abrahamswanderschaft. Abraham ließ los, was er fest im Griff hatte und zog einer Zukunft entgegen, die er noch nicht kannte. Wir wissen nicht, wo wir mit unserem Leben hinkommen. Unsere Lebensreise besteht aus größeren und kleineren Neuanfängen und entsprechenden Verabschiedungen. An diesen Knotenpunkten unseres Lebens gerät immer das Ganze des Lebens in den Blick. An diesen Schnittstellen sind wir auch offener für Gottes Gegenwart in unserem Leben.

Glauben – wie geht das? Wir können Glauben nicht lernen, wie Vokabeln. Der Glaubende lernt allein durch Glauben. Wir geben unser Leben als Pfand, ohne zu wissen, in welche Tiefen und Untiefen wir geraten. Glauben ist ein Abenteuer, ein Experiment. Misslingen und Scheitern, Stolpern und Fallen bleiben nicht erspart. Der Weg des Glaubens war immer schon ein Wagnis. Aber er war niemals unmöglich.

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