Freitag, 15. September 2023
Orientierung in bewegten Zeiten
Herausgeber Markus Magin: Rückschau auf 175 Jahre Speyerer Bistumszeitung – Wünsche für die Zukunft
Seit Juni 2022 ist Markus Magin Generalvikar des Bistums Speyer. Der Stellvertreter des Bischofs und Verwaltungschef im Bischöflichen Ordinariat ist zugleich Herausgeber von Pilger-Zeitung und Pilger-Magazin. Zugleich ist Magin als Generalvikar auch Gesellschaftervertreter in der Peregrinus GmbH, deren Eigentümer das Bistum Speyer ist. Damit ist der Speyerer Generalvikar erster Ansprechpartner für die Redaktion und die Geschäftsführung von Peregrinus gleichermaßen. Aus Anlass des 175-jährigen Jubiläums des "Pilger" äußert sich Markus Magin in einem Interview zur Kirchenzeitung der Katholiken dim Bistum Speyer.
Herr Magin, Sie haben eine enge persönliche Beziehung zum „Pilger“, richtig?
Ja, mit 16 Jahren war ich für sechs Jahre selbst Pilger-Austräger in meiner Heimatgemeinde Mutterstadt. Ich blieb das, bis es 1987 ins Theologiestudium ging. Eine Zeitlang habe ich auch als Autor gearbeitet und Berichte aus der Pfarrei Mutterstadt an die Redaktion geschickt. Der „Pilger“ kam zu uns ins Haus, er war ein ganz selbstverständlicher Teil der Zeitungslektüre. Damit bin ich groß geworden. Im Studium war „der pilger“ für mich – und auch für die anderen Priesterkandidaten – eine Brücke in unser Heimatbistum und eine wichtige Nachrichtenquelle. Durch die Kirchenzeitung erfuhren wir, was zu Hause passierte. Internet, E-Mail und so weiter gab es ja damals noch lange nicht. Später, als Pfarrer, blieb mir die Zeitung eine wichtige Informationsquelle. Zum Beispiel für die „Kirchenamtlichen Nachrichten“.
... jetzt als Generalvikar haben diese für Sie keinen Neuigkeitswert mehr, weil sie ja über Ihren Tisch gehen. Kommen Sie denn heute regelmäßig dazu, den Pilger zu lesen?
Als Herausgeber ist es mir sehr wichtig, regelmäßig die Zeitung und das Magazin zu lesen. Meistens blättere ich einmal durch. Später lese ich den ein oder anderen Beitrag gezielt.
Was bewegt Sie mit Blick auf die lange Pilger-Geschichte?
Zunächst ist es faszinierend, dass der Impuls zur Gründung von Kirchenzeitungen von unserem Bistum ausging. Darauf können wir stolz sein.
Die Zeitung hat auf mehreren Ebenen – politisch, kirchlich und diözesan – in bewegten Zeiten und in vielfältigen Herausforderungen publizistische Arbeit geleistet. Ich denke an die Kriegszeiten, die verschiedenen deutschen Staatsgründungen, die Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit. Kirchlich ist es eine weite Spanne von der Selbstvergewisserung der Kirche nach der Säkularisation, vom Kulturkampf über die Auseinandersetzung mit der Moderne bis zum Ringen über den Weg der Kirche im Zweiten Vatikanum. Mit Blick auf das Bistum spannt sich dieser Bogen von der Konsolidierung des Bistums nach dessen Neubegründung 1817 über die schwere Zeit des Nationalsozialismus bis zum Neuaufbau des Bistums nach 1945 und den Veränderungen des Konzils, die konkret vor Ort mit Leben gefüllt und umgesetzt werden mussten. All diese Entwicklungen hat „der pilger“ begleitet und mit bearbeitet und zu seinen Leserinnen und Lesern transportiert.
Unsere Kirche und das Bistum Speyer sind einem tiefgreifenden Veränderungsprozess unterworfen. Worin sehen Sie da Aufgaben kirchlicher Medien- und Öffentlichkeitsarbeit?
Die Aufgabe besteht ganz allgemein – und das gilt für den „Pilger“ mit all seinen Medien genauso –, eine ausgewogene Orientierung zu bieten, ausgerichtet an der Botschaft Jesu. Das ist wichtig, weil in der Kirche – wie im politischen Leben – die Ränder lauter werden.
Unsere Gesellschaft wird unübersichtlicher und komplexer. Mehr Wissen und Fakten, etwa in Medizin und Naturwissenschaften, tragen zu einer immer komplexeren Wirklichkeit bei. Zugleich werden die Stimmen in der Politik, die christliche Werte vertreten, leiser. Insbesondere auf politischer Ebene beobachte ich, dass sich immer mehr Menschen in Meinungs- Blasen abschließen und nur nach Selbstbestätigung suchen. Das ist eine große Gefahr für Gesellschaft und Kirche. Unsere Medienarbeit muss hier versuchen, diese Blasen aufzubrechen und Räume zu öffnen für Begegnung und Meinungsaustausch.
In einer immer stärker globalisierten Welt ist es zudem wichtig, auf die konkrete Situation vor Ort zu schauen. Das leistet die Kirchenzeitung, wenn sie vom Leben und der Lebendigkeit vor Ort berichtet und erzählt. So vermittelt sie Nähe und Heimat.
Ist bei den aktuellen Herausforderungen aus Ihrer Sicht „der pilger“ auf den richtigen Wegen unterwegs?
Ja. Unsere Kirchenzeitung leistet die Einordnung wichtiger gesellschaftlicher Ereignisse und Entwicklungen aus kirchlicher Sicht – und vor allem arbeitet sie an der Glaubensverkündigung mit. Der Pilger mit seinen Produkten vom Facebook-Auftritt bis hin zu Büchern ist wichtiger Teil eines unverzichtbaren Mixes von Medien, den wir als Kirche brauchen, um Kontakt zu Menschen zu schaffen und ihn zu pflegen.
Kirchliche Verlage kooperieren enger oder werden zusammengelegt, manche Kirchenzeitungen wurden oder werden eingestellt – sind solche Entwicklungen auch beim „Pilger“ für Sie vorstellbar?
Es braucht Kooperationen, keine Frage. Und über die Medienarbeit hinaus können und müssten die Bistümer noch weit mehr kooperieren. Ich glaube, dass es den „Pilger“ auch in Zukunft braucht. In welchen Formen und Erscheinungsweisen er auftritt, welcher Methoden sich Verlag und Redaktion bedienen, das wird uns die allgemeine Entwicklung in der Medienwelt vorgeben. Dass die Printmedien auf dem Rückzug sind, ist zuerst eine gesellschaftliche Entwicklung – an der wird sich aber auch ein kirchlicher Verlag orientieren.
Erhalten Sie Rückmeldungen über die Produkte aus dem Haus Peregrinus?
Kritische Rückmeldungen hat ein Generalvikar öfter auf dem Tisch. Aber das führt weit über den Bereich der Bistumszeitung hinaus. Auf das Magazin wird man immer wieder angesprochen, auch außerhalb des Bistums. Es erstaunt mich bisweilen, wo es überall zu finden ist und wo es angeboten wird.
Ich weiß von einer älteren Dame – sie wohnt mehrere 100 Kilometer weit weg von der alten Heimat –, dass für sie „der pilger“ ein treuer Begleiter ist und ein wichtiges Bindeglied ins frühere Lebensumfeld.
Was wünschen Sie dem Verlag und seinen Produkten für die Zukunft?
Zunächst möchte ich danken, und zwar einem Verlagsteam, das kreativ arbeitet und sich jeweils den Herausforderungen der Zeit stellt und damit immer wieder nach Wegen sucht. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist das Pilger-Magazin. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass die Kreativität des Verlages es ermöglicht, auch weiterhin Orientierung zu bieten, zur Glaubensweitergabe beizutragen und das kirchliche Leben im Bistum Speyer in seiner Breite und seiner schönen Vielfalt darzustellen. (Fragen: Hubert Mathes)