Donnerstag, 03. Februar 2011
Staat und Kirche in Deutschland
Eine Partnerschaft, die sich bewährt hat und tragfähig ist
Die besondere Partnerschaft von Staat und Kirche in Deutschland steht nicht vor ihrem Ende. Darüber waren sich der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof und der Züricher Philosophieprofessor Hermann Lübbe in München bei einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern einig. Doch wie wird sich die Beziehung künftig gestalten? Reicht eine Therapie oder braucht es einen radikalen Neuanfang?
Das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland ist ins Gerede gekommen. Angesichts einer veränderten gesellschaftlichen Situation werden bisherige Selbstverständlichkeiten zunehmend infrage gestellt. Die Folgen der Säkularisierung sind unübersehbar. Beide großen Kirchen schrumpfen seit Jahrzehnten. Wer austritt, zahlt auch keine Steuer mehr. Das sei selbst mit Ausgleichszahlungen nicht zu kompensieren, sagt Lübbe. Für ihn ist das Staatskirchenrecht ein zu schwaches Instrument, um die Entwicklung noch beeinflussen zu können. Einer engen rechtlichen Zuordnung der beiden Seiten gibt er keine Zukunft.
Kirchhof sieht dies als Jurist anders. Der Schwund der Kirchenmitglieder ist ihm nicht verborgen geblieben. Er warnt aber, aufgrund der derzeitigen Schwäche der Kirche das bewährte Miteinander in Frage zu stellen. Stattdessen sollte wieder bewusst werden, aus welcher historischen Entwicklung heraus das Staatskirchenrecht entstand und welchen Nutzen es hat. Nach der Weimarer Zeit und dem Zweiten Weltkrieg habe man es besser machen wollen, erinnert der Ex-Verfassungsrichter. So unterscheide sich das Grundgesetz von früheren Verfassungstexten durch seine Werteorientierung. Es müsste den Bürgern noch mehr deutlich werden, dass so viele heute selbstverständliche Rechte im Grunde christliche Errungenschaften sind: angefangen von der Gleichheit des Menschen bis zur Vertragsehe, in der zwei Menschen aus freiem Willen einen Bund eingehen.
Das Christentum ist deshalb für das Gelingen des freiheitlichen Staates unverzichtbar, wie Kirchhof betont. Dieser lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen könne und wofür er Institutionen wie die Kirchen benötige. Von Werten will der Philosoph Lübbe indes nichts hören. Auch wenn heute keine Politikerrede mehr ohne dieses Wort auskomme, so sei der Begriff falsch gewählt. Seit Aristoteles werde er im Zusammenhang mit der Ökonomie verwendet. Durch die Philosophenbrille betrachtet wäre dann wohl der viel gescholtene Satz von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, die Banker schafften als einzige noch Werte, doch nicht so falsch, kommt da der Zuhörer ins Grübeln. Lübbe spricht übrigens lieber von Tugenden oder auch von Gütern wie Wohlstand, soziale Sicherheit und Freiheit.
Zukunft der Kirchensteuer
Aber auch Tugenden lassen sich nicht verordnen. Staat und Kirche begegnen sich deshalb etwa im schulischen Religionsunterricht, um den jungen Menschen zur Religionsfreiheit zu befähigen und für sich eine Entscheidung zu treffen, sagt Kirchhof. Zudem verteidigt er die Kirchensteuer. Mit ihr verbunden sei die klare Mitgliedschaft und Zuge hörigkeit zur Kirche. Ein System wie in Italien mit der sogenannten Widmungssteuer, für das auch Papst Benedikt XVI. Sympathien zeigt, lehnt der Jurist ab. Dadurch entstehe ein Wettbewerb um den Steuerzahler. Für die Unterstützung des Kindergartens würden plötzlich die örtliche Kommune und die Kirche um die Gunst des Bürgers buhlen. Die Neutralität des Staats gegenüber der Kirche sei damit nicht mehr gegeben. Auch das sollte bedenken, wer Altes über Bord kippen möchte, mahnt Kirchhof.