Donnerstag, 28. Oktober 2010
Heute von Zachäus lernen
Wir müssen neugierig auf Jesus sein – ein Beitrag zum Bibel-Text im Lukas-Evangelium (19, 1–10) von Gemeindereferentin Barbara Sedlmeier.
Die Geschichte der Begegnung zwischen dem obersten Zollpächter Zachäus und Jesus begleitet mich Jahr für Jahr durch den Schulunterricht und die Erstkommunionvorbereitung. Wahrscheinlich ist auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dieses Evangelium sehr vertraut – beim ersten Satz wissen Sie wahrscheinlich schon, wie es weitergeht.
Zachäus – ein Mensch am Rande der Gesellschaft – ein Mann, der einen von Juden aus politisch-nationalen, rituellen und moralischen Gründen verachteten Beruf ausübte. Er zog als Zöllner Steuern für die verhasste Besatzungsmacht ein, ging mit Geld um, auf dem das Bild des Kaisers abgebildet war und das ein frommer Jude nicht berühren durfte. Und er bereicherte sich auch noch gesetzwidrig.
Von diesem Zachäus heißt es im Evangelium: „Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei ….“ (Lukas-Evangelium 19,3). Und genau auf dieser Aussage bleibt mein Blick heute hängen. Mit meinen Augen lese ich, dass dieser Oberzöllner von einer kritischen Neugierde angetrieben wird, von einer Sehnsucht, die er vielleicht gar nicht selbst begründen kann.
Die Menschenmenge, die sich angesammelt hat, versperrt ihm die Sicht. Zachäus ist klein, er fühlt sich nicht wohl in der Menge, sondern er steigt auf den Maulbeerfeigenbaum – vermutlich versteckt er sich etwas hinter den Blättern. Als Jesus an die Stelle kommt, schaut er hinauf, spricht ihn mit Namen an und lädt sich selbst bei ihm ein. Zachäus steht dazu, dass er ein Betrüger ist, er macht seine Schuld gut – es ist ihm eine Herzensangelegenheit. Jesus macht ihm keine Vorhaltungen, er verlangt nicht, dass Zachäus seinen Beruf aufgibt. Und nirgends wird erzählt, dass Zachäus Jesus nachfolgt wie etwa sein Kollege Matthäus. Dem Haus des Zachäus ist an diesem Tag das Heil geschenkt worden.
Wie kann ich heutigen Zachäusmenschen begegnen? Finde ich einen Zachäus auch in mir selber? Zachäusmenschen sind auf dem Weg, auf der Suche, voller Neugier. Sie haben ein unruhiges Herz und sind so offen, dass sie sich „beim Namen“ ansprechen lassen von Menschen, die sie nicht gering schätzen und denen sie nicht gleichgültig sind. Zachäusmenschen schwelgen nicht in religiösen Gefühlen bei großen kirchlichen Events (ich werte diese damit nicht ab!); sie sind eher zurückhaltend und „lugen durch die Blätter des Feigenbaumes“. Können sie Jesus in mir erkennen?
Das setzt meine Bereitschaft voraus, ein Stück des Weges mit zu gehen, sie zu begleiten und nicht Antworten zu geben auf Fragen, die nicht gestellt wurden. Ich muss sensibel sein für ihr Herzensanliegen. Und ich darf mich davon befreien, den „Zachäus heute“ überzeugen zu müssen, dass er sich meiner religiösen Praxis anpasst.
Lernen kann ich von einem „Zachäus heute“, dass ich Gott nicht im Griff haben kann, dass mein Reden von Gott nur vorläufig sein kann, dass Zweifel und das Erleben von Gottesferne ein Stück meines Lebensweges ausmacht. Es lohnt sich, sich von diesem Evangelium immer wieder ergreifen zu lassen, Zachäus näher kennen zu lernen und Jesu Handeln zu bedenken.