Donnerstag, 03. März 2011
Guttenberg: Bewerbung für zweite politische Karriere?
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten – Über Promotions-Affäre gestürzt
Es war ein Rücktritt, der praktisch nicht aufzuhalten war. Und es war ein Rücktritt, der ein Mal mehr klar machte, warum Karl-Theodor zu Guttenberg – inzwischen Ex-Bundesverteidigungsminister – nach wie vor als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands gilt. Er schafft es, selbst in der Niederlage wie ein Sieger auszusehen, auch wenn ihn nach eigenem Eingeständnis zumindest im Moment die Kraft verlassen hat.
Es wird genau dieses Eingeständnis sein, das in der Öffentlichkeit haften bleibt – weil es so nachvollziehbar ist. Ganz sicher gab es den Plan, die Affaire rund um seine Doktorarbeit einfach auszusitzen, wie das in der politischen Welt nicht unüblich ist. Aber dieser Plan ging nicht auf. Seit Wochen hielt sich das Thema hartnäckig in den Medien und wollte einfach nicht den Gesetzen der Mediendemokratie folgen, nach denen mehr oder weniger jede Aufregung irgendwann durch die die nächste abgelöst wird. Und es war wahrlich nicht so, als ob es nicht genügend Themen gegeben hätte, die dazu geeignet gewesen wären, die Causa Guttenberg aus den Schlagzeilen zu verdrängen.
Es funktioniert deswegen nicht, weil die Affaire in ihrem Ursprung keine politische Affaire ist und deswegen auch nicht den dort üblichen Gesetzen folgte. Im Kern ist von ihr der gesamte Betrieb der Wissenschaft betroffen, der mit Recht sehr viel auf seine eigenen Regeln hält, auf deren strikte Einhaltung angewiesen ist und für den Erhalt der eigenen Reputation es sich nicht leisten kann, dass so lax damit umgegangen wird, wie das im Fall Guttenberg offensichtlich passiert ist. Dabei geht es nicht nur um den Doktoranden Guttenberg selbst. Es geht auch um das System der Kontrolle und Bewertung dessen, was da im Namen der Wissenschaft passiert. Auch das hat im Fall Guttenberg versagt. Und zwar ganz unabhängig davon, ob man ihm nun bewusste Täuschung unterstellt, oder nicht. Rückt sein Doktorvater von ihm ab und reagiert nun die Uni allergisch, dann hat das nicht nur mit persönlicher und amtlicher Betroffenheit wegen eines Vertrauensbruchs zu tun. Der Fall legt auch offen, dass es im System der Kontrolle wissenschaftlicher Arbeiten offenbar peinliche Lücken gibt. Das tut dem Ruf der betroffenen Wissenschaftler, der Universität und im damit im Grunde dem gesamten Wissenschaftsstandort Deutschland alles andere als gut. Die akademische Welt verteidigt ihren Ruf mit Klauen und Zähnen verteidigen. Dieser Ruf ist ihr Kapital.
Und nicht nur ihr Kapital alleine. Denn diese Front beschränkt sich nicht auf den akademischen Elfenbeinturm. Sie reicht tief hinein in die Masse all derer, die ihre akademische Ausbildung mit viel Mühe, Zeit, Sorgfalt und Entbehrungen erwerben oder erworben haben. Für sie ist dieser meist hart erworbene Titel Investition und Kapital zugleich, den sie auf gar keinen Fall entwertet sehen wollen. Die Proteste dieser Klientel gegen zu Guttenberg schwollen in einer solchen Stärke an, dass der Fall dann eben doch noch die politische Dimension erhielt, die er jetzt genommen hat. Denn hier sind genau jene Wählerschichten vertreten, die ganz tief in das Potenzial der schwarz-gelben Koalition hinein reichen. Einen Glaubwürdigkeitsverlust können sich diese Parteien hier genauso wenig leisten wie auf der anderen Seite den Eindruck zu erwecken, zu schnell jemanden fallen zu lassen. Das ist auch der Hintergrund für die Haltung der Kanzlerin in dieser Frage, die übrigens nicht mehr allzu lange aufrecht zu halten gewesen wäre. Zu Guttenberg hat Angela Merkel nun erlöst – wenn sie nicht ohnehin schon länger wusste, dass der Schritt kommen würde.
Er war in der Tat überfällig, auch wenn es eine Zeitlang so aussah, als sei die Popularität zu Guttenbergs ein ausreichend starkes Bollwerk, um der selbst verschuldeten Affaire die Stirn zu bieten. Der Preis für weiteres Durchhalten wäre aber unweigerlich ein noch stärkerer Verlust politischer Glaubwürdigkeit und persönlicher Integrität gewesen. Dagegen hilft schon mittelfristig auch Popularität nicht, wenn sie nicht beim Populismus landen will. Das ist nicht Guttenbergs Weg.
Er tut gut daran, nun genau das zu tun, was er bei seinem Rücktritt angekündigt hat: Aktiv bei der restlosen Aufklärung der Vorwürfe gegenüber seiner Doktorarbeit mitwirken und langsam wieder Glaubwürdigkeit gewinnen. Nur dann hat zu Guttenberg die Chance für jene zweite politische Karriere, für die seine Rücktrittserklärung die Bewerbungsrede war.
(Stefan Dreizehnter)