Donnerstag, 05. August 2010
„Altes Recht ist nicht gleich schlechtes Recht“
Ende Juli berichtete das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ von neuen Sparplänen einzelner Landespolitiker bei sogenannten Dotationen an die Kirchen. Demnach sollen diese Zuschüsse der Bundesländer an die Kirchen auf den Prüfstand. Was sich hinter diesen alten Rechtsansprüchen verbirgt und wie die aktuelle Diskussion zu bewerten ist, erläutert Ansgar Hense vom Bonner Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands im Interview.
Herr Professor Hense, gegenwärtig sind die sogenannten Dotationen an die Kirchen Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Was genau ist unter diesem Begriff zu verstehen?
Dotationen oder Staatsleistungen, wie das Grundgesetz sie nennt, sind vermögensrechtliche Ansprüche insbesondere – aber nicht nur – der Kirchen gegenüber dem Staat. Dabei lassen sich Sach- und Personaldotationen unterscheiden.
Können Sie Beispiele dafür nennen?
Das Spektrum reicht von den vieldiskutierten Zuschüssen zu Bischofsgehältern bis hin zu Bau- und Unterhaltungsverpflichtungen. Zurückzuführen ist dies alles in allem auf einen Komplex nicht immer leicht zu entwirrender Rechtsgrundlagen. Da gibt es gesetzliche Grundlagen, kirchenvertragliche Abmachungen und örtliches Gewohnheitsrecht.
Das alles klingt nach einer langen Geschichte.
Die Ansprüche auf Dotationen reichen in der Tat weit in die Vergangenheit zurück. Ein Großteil basiert auf Zahlungsverpflichtungen aus der napoleonischen Epoche. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dehnte der französische Kaiser die Ostgrenze seines Reichs bis an den Rhein aus. Anschließend wurden zahlreiche deutsche Reichsfürsten für ihre Gebietsverluste durch inzwischen säkularisierte Kirchengüter jenseits des Rheins entschädigt. Im Gegenzug verpflichteten sich die Fürsten dann zu Dotationen. Später sind diese Bestimmungen dann nochmals auf andere Rechtsgrundlagen gestellt worden.
Wie errechnet sich heutzutage das Volumen dieser Dotationen?
Mittlerweile ist dies in der Mehrzahl der Fälle in Staatskirchenverträgen geregelt und wird pauschaliert. Dies wird Novation genannt. Ausgangspunkt für solche Novationen etwa der Personaldotationen ist ein fest umschriebenes Stellenvolumen zu einem bestimmten Zeitpunkt, wobei dies wesentlich unter den heutigen Dimensionen liegt. Um die Personaldotationen vor Entwertung etwa durch Inflation zu schützen, werden sie dynamisch an die Besoldungsstrukturen des öffentlichen Dienstes gekoppelt.
Welchen durchschnittlichen Anteil machen die Dotationen am Haushalt der deutschen Bistümer aus?
Die Frage lässt sich insofern nicht leicht beantworten, als dass es erhebliche Unterschiede zwischen norddeutschen und süddeutschen Bistümern bei den Zuschüssen gibt. Setzt man das Kirchensteueraufkommen, das ja unabhängig von den Dotationen den Kirchen zugute kommt, in Bezug zu den jährlich rund 460 Millionen Euro, die von den Bundesländern an Zuschüssen gezahlt werden, landet man vermutlich allenfalls bei einem einstelligen Prozentsatz.
Angesichts dieser Relationen und der schwer durchschaubaren Strukturen stellt sich für den Laien die Frage, warum solche Ansprüche überhaupt noch aufrecht erhalten werden.
Die Tatsache, dass es sich um teilweise sehr alte und komplexe Ansprüche handelt, reicht nicht aus, um das System infrage zu stellen. Altes Recht ist nicht gleich schlechtes Recht. Als Jurist habe ich nüchtern festzustellen, dass es verfassungsrechtliche Garantien gibt, die den Bestand der Staatsleistungen festschreiben, bis sie ordnungsgemäß abgelöst werden.
Die Sparpläne der Politiker laufen also ohne Zustimmung der Kirchen erst einmal ins Leere?
Einige Politiker erwecken den Eindruck, als reiche ein Federstrich des Gesetzgebers aus, um die bisherigen Staatsleistungen einzuschmelzen oder sogar ganz aufzukündigen. Das ist rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich nicht möglich. Aufhebungen sind nur dann denkbar, wenn eine Ablösungsentschädigung gezahlt wird. Für eine solche Aufhebung bieten sich insbesondere vertragliche Absprachen zwischen den Ländern und den Kirchen an – was schon des Öfteren geschehen ist. (Joachim Heinz/KNA)