Redaktion der pilger

Donnerstag, 02. September 2010

Ein Brief mit Langzeitwirkung

Das Evangelium sprengt soziale Barrieren

Beitrag von Studiendirektor i.R Theo Wingerter
zum 23. Sonntag im Jahreskreis
(Lukas-Evangelium 14, 25–33)

Vor einiger Zeit änderten so genannte „Dritte-Welt-Läden“ ihren Namen.  Nun tragen sie die Bezeichnung „Eine-Welt-Laden“.  Eine Spielerei mit Worten? Ich denke, dahinter verbirgt sich mehr, nämlich ein anderes Denken. Es soll deutlich werden, dass wir die  Welt nicht wertend einteilen dürfen in Staaten, die in ihrer industriellen und wirtschaftlichen Entwicklung anderen weit voraus sind, und in Staaten, von denen manche in großem Abstand hinterher hinken und eben nur eine Dritte oder gar Vierte Welt  darstellen. Aber unser Glaube sieht eine derartige Aufteilung der Welt nicht vor. Die Erde ist in ihrer Gesamtheit die eine Schöpfung Gottes, und wir gehören alle zu der einen Welt und tragen Verantwortung füreinander. 

Jahrhunderte dauerte es, bis der Grundgedanke der heutigen Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Philemon sich in der Welt durchsetzt, dass die Liebe Gottes Gegensätze überwindet. Eine ähnliche Überlegung hatte der Apostel bereits vorher formuliert: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid Einer in Christus“ (Galaterbrief 3, 28). Gegenüber Philemon, einem Christen  in Kolossä, den Paulus bei einem früheren Aufenthalt getauft hatte, wird am Einzelbeispiel erfahrbar, was dies in der Praxis bedeutet. Er bittet Philemon, der Herr und rechtmäßiger Besitzer des entlaufenen und rechtlosen Sklaven Onesimus ist, den Flüchtigen nicht zu bestrafen. So wäre es nach damaliger Auffassung rechtens gewesen. Er soll ihn gleichsam wie einen Bruder in Christus aufnehmen und ihn damit in die Freiheit entlassen.   Onesimus hatte sich  an den Apostel gewandt, war von Paulus getauft worden und hatte ihm gute Dienste geleistet. Ihn schickt Paulus  zu seinem Besitzer zurück. Beide vertrauen darauf, dass  die Botschaft des Evangeliums den Philemon so geprägt hat, dass er auf Rache gegenüber seinem Sklaven verzichtet.

Paulus rüttelt nicht an der damals rechtlich allgemein anerkannten  Praxis der Sklaverei. Nicht die Sklaverei war der Skandal, sondern die Flucht eines Sklaven wurde als skandalös empfunden. Aber Paulus sprengt  ein solches Denken von innen her auf. Durch den Glauben weist er in eine neue Zukunft und ist seiner Zeit weit voraus. Wenn ein Sklave  durch die Taufe vor Gott über die gleiche Würde wie sein Besitzer verfügt, dann ist  er nicht mehr Eigentum seines Herrn, sondern beide, Herr und Sklave, gehören  in gleicher Weise als Erlöste und Kinder Gottes zu Jesus Christus. Die in einer Gesellschaftsordnung Ungleichen  sind Brüder und Schwestern geworden. Wer zu einem neuen Leben in Christus befreit ist,  darf nicht mehr Sklave eines  Menschen sein.  

Jahrhunderte mussten noch vergehen, bis sich dieses Denken  in einer allgemeinen Rechtsauffassung niederschlug. Schließlich verstrichen noch einmal lange Jahre, bis die Überzeugung von der Würde eines jeden Menschen, gleich welcher Rasse und Religion er angehört, in den für alle geltenden Menschenrechten proklamiert und schließlich praktiziert wurden. Gehört die Versklavung von Menschen heute wirklich völlig der Vergangenheit an?  Oder hat sie vielleicht nur andere Formen angenommen?

Wer die Augen vor dem Nord-Süd-Konflikt nicht verschließt, entdeckt, dass die moderne Sklaverei nur in einer anderen Form auftritt. Die privilegierten Schichten des Nordens der Welt leben auf Kosten der Armen im Süden der Erde. Wo Rohstoffe und Früchte  aus Afrika oder Lateinamerika  zu Dumpingpreisen exportiert werden müssen, während gleichzeitig die Importe von technischem Gerät dorthin sich verteuern, tritt Sklaverei in einer verdeckteren Form auf und wird nicht mehr gegen Einzelne ausgeübt, sondern  betrifft breite Bevölkerungsschichten. Ähnliches gilt auch, wenn in Asien zu Hungerlöhnen unter menschenfeindlichen Bedingungen z.B. Gebrauchsgegenstände oder Teile von einfachen Industrieprodukten hergestellt oder  in Kinderarbeit Textilien angefertigt werden, um sie in Europa zu Billigstpreisen auf den Markt zu werfen.

Wo Christen, die durch Glaube und Taufe miteinander verbunden sind, aus der Liebe heraus handeln, verändern sie langfristig die sozialen Verhältnisse und tragen zu einer größeren Gerechtigkeit bei. Ihr Handeln wirkt hinein in eine Politik aus christlicher Verantwortung. Der  Brief des Paulus an Philemon, der  im konkreten Fall einen Weg aus der Sklaverei aufzeigt, führt zum Protest gegen ungerechte soziale Verhältnisse in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens und stellt die heutige Form der Globalisierung in Frage, wenn sie auf dem Rücken der Armen dieser Welt ausgetragen wird. Die Armgemachten  der Welt sind als Geschöpfe Gottes unsere Brüder und Schwestern, ob sie nun Christen sind oder einen anderen Glauben haben. Für sie tragen wir als Bürger der einen Welt Mitverantwortung.  

E-Mail: wingerter@khg-kl.de

Artikel teilen:

Weitere Nachrichten

20.12.24
Redaktion der pilger

Fernseh- und Radiogottesdienste an Weihnachten

Voll wie selten sind die Kirchen an Weihnachten. Wer lieber zuhause bleiben möchte,...
20.12.24
Redaktion der pilger

Lasst uns hüpfen

Vor Freude und Glück, dass Gott mit uns ist
20.12.24
Redaktion der pilger

Heute, jetzt

Jesus, der Retter, ist da. Er ist der Christus
20.12.24
Redaktion der pilger

Wo Leben ist, da ist Gott

Unsere „Schlüsselfrage“ heißt: Wo ist Leben drin?
20.12.24
Redaktion der pilger

Wird 2025 etwas ruhiger?

Ein Heiliges Jahr und ein neues Gesangbuch für die großen Kirchen
20.12.24
Redaktion der pilger

Die Könige kommen

Wertvolle Fresken in einer kleinen Kapelle in Essingen in der Südpfalz
20.12.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Viele Ereignisse im neuen Jahr

In der katholischen Welt wird 2025 vor allem als „Heiliges Jahr“ begangen. Das...
20.12.24
Redaktion der pilger

Ausdrucksstarke Figuren

Vor 100 Jahren wurden die ersten Figuren der Domkrippe gefertigt
19.12.24
Redaktion der pilger

„Aus Isais Baumstumpf wächst ein Reis hervor“

Der Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zum Weihnachtsfest 2024
18.12.24
Redaktion der pilger

Wer klopfet an?

Eine kunterbunte Adventsaktion für Familien in der Pfarrei Maxdorf
18.12.24
Redaktion der pilger

Lasst uns hüpfen

Vor Freude und Glück, dass Gott mit uns ist
18.12.24
Redaktion der pilger

Öffnung zu Weihnachten

In der Loreto-Kapelle kann wieder gebetet werden – Restaurierung geht weiter
12.12.24
Redaktion der pilger

Große Jubiläumsfeier eines Versprechens

Die Schweighofener haben in den Kriegswirren im Jahr 1944 mit ihrem damaligen...
11.12.24
Redaktion der pilger

Gottesdienst erinnert an Geburtstag von Carl Theodor

Eine Feier mit Musik aus der Zeit des Kurpfälzer Kurfürsten und prominenten Gäste...
11.12.24
Redaktion der pilger

Warum wir so gerne Plätzchen backen

Manche machen es alleine, andere treffen sich mit Freunden und Familie dazu. So...
11.12.24
Redaktion der pilger

Was sollen wir also tun?

Da sein für andere, alles vom Anderen und seinem „Heil-Sein“ her denken und tun
11.12.24
Redaktion der pilger

Das Heilige Jahr 2025

Bischof Wiesemann ruft die Gläubigen im Bistum zur Mitfeier auf
11.12.24
Redaktion der pilger

Stadionsingen vor dem Fest

Kirchen und Institutionen in Mannheim laden für 23. Dezember ein
09.12.24
Redaktion der pilger

Eine alte Tradition

Christdeihen sind ein Traditionelles WeihnachtsGebäck in der Südpfalz
09.12.24
Redaktion der pilger

Großartige Idee für die Ökumene

Ein ganz bedeutendes Jubiläum der gesamten Christenheit steht an: Im nächsten Jahr...
09.12.24
Redaktion der pilger

Objekte, die Geschichte erzählen

Beim Restauratorentag in Speyer gab es sakrale Gegenstände zu bestaunen sowie jede...
09.12.24
Redaktion der pilger

Jubiläum eines Versprechens

Feier mit Weihbischof Otto Georgens: 80 Jahre Schweighofener Gelöbnis
08.12.24
Redaktion der pilger
Pfarreien

„In jedem Fall hat der Staat das Leben zu schützen“

Das Jubiläum der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind ist am 8. Dezember mit...
06.12.24
Redaktion der pilger

Düstere Weihnachten

Der Tourismus im Heiligen Land leidet weiter unter dem Krieg. Kirchliche...
06.12.24
Redaktion der pilger

Zum zweiten Advent: Gottes Heil ist universal

Es war! Nicht: es war einmal…! Sondern es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des...
29.11.24
Redaktion der pilger

Advent am Dom zu Speyer

Raum für persönliche Andacht, Gottesdienste und Konzerte
27.11.24
Redaktion der pilger

Sehnsucht nach mehr Licht

In der Dunklen Jahreszeit spielt Licht eine wichtige Rolle
27.11.24
Redaktion der pilger

Rom macht sich schön für 2025

Zurzeit besteht Rom vor allem aus Baustellen. Doch im Heiligen Jahr, zu dem mehr...
27.11.24
Redaktion der pilger

Wach bleiben

Der Advent ist anders als wir ihn begehen
27.11.24
Redaktion der pilger

Witzig, warm, wertvoll

Ein Adventskalenderbuch für die ganze Familie
27.11.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Ein mitfühlendes Herz

für Untröstliche, Getröstete, Trostgebende und Neugierige
27.11.24
Redaktion der pilger

Ein Exot in der „Frauenwelt“ Kita

Gabriel Salzmann mag Menschen. Besonders Kinder liegen ihm am Herzen. Selbst wenn...
20.11.24
Redaktion der pilger

Viva Cristo Rey

Christus ist König, und seine Herrschaft ist Liebe
20.11.24
Redaktion der pilger

Engagierte Pioniere in Ausbildung

21 ehrenamtliche Frauen und Männer werden für Beerdigungsleitung in den Gemeinden...
20.11.24
Redaktion der pilger

Kritik von den Bischöfen

Vorstoß zu Straffreiheit bei Abtreibungen löst scharfe Reaktionen aus
20.11.24
Redaktion der pilger

Völkermord in Gaza?

Papst Franziskus plädiert für Untersuchung der israelischen Kriegsführung
20.11.24
Redaktion der pilger

Wunderbare optische Geschenke

Fotokünstler Horst Hamann über den Speyerer Dom – Buch, Kalender, Karten erschienen
19.11.24
Redaktion der pilger

"Sehnsucht nach Frieden ist drängender denn je"

Erstmals gab es in Freiburg eine Seligsprechung. Papst Franziskus schickte Kardinal...
14.11.24
Redaktion der pilger

Singen in netter Gemeinschaft

Die neue Seniorenkantorei der Dommusik erfährt großen Zuspruch
14.11.24
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

„Wir werden weniger und weniger haben“

Interview zum Vorschlag für künftiges Seelsorgekonzept
Treffer 1 bis 40 von 5344