Donnerstag, 26. Mai 2011
„Dialog ist der einzige Weg“
Experte für Krisenkommunikation gibt der Kirche Tipps zum Umgang mit gegenwärtiger Situation
Die katholische Kirche steckt in einer schweren Krise: Im vergangenen Jahr haben ihr rund 180000 Katholiken den Rücken gekehrt. Das sind gut 50000 Austritte mehr als im Jahr 2009. Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, reagieren darauf häufig mit neuen Kommunikationsstrategien oder Imagekampagnen. Kommunikationsexperten wie Kai vom Hoff haben sich auf solche Fälle spezialisiert. Ob sich ihre Ratschläge auch auf die Kirche übertragen lassen, erläutert er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur in Düsseldorf.
Herr vom Hoff, die katholische Kirche steckt besonders seit den Missbrauchsfällen in einer Krise. Im Rückblick: Was haben die Verantwortlichen im vergangenen Jahr falsch gemacht?
Bei der Krise muss man unterscheiden zwischen dem Ereignis, das eingetreten ist, und der Kommunikation. Das Ereignis hat viele Menschen berührt, die Kommunikation lief schleppend, zögerlich und nur auf Anfrage. Die Menschen, die ein Anrecht auf Informationen über das Geschehene hatten, sind zu spät und nicht umfassend informiert wurden. Die Glaubwürdigkeit der Institution Kirche war dadurch massiv betroffen, und das hat die Krise zusätzlich verstärkt.
Was kann die Kirche tun, damit nicht noch mehr Menschen austreten?
Die Kirche sollte sich Gedanken darüber machen, was die wahren Gründe für die Austritte sind. Liegt es wirklich an den Missbrauchsfällen oder daran, dass die Kirche die Menschen nicht da abholt, wo sie stehen. Eine entscheidende Frage ist, was die Menschen von der Kirche erwarten. Wie nah ist sie dran an dem, was Menschen fühlen und empfinden? Wird die Kirche in ihrer Rolle als Sinnstifter und Orientierungshelfer überhaupt noch wahrgenommen? Ich denke, das ist bei vielen eher nicht der Fall.
Warum gelingt es der Kirche Ihrer Meinung nach oft nicht, die Menschen zu erreichen?
Die Kirche ist sehr stark mit sich selbst beschäftigt. Sie ist in ihrer Organisation und auch in ihrer Kultur häufig inflexibel, und dadurch sind Veränderungen schwer umsetzbar. Ich glaube aber, dass die Kirche sich beeilen muss. Es braucht einen Veränderungsdruck innerhalb der Organisation, sonst laufen womöglich noch mehr Mitglieder weg. Das könnte tatsächlich zu einem Desaster führen. Am Ende wäre die Kirche eher etwas für eine Randgruppe der Gesellschaft. Und das ist bestimmt nicht die Rolle, die sie wirklich einnehmen möchte.
Was raten Sie als Experte der Kirche zur Imageverbesserung?
Mit einer Imagekampagne, so wie wir sie von Unternehmen kennen, die für ein Produkt, für Butter oder ein T-Shirt werben, ist das Problem nicht zu lösen. Die Menschen wünschen sich, dass sich die Kirche der Auseinandersetzung stellt, Antworten findet und diese auch kommuniziert. Eine Kampagne wäre Einbahnstraßenkommunikation.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Dialogprozess der katholischen Kirche?
Dialog ist der einzige Weg, dieser Krise zu begegnen. Er muss offen und ehrlich geführt werden und transparent sein. Nur so kann es gelingen, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Wichtig wäre es für die Kirche, diesen Dialog noch stärker zu personalisieren. Es braucht jemanden, der den Prozess vorantreibt und sagt, ich stehe dafür, dass wir diesen Dialog glaubwürdig und dauerhaft führen.
Wie könnte ein solcher Dialog konkret aussehen?
Die Kirche sollte sich beispielsweise bei den sozialen Netzwerken im Internet sehr stark einmischen, denn hier findet wahrhaftiger Dialog statt. Dadurch könnte die kritische Auseinandersetzung fast schon heilende Kräfte entwickeln, weil auch positive Argumente zu Wort kommen und nicht nur unentwegt auf die Kirche eingedroschen wird.
Welchen Themen sollte sich die Kirche besonders zuwenden?
Die Kirche muss in die Zukunft schauen. Ein zentrales Thema ist die Frage, welchen Stellenwert Kirche für junge Menschen hat. Die Shell-Jugendstudie hat gezeigt, dass Jugendliche von der Institution Kirche nicht allzu viel halten, das stimmt natürlich bedenklich. Aber gerade in einer Zeit, in der viel Orientierungslosigkeit herrscht, käme es gut an, wenn sich die Kirche intensiv den jungen Menschen zuwenden würde. Aber ohne sich anzubiedern – man muss nicht plötzlich anfangen, Rap-Musik zu spielen oder sich zu verfälschen. Wichtig ist es, authentisch zu sein.
Inwiefern können sich Großereignisse wie der Papstbesuch positiv auf das Image der Kirche auswirken?
Solche Ereignisse sind charismatische Auftritte und haben immer ein bisschen was von Popkonzert und von Gemeinschaft. Das erzielt natürlich eine Wirkung, gerade weil eben diese Gemeinschaft ein ganz entscheidendes Argument für die Kirche ist. Insofern wird auch der Papstbesuch einen positiven Imageeffekt haben.
Was unterscheidet die Kirche als moralische Instanz von den wirtschaftlichen Unternehmen, die Sie sonst beraten?
Die Kirche hat kein Produkt, das sie zum Markt trägt und verkauft. Die Kirche verkauft nicht, sie überzeugt. Das ist ein entscheidender Punkt in der Frage der Kommunikation: Ich muss nichts verkaufen, sondern ich will überzeugen – und das gelingt nur, wenn ich auf offene Ohren stoße und die Menschen tatsächlich mitnehme. Sie müssen überzeugt sein von der Botschaft, die ich ihnen zu übermitteln habe.
Welche Beziehung haben Sie persönlich zur Institution Kirche?
Ich halte davon eine Menge. Ich selbst und auch meine Kinder sind in der Kirche. Ich empfinde diese Wertegemeinschaft als enorm wichtig. Meiner Meinung nach sollte die Kirche wieder eine größere Rolle in unserer Gesellschaft spielen, und ich bin sicher, dass ihr das gelingen wird.
(Interview KNA)