Dienstag, 04. April 2023
„So viele Farben und Formen: das ist doch ein Gottesbeweis“
Zu Ostern ein Blick auf die Jesus-Symbolik der Passionsblume
Sie sei im Bischofshaus die Frau für alle Fälle, sagt Schwester Dominika Meier über sich. Die Franziskanerin führt den Haushalt des Augsburger Oberhirten Bertram Meier. Trotz desselben Namens ist die 62-Jährige mit ihrem Chef nicht verwandt - aber sehr um dessen Wohl bemüht. Dazu zählt auch die Sorge um den Blumenschmuck - ein Herzensthema der Schwester. So hat sie im Kloster Maria Stern in Augsburg einen Bibelgarten mit Pflanzen mit Bezug zur Heiligen Schrift angelegt. Jetzt vor Ostern hat die Ordensfrau besonders ein Gewächs im Blick: die Passionsblume. Was an der so faszinierend ist, verrät sie im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
KNA: Schwester Dominika, die Passionsblume passt dem Namen nach bestens zur aktuellen Karwoche, in der Christen der Kreuzigung Jesu gedenken. Warum heißt sie so?
Schwester Dominika: Zunächst einmal: Es gibt nicht die eine, sondern gleich Hunderte Arten von Passionsblumen. Die meisten stammen aus Lateinamerika. Hierzulande ist wohl die Blaue Passionsblume die bekannteste Art. Sie ist reich an Symbolik mit Bezug zum Tod Jesu am Kreuz. Die fünf Staubblätter lassen sich etwa als die fünf Wundmale Jesu lesen. Die drei Griffel erinnern an die drei Nägel, mit denen der Gottessohn ans Kreuz geschlagen wurde. Die Strahlenkrone der Blüte, den sogenannten Nektarienkranz, kann man mit Jesu Dornenkrone vergleichen. Die zackenartigen Laubblätter stehen für die Lanze, mit der man Jesus in die Seite stach.
KNA: So viel Sinnbildlichkeit in einer kleinen Blüte!
Schwester Dominika: Warten Sie, es kommt noch mehr! Die zehn Blütenblätter stehen für jene zehn Jünger, die bis zuletzt an Jesu Seite geblieben sind - Judas hatte ihn ja verraten und Petrus ihn verleugnet. Und schon die Ausbildung des Blütenknotens bietet Symbolik: Man kann darin den mit Essig getränkten Schwamm erkennen, den die römischen Soldaten Jesus am Kreuz gereicht haben. Ach ja, und die Ranksprossen werden bisweilen noch als die Geißel Jesu gedeutet. Die Passionsblume ist also sozusagen das Gleichnis der Marterinstrumente Jesu. Benannt wurde sie übrigens von jesuitischen Missionaren in Paraguay.
KNA: Sie sagten, die Passionsblume sei ein tropisches Gewächs. Sie aber kultivieren ein Exemplar draußen im Bischofsgarten. Wie überlebt die Blume den bayerischen Winter?
Schwester Dominika: Sie steht recht windgeschützt an einer Wand. Auch links und rechts sind wärmende Steinmauern nicht weit. Ansonsten ist die Blume hart im Nehmen. Das Einzige, was sie unbedingt braucht, ist eine Kletterhilfe. Ich habe sie vor zwei Jahren im Supermarkt gekauft, seither ist sie kräftig gewachsen, obwohl sie nur ein kleines Loch im Pflasterboden bekommen hat. Besonders gedüngt und gegossen wird sie auch nicht - und trotzdem blüht sie immer herrlich und hat sogar schon Früchte ausgebildet. Die Passionsblume ist eben auch ein Symbol für die Kraft des von Gott geschaffenen Lebens. Dazu passt, dass die Pflanze in ihrer Heimat ein wichtiges Nahrungsmittel ist.
KNA: Inwiefern?
Schwester Dominika: Die Früchte sind essbar. Sie enthalten unter anderem die Vitamine C und B2, außerdem Kalium und Eisen. Gerne nimmt man sie als Maracujasaft zu sich - den sollte man jedoch mit Wasser verdünnen, weil er stark säurehaltig ist, was zu Bauchweh führen kann. Auch an dieser Stelle lässt sich wieder Symbolik hineinlesen: Das Schöne ist im irdischen Leben immer mit dem Schmerzhaften verbunden, das war selbst für den Gottessohn nicht anders.
KNA: Auffällig ist an der Blume ja auch ihre beinahe schrille Farbgebung. Verbinden Sie damit auch etwas?
Schwester Dominika: Nicht mit Jesus. Aber an meine Mutter muss ich dabei oft denken. Die hat immer gesagt: „Wenn du nicht weißt, was du anziehen sollst, schau in die Natur - da passt alles zusammen!“ Recht hat sie. Es gibt ja diesen Spruch: „Grün und blau - isch dem Kaschper sein' Frau.“ Falsch! Die Passionsblume hat lauter angeblich nicht zusammenpassende Farben. Aber die sieht doch fantastisch aus. Und dazu diese skurrilen Formen! Über die Blüte haben wir ja schon gesprochen. Aber Sie müssen auch mal diese sprungfederartigen Rankspiralen betrachten, mit denen die Blume in die Höhe klimmt. So viele Farben und Formen - das ist doch ein Gottesbeweis!
KNA: Haben wir nun irgendeine Symbolik ausgelassen?
Schwester Dominika: Ach, ich könnte noch Stunden erzählen. Diese tolle Blume begeistert mich einfach, denn das ist etwas, das der Mensch nicht nachmachen kann, da hilft auch keine künstliche Intelligenz. Folgendes noch: Die Passionsblume blüht bloß einen Tag, die Pflanze lebt aber weiter. Für mich ist das die Mahnung, auch in Momenten des Zweifels an Christus festzuhalten. Er ist immer bei mir, auch wenn ich ihn einmal nicht wahrnehme. Man kann's auch so sehen: Die wunderbaren Blüten vergehen rasch - aber aus ihnen werden köstliche Früchte. Unser Leben auf Erden ist auch endlich – danach aber folgt das Paradies. Die Passionsblume ist für mich ein Vorgeschmack darauf. (Interview: Christopher Beschnitt/Katholische Nachrichten-Agentur)