Mittwoch, 16. September 2015
Sozialkaufhäuser sind eine gute Investition für die Menschen
Caritas stellt Wirkungs-Studie im Warenkorb St. Ingbert vor – Arbeitsministerin fordert Umdenken in der Bundespolitik und will Saarland als Modellregion für öffentlich geförderte Beschäftigung
St. Ingbert. „Es heißt immer, was sozial ist, kostet den Steuerzahler nur Geld. Wir wollten wissen, ob das wirklich stimmt.“ So begründete der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Speyer, Karl-Ludwig Hundemer, am Freitag bei einem Podiumsgespräch im Sozialkaufhaus Warenkorb in St. Ingbert eine Studie, die die Caritas in Auftrag gegeben hatte. „Wir wissen, dass es langzeitarbeitslosen Menschen besser geht, wenn sie eine Beschäftigung haben. Durch die Studie wissen wir nun aber auch, dass sich das für die öffentliche Hand rechnet und eine gute Investition ist.“
Das Ergebnis der so genannten Wirkungs-Studie: Geld, das die Job-Center in Maßnahmen für langzeitarbeitslose Menschen stecken, fließt komplett in die Gesellschaft zurück. Dieser so genannte SROI, der als „Social Return on Investment“ bezeichnete Effekt belegt nicht nur die Wirtschaftlichkeit von sozialen Investitionen, sondern auch einen sozialen Mehrwert für die Betroffenen und die Gesellschaft.
„Mich überraschen die Ergebnisse der Studie nicht“, sagte die Wirtschaft- und Arbeitsministerin des Saarlandes, Anke Rehlinger, bei dem Podiumsgespräch. „Wir wissen, dass sich Investitionen gegen Arbeitslosigkeit lohnen, auch wenn wir bisher eine solche Studie nicht vorliegen hatten.“
„Beschäftigungsmaßnahmen für langzeitarbeitslose Menschen sind nicht teurer sind als Arbeitslosigkeit. Zusätzlich steigt die Lebensqualität und es gelingt, Menschen in Arbeit zu bringen.“ Zu diesem Ergebnis kommt die so genannte SROI-Studie. Die Firma xit aus Nürnberg, ein Forschungsunternehmen der Sozialwirtschaft, hat für die Caritas untersucht, wohin das Geld fließt, das die Job-Center in Maßnahmen für langzeitarbeitslose Menschen stecken. Forschungsobjekt waren die Sozialkaufhäuser des Caritasverbandes. Dort arbeiten vom Job-Center geförderte Menschen und erfahren neben beruflicher Qualifizierung auch gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe.
„Zum einen gibt es Rückflüsse in Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, zum anderen steigt die Lebensqualität der Teilnehmer, die etwas Sinnstiftendes tun und Wertschätzung erfahren“, skizzierte Britta Wagner von xit. „Man muss aber feststellen, dass sich die Bundespolitik mit ihrer Instrumentenreform gegen diese Gruppe der Langzeitarbeitslosen positioniert hat“, sagte Wolfgang Biehl, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Saar, das selbst erst vor kurzem ein Sozialkaufhaus schließen musste, weil es nicht mehr finanziert werden konnte. „Wir müssen doch grundsätzlich fragen, warum es Sozialkaufhäuser und Tafeln gibt. Warum braucht unsere Gesellschaft so etwas mittlerweile? Und wenn wir das brauchen, warum kann die Politik dann nicht für Rahmenbedingungen sorgen, dass wir diese Angebote auf solide Füße stellen?“
Die Sozialdezernentin des Saarpfalz-Kreises und Geschäftsführerin der „Arbeit und Qualifizierung im Saarpfalz-Kreis GmbH“ Ulrike Zawar sieht hier die bundespolitische Gesetzgebung am Zug. „Wir wissen um die Probleme, die für Menschen entstehen, die innerhalb von fünf Jahren nur eine zweijährige Maßnahme bewilligt bekommen können“, sagte sie. „Für diese zwei Jahre haben diese Menschen eine Tagesstruktur und eine Aufgabe. Danach sitzen sie wieder zuhause und fallen oft in ein tiefes Loch.“
„Arbeit ist sinnstiftend. Aber die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt sind so komplex, und die Preise, die uns Kunden diktieren so niedrig, dass wir als Arbeitgeber kaum Möglichkeiten haben, gering Qualifizierte bei uns zu beschäftigen“, bedauerte Wolfgang Herges, Vizepräsident der IHK. „Im Grunde gibt es heute keine einfachen Tätigkeiten mehr.“
Einig waren sich die Teilnehmer des Podiumsgespräches darüber, dass es auch für Menschen, die sich aufgrund von so genannten Vermittlungshemmnissen weit weg vom ersten Arbeitsmarkt befinden, Beschäftigungsmöglichkeiten geben muss. Nicht ganz einig waren sie sich über die Frage, wie das organisiert werden kann. „Wir sollten nicht reden über einen zweiten oder dritten Arbeitsmarkt“, forderte Biehl vom Diakonischen Werk. „Es muss einen öffentlich geförderten Teil im ersten Arbeitsmarkt geben.“
„Aus der Sicht der Caritas kann das nur über einen öffentlich finanzierten dritten Arbeitsmarkt gehen“, so hingegen Caritasvorsitzender Hundemer. Dass das nicht teurer sei, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren, habe die Studie gezeigt.
In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Ministerin Rehlinger: „Unser Kommunique für öffentliche Beschäftigung und unsere Bewerbung um eine Modellregion Saarland zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit sind für mich hochaktuell“, so Rehlinger. „Wir fordern von der Bundespolitik unsere Zulassung als Modellregion.“ Das Saarland sei das einzige Bundesland, in dem man das flächendeckend machen könnte, und alle relevanten Partner seien schon mit im Boot und wollten das auch. „Die Kirchen, das Wirtschaftsministerium, der Landkreistag Saarland, der saarländische Städte- und Gemeindetag, der DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Saar, die Landesarbeitsgemeinschaft Beschäftigung und Qualifizierung Saarland und die Arbeitskammer – alle wollen es“, betonte Rehlinger. „Ich bedauere es sehr, dass in Berlin die Entscheidung für die Modellregion Saarland nicht gefallen ist.“
Das Podiumsgespräch wurde moderiert von Andreas Heinz, dem Leiter des Caritas-Zentrums Saarpfalz. Das Fazit aus dem Podiumsgespräch und den Ergebnissen der Studie des Caritasverbandes für Ministerin Rehlinger: „Aus SROI nehme ich heute mit, dass Soziales sich finanziell und menschlich lohnt.“
Text/Foto: Caritasverband Diözese Speyer
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