Donnerstag, 25. Juni 2020
Gedanken zum Evangelium nach Matthäus 10,37-42
Folgende Geschichte kam mir zum heutigen Evangelium in den Sinn:
Ein unsichtbares Netz
Es war einmal eine Gemeinde, die versuchte wie ein unsichtbares Netz unter allen Häusern und um alle Straßen der Pfarrei zu sein, damit niemand durchfalle. Das ging auch lange gut, weil viel guter Wille vorhanden war. Selbst verbrauchte Fäden im Netz ließen sich durch neue ersetzen und lockere Knoten fester knüpfen.
Aber eines Tages waren die Fäden und Knoten des Netzes selbstbewusst und anspruchsvoll geworden, manche auch eigensinnig. Da konnte man dann folgendes hören: „Wir Fäden hier am Rand sind ohnehin nicht die Wichtigsten“, meinten einige. Mir passt die Verknüpfung nach links und rechts gar nicht“, maulten andere und lösten sich. Dann tönte der Ruf: „Netze sind 'out'. Angeln ist 'in'!“ Viele Fäden lösten sich und versuchten es im Alleingang.
Nun wies das Netz bedenkliche Risse auf. Da warfen die stärkeren Fäden und Knoten den schwachen Unfähigkeit vor und ließen sie los. Die Müden forderten öfter eine Pause, aber die Unermüdlichen drängten sie ständig. Die Leisen störten sich an den Lauten, und die Stillen rieben sich an denen, die sich in den Vordergrund drängten. Die neuen Fäden und Knoten beanspruchten bestimmte Plätze, die alten hingegen pochten auf Vorrechte. Schließlich wollte auch nicht mehr jeder nur ein Faden im Netz sein.
Da zerriss das Netz mitten entzwei.
Wie in der Geschichte, haben sich auch in unserer Pfarrei zahlreiche Menschen mit unterschiedlichen Begabungen und Talenten auf den Weg gemacht, um zusammen zu wachsen und um ein festes, unsichtbares Netz zu knöpfen. Dieses Netz soll alle umfangen und jedem einzelnen Schutz und Geborgenheit schenken. Da diese Aufgabe sicherlich nicht einfach und leicht ist, könnte man behaupten, sie sei eine Bürde oder eine Last. Doch genau dadurch begeben wir uns direkt in die Nachfolge Jesu. So wie Er damals aus bedingungsloser Liebe zu den Menschen das Kreuz auf Seine Schulter nahm, so versuchen wir es Ihm gleich zu machen und tragen Sorge und Verantwortung für unsere Nächsten. Der erste Schritt wurde getan und das Hier und Jetzt zählt!
Doch sollten wir in der Nachfolge Jesu Seine Worte und Seine Taten nicht vergessen. Denn unabhängig von unserem gesellschaftlichen Status oder unserer sozialen Herkunft, sind wir doch vor Gott alle gleich, was bedeutet, dass wir uns wollwollend, unterstützend und respektvoll begegnen sollen. Die „geringsten Dienste“ untereinander und aneinander sollen unser unsichtbares Netz verdichten und es stärker werden lassen. Denn „wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, der wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.“ (Mt 10,42) Weiterhin heißt es auch im Matthäusevangelium: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt 25,35-36)
Ich lade ganz herzlich dazu ein, in sich zu gehen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Auf welche Art und Weise kann ich durch mein Denken und Handeln zu meinem eigenen, aber gleichfalls zum Wohle aller beitragen? Wie kann ich für meinen Nächsten zu einer Quelle werden, die ihm frisches Wasser spendet? Bin ich letztendlich dazu bereit, das unsichtbare Netz, das uns alle verbindet, im Sinne Jesu und in Seiner Nachfolge aufrecht zu erhalten?
Martin Dyjecinski, Gemeindereferent
Ein unsichtbares Netz – Quelle: Unbekannt
Aus: In Geschichten das Leben spiegeln, für Gottesdienst, Schule und Gruppe,
Willi Hoffsümmer, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz
Foto: Martin Dyjecinski
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