Montag, 01. August 2022
Grußworte August 2022
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich halte das kleine Probierglas gegen das Licht und betrachte gespannt und höchst aufmerksam das Farbenspiel. Ich schwenke vorsichtig das Glas und beobachte konzentriert die Konsistenz des Weines. Ich schlürfe, weil man dies so macht, eine winzige Menge der Kostbarkeit in meinen Mund und lasse sie über meine Zunge gleiten. Während ich ganz behutsam all dieses vollzogen habe, lauschte ich den Ausführungen des Kellermeisters. Konnte ich seiner Beschreibung des Farbenspiels noch folgen, fiel es mir etwas schwerer, die einzelnen Aromen herauszuschmecken. Apfel. Ja, könnte sein. Im Abgang etwas Aprikose. Habe wohl zu schnell geschluckt. Ein feiner Hauch von Zitrusfrüchten, die die Frische untermahlen. Dies wäre möglich.
Vielleicht haben Sie auch die eine oder andere Weinprobe gemacht und können etwas Ähnliches berichten. Nicht nur beim Wein, sondern auch bei Delikatessen könnte man in die Versuchung geraten, mit viel Akribie die einzelnen Komponenten herauszuschmecken, um so hinter die Geheimnisse der Lachsmousse zu kommen.
Nicht nur bei solchen außergewöhnlichen Ereignissen pflegen wir so vorzugehen. Auch der Alltag fordert immer wieder, dass wir herausschmecken, ob noch eine Zutat fehlt und noch etwas zu ergänzen wäre. Verkosten braucht Zeit, Aufmerksamkeit, hellwache Sinne und natürlich auch die Bereitschaft, Neues und Ungewohntes zu entdecken. Es ist daher ein richtiger Trend geworden, von ‚Slowfood‘ zu reden. ‚Slow Food (engl. slow ‚langsam‘ und food ‚Essen‘) wurde von der gleichnamigen Organisation als Begriff geprägt für genussvolles, bewusstes und regionales Essen und bezeichnet eine Gegenbewegung zum uniformen und globalisierten Fast Food. Die ursprünglich aus Italien stammende Bewegung bemüht sich um die Erhaltung der regionalen Küche mit heimischen pflanzlichen und tierischen Produkten und deren lokale Produktion.‘ (vgl. Wikipedia) Langsamkeit hat nicht nur die Küche, sondern auch die Soziologie erobert. So erkennt der Soziologe Hartmut Rosa in der Beschleunigung unserer Welt eine der Ursachen für die zunehmende Zerstörung der Umwelt, der Auflösung von Gesellschaften und den Erkrankungen und Erschöpfungen des modernen Menschen.
Gegen diesen allgemeinen Trend der Beschleunigung helfe daher nur eine Entschleunigung. Er bewegt sich dabei in bester Gesellschaft. Der heilige Ignatius schrieb einmal in seinen geistlichen Übungen: Nicht das Viele sättigt die Seele, sondern das Verkosten der Dinge von innen her. Für viele ist der Monat August Ferienzeit. Eine Zeit, die, befreit von der täglichen Arbeit, der Erholung dienen soll. Ausspannen und entspannen. Diese Grundhaltungen sollen diese Grußwort wichtige Zeit kennzeichnen. So könnte der Ratschlag des großen Heiligen eine herzliche Einladung für Sie sein. Nicht im Vielen, sondern in der Verkostung den wahren Schatz und den wahren Wert zu entdecken. Verkostung, die die Kostbarkeit der Zeit vielleicht deutlicher werden lässt. Aufmerksamkeit auch für die vielen kleinen Wunder und Geschenke, die uns im Laufe eines Tages charmant gereicht werden und uns widerfahren. Mit wachen Sinnen und einem offenen Herzen Neues im vielleicht scheinbar Gewohnten und Gewöhnlichen zu finden.
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie diese Zeit auskosten können. Möge Gott Ihnen dazu seinen Segen geben. Die Kostbarkeit der Zeit hat er Ihnen ja schon geschenkt.
Markus Hary, Pfarrer
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