Montag, 26. Juni 2023
„Es ist ein Segen, dass vor 50 Jahren der Beruf eingeführt wurde“
Plädoyer von Bischof Wiesemann für eine dynamische, kritische und prophetische Kirche im Rahmen des Jubiläums 50 Jahre Pastoralreferentinnen und Pastoralreferent im Bistum Speyer
Speyer. Seit 50 Jahren sind im Bistum Speyer Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig. Sie arbeiten in Pfarreien des Bistums, aber auch in Schulen, als Seelsorgerinnen und Seelsorger in Krankenhäusern, Gefängnissen, als Bildungsreferentinnen- oder referenten und in der kirchlichen Verwaltung. Am Samstag feierte die Berufsgruppe ihr Jubiläum mit einem Pontifikalamt, in dem Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann den pastoralen Mitarbeiterinnen und –mitarbeitern dankte, dass sie sich „aus Leidenschaft für den lebendigen Gott in den amtlichen Dienst der Kirche haben senden lassen“. Im Gottesdienst warb Wiesemann für eine dynamische, kritische und prophetische Kirche und bat die Pastoralreferentinnen und –referenten um Entschuldigung für alles, was als Verletzungen oder Ungerechtigkeit im Raum der Kirche erfahren wurde, und für alles, wo er als Bischof nicht genügend gedient und geholfen habe. Im Anschluss fand ein Fest mit buntem Programm im Priester- und Pastoralseminar St. German in Speyer statt.
In seiner Predigt nahm Bischof Wiesemann auf das Leitwort des Tages „Wäre Gesanges voll unser Mund … es reichte doch nicht, dich, Gott, unsern Gott, recht zu loben…“ (Eugen Eckert) Bezug. Die Aussage führe tief in die Gottesleidenschaft und Gotteserfahrung des Volkes Gottes hinein. In eine Erfahrung, in der für ihn deutlich werde, dass „Gott immer größer“ sei. Er sehe darin die „positive Negativität eines Gottes, der alle irdischen Machtsysteme sprengt. Die größer ist, mehr ist und deswegen mich in meiner Freiheit nie klein macht, sondern immer herausfordert. Das ist Größe, die nicht erdrückt, sondern befreit“, formulierte Wiesemann. Gottes Größe entfache in den Menschen „eine Leidenschaft, die uns tief berührt, manchmal auch zutiefst beunruhigt, uns vielleicht manchmal im Innersten ratlos macht, die uns aber immer wieder positiv herausfordern kann“. Zugleich durchbreche sie „alle Einordnungen, die Menschen vornehmen, um sich voneinander abzugrenzen“.
„Dieses Geschehen, dieser Gott, das ist ja auch ein Prozess, ein Weg in uns, etwas das sich offenbaren will, der sich durch uns Kraft verschaffen will. Er ist dynamisch, kritisch, prophetisch“, benannte der Bischof drei Aspekte des Weges Gottes mit den Menschen.
Er sei dynamisch, weil der Glaube an die Auferstehung Jesu uns immer wieder aufbrechen lasse und über tote Punkte hinaus in die Zukunft verweise. „Das ist ja der Kern unseres Gottes-Glaubens. Wer Dynamik und Entwicklung leugnet, leugnet letztlich Gott. Es ist eine Form des Atheismus, die mit expliziter Gottesrede einhergehen kann.“ Gott lasse sich nicht in ein System zwängen. Deshalb könne auch die Kirche „immer nur ein dynamisches, offenes System sein, wenn sie denn Zeichen und Werkzeug Gottes sein will und nicht Selbstzweck“, betonte Wiesemann.
Beim kritischen Auftrag der Kirche gehe es darum, „allem, was sich auf Erden als endgültig erklärt, den kritischen Vorbehalt Gottes entgegenzuschleudern – in der Gesellschaft und auch in die Kirche selbst hinein.“ Der kritische Blick auf Macht und auch auf Anmaßung, Missbrauch von Macht sei dabei kein Blick von außen, sondern müsse ein Blick vom Innersten her sein, vom Auftrag, Gott in dieser Welt lebendig zu halten: „Dies ist das kritische Zeugnis, das wir zu geben haben.“ Die Kirche, so der Speyerer Bischof, habe „nicht alles zu beurteilen in dieser Welt“. Aber sie habe aufmerksam zu sein und einzuschreiten, wenn Menschen sich anmaßten, wie Gott sein zu wollen.
Das Prophetische sei „die Dynamik eines Gottes, der immer über alle rein irdischen Erfahrungen herausschaut und uns damit auch einen im besten Sinne vorausschauenden Auftrag gibt“. Daraus erwachse für die Kirche der prophetische Auftrag, Menschen zueinanderzubringen, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen und sich für Gerechtigkeit und Solidarität einzusetzen“. Es gehe darum, in die Welt eine Vision der Hoffnung zu tragen „aus der Lebendigkeit der eigenen Gottesbegegnung und des tiefen Wissens des Erfahrungsschatzes des Lebens mit Gott.“ Wiesemann bekräftigte: „Ich will keine sich selbst verschließende Kirche. Ich will Dialog, Gemeinschaft und Leidenschaft. Ich kann nicht mit, wenn Dialogformate einfach zugeschlossen werden, und ich gehe nicht mit“.
„Ich kenne auf diesem Hintergrund die Leidenschaft, die in jedem von Ihnen, in Ihrer Berufung und Ihrem Ja zum großen Sendungsauftrag der Kirche steckt, sie hervorgelockt hat in ihrem Leben und noch heute im Innersten berührt. Vielleicht manchmal sehr schmerzlich berührt, manchmal auch traurig berührt, aber als Funke da ist“, formulierte der Bischof. Der lebendige Gott, so Wiesemann, ist der „Atem der Berufung, der sich durch uns Kraft verschaffen will“. Deshalb gehe es beim Jubiläum nicht nur darum, 50 Jahre „nach „hinten zu blicken, sondern auch nach vorne“.
„Es war und ist ein Segen, dass vor 50 Jahren der Beruf eingeführt wurde“, betonte Bischof Wiesemann am Ende des Gottesdienstes und dankte den Pastoralreferentinnen und –referenten für ihren Dienst. Gleichzeitig bat er um Entschuldigung „für alles das, wo ich nicht zureichend und genügend gedient habe oder diene und helfe und auch für alle Verletzungen und alles was als Ungerechtigkeit im Rahmen der Kirche erfahren wird.“
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der Musikgruppe „Grusicals“ unter der Leitung von Manfred Heitz. Konzelebranten waren Weihbischof Otto Georgens und Generalvikar Markus Magin. Besonders begrüßt wurden Dr. Heinz Ulbricht, einer der allerersten Pastoralreferenten, Prof. Dr. Gerhard Heinz, der lange Jahre Ausbildungsleiter war, und in ökumenischer Verbundenheit Dr. Sigrun Welke-Holtmann vom Predigerseminar der Evangelischen Landeskirche der Pfalz, Landau.
An den Gottesdienst schloss sich eine Feier im Priester- und Pastoralseminar St. German in Speyer an. Zum Programm gehörten unter anderem eine „Zeitstrahl“ – Dokumentation zur Geschichte des Berufes und Anekdoten aus 50 Jahren Pastoralreferentinnen und –referenten im Bistum, musikalische Beiträge, Interviews mit Gästen, ein Gespräch mit Pastoralreferent Richard Link über Seelsorge im neuen Franklin Village in Mannheim und ein humorvoller Kabarettbeitrag von Pastoralreferent Ansgar Hoffmann zu Geschichte und Charakteristik seines Berufes. Die Feier endete mit einem Taizé-Gebet in der Kirche des Seminars.
Stichwort: Pastoralreferentin/Pastoralreferent
Der Beruf der Pastoralreferentin und des Pastoralreferenten steht Frauen oder Männern – verheiratet oder unverheiratet – gleichermaßen offen. Grundlage ist ein Hochschulstudium der Katholischen Theologie (Magister-Studiengang). Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums absolvieren die Theologinnen und Theologen in der Regel einen zweijährigen pastoralpraktischen Kurs im Priester- und Pastoralseminar in Speyer und sind parallel dazu schon in der Seelsorge tätig. Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten arbeiten in Pfarreien des Bistums, aber auch in Schulen, als Seelsorger in Krankenhäusern, Gefängnissen, als Bildungsreferentinnen- oder referenten und in der kirchlichen Verwaltung. Insgesamt gibt es im Bistum Speyer zurzeit rund 100 Frauen und Männer, die diesen Beruf ausüben.
Der vor 50 Jahren neu eingeführte Beruf der Pastoralreferentin und des Pastoralreferenten war eine Folge der Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) und der Beschlüsse der Würzburger Synode Anfang der 1970er Jahre. Theologen, die keine geweihten Priester waren, und bald auch Theologinnen eröffnete sich durch die damaligen Reformen die Möglichkeit, als hauptamtliche Seelsorger und Seelsorgerinnen zu arbeiten.
Die Predigt von Bischof Wiesemann als Audiodatei zum Nachhören
Dankgebet 50 Jahre Pastoralreferentinnen und -referenten
Fotos: Klaus Landry (Gruppenbild) und Bistum Speyer
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.dom-zu-speyer.de