100 Jahre Bürgerhaus

100 Jahre mitten im Dorfleben – Das Bürgerhaus von Abtweiler

Tradition gepaart mit Kontinuität und Geselligkeit – so könnte man auch unser Bürgerhaus umschreiben. Ein Treffpunkt von Bürgern und den örtlichen Vereinen – es ist sozusagen der zentrale Veranstaltungsort für Feiern, Feste und Tagungen in unserer Gemeinde und auch zugleich eines unserer historischen Kulturdenkmäler. In der frühen Vergangenheit machte das Abtweilerer Bürgerhaus hauptsächlich als Obhut für Lehrer und Schüler von sich reden.

Feier und Rede anlässlich des 100-jährigen Jubiläums am 01.08.2010 im Bürgerhaus

100 Jahre Bürgerhaus

Verehrte Anwesende es ist allseits bekannt das wir heute in einer kleinen Feierstunde den 100. Geburtstag unseres Bürger- hauses feiern und etwas über seine Entstehung erfahren. Wir können heute stolz sein auf die mutigen Bewohner von damals, die ein solch schönes Gebäude errichtet haben.

Wir wissen nicht welche Schwierigkeiten damals bei dem mutigen Schritt auftragen, wir wissen nur eins: 1907 wurde das Grundstück gekauft und ein Brunnen darin angelegt. Nach jahrelanger Planung wurde dann am 01. August 1910 (heute genau vor 100 Jahren) der erste Spatenstich getätigt. Ist dies nicht heute ein Grund zu feiern?
Es ist niedergeschrieben, dass die Arbeiten sehr langsam vorrangingen.

Bürgerhaus im Mai 1982

Erst im Herbst 1911 war der Bau im Heimatstil (erwähnenswert ist der zweiflügeliger Krüppelwalmdachbau) fertiggestellt, so dass die Einweihung am 12. Dezember stattfand. Nach einem kurzen Abschied im damaligen alten Schulhaus, begab sich der kleine Festzug, die Kinder mit ihrem Lehrer Pfarrer Reindell aus Staudernheim, der damalige Bürgermeister Peter Becker, der Gemeinderat nebst Presbytern zum geschmückten neuen Schulhaus. Der Bürgermeister Becker hielt dann vor Ort eine Ansprache, die Kinder sangen und trugen Gedichte vor. Die damalige Festansprache hielt der ehemalige und bereits erwähnte Pfarrer Reindell. Die Bauleitung dieses Hauses lag in den Händen des Architekten Göres, Meisenheim und die Kosten beliefen sich auf ca. 23.000 Reichsmark. Die Schülerzahl belief sich damals auf 53. Dieses Haus war in der Blütezeit des Deutschen Reiches, kurze Zeit vor dem ersten Weltkrieg errichtet worden und war Ausdruck von Macht und Fülle, dass man einem so kleinen Ort wie Abtweiler mit damals 387 Einwohnern ein solches schmuckes Schulhaus präsentierte. 58 Jahre wurde nun in diesen Räumen unterrichtet und es haben in dieser Zeit 12 Lehrer ihren Dienst ausgeführt. So ist sicher auch angebracht der Lehrer, die hier erzieherische Arbeit getan haben, zu gedenken.

Die Bürger von Abtweiler haben ihren Lehrern wirklich viel zu verdanken

Bürgerhaus im Mai 2010

Bürgerhaus im Mai 2010

Der erste Lehrer, der im Bürgerhaus unterrichtete, war August Hahn. Er hatte eine Frau vom St. Antoniushof, eine geborene Hoffmann, die dort einen großen Hof hatten. Eine seiner Töchter war die spätere Frau Anneliese Grimm. Er war der erste, der in den 1. Weltkrieg einberufen wurde und auch als erster den Heldentod starb. Meine Oma hat oft erzählt, dass er am Tag als er wegging sich von ihr verabschiedete und sagte: Frau Dörr wir sind in ein paar Tagen wieder zu Hause, doch es kam anders. Danach gab es viele Unterrichtsausfälle bis Lehrer Müller aus Staudernheim an 3 Tagen in der Woche den Schuldienst aufnahm. Sein Wirken dauerte 2 Jahre.

Bürgerhaus im Mai 1982

1918 wurde Lehrer Wiek nach Abtweiler berufen, der dann bis 1925 an unserer Schule unterrichtete. Seine Frau sollte etwas vornehm gewesen sein, sie konnte nicht so gut mit den Abtweilerer Bauern, sagte man sich. Er dienste im Krieg als Reserveoffizier und war sehr streng. 1925 wurde er abgelöst vom damaligen Lehrer Schneider. Ein Junggeselle mit einfachster Lebensweise. Sein einziges Möbelstück war eine Schlafgelegenheit, bestehend aus einem selbstgezimmertem Holzgestell, dass mit einem vom Schulzaun abmontierten Drahtgeflecht überspannt war. Einen Liter Milch für 20 Pfennig und Brötchen vom Bäcker Engbarth wurden ihm jeden Tag gebracht. Er hat sich einen großen Namen gemacht, als er die Hälfte der Schüler zum Musizieren mit Flöte, Gitarre und Geige brachte. Zudem war er im ganzen Regierungsbezirk bekannt und die Schüler durften als „kleine Stars“ vor Behörden und anderen Lehrern auftreten. Er wollte als Turn-und Sportlehrer an einer höheren Schule tätig sein und erweiterte sein Studium um 1 Jahr. In diesem Jahr hat Oskar Dörr von 1927 bis 1928 den Dienst als Junglehrer übernommen. Ebenfalls ein Jahr unterrichtete der Lehrer Berghoff.

Bürgerhaus im Sommer 2003

Ab 1929 unterrichtete dann Lehrer Philipp Peiter, auch ein Abtweilerer aus einer regelrechten Lehrerfamilie. Neben seinem älteren Bruder, welcher gleich zu Anfang des ersten Weltkrieges gefallen war, war auch sein jüngerer Bruder ein Lehrer mit Leib und Seele. Die Schwester der drei Brüder Peiter war damals im benachbarten Staudernheim Kinderschullehrerin. Philipp Peiter hatte seine Frau bei der Geburt seines Sohnes verloren und war jetzt durch sein Elternhaus in guter Obhut. Seine zweite Frau hat den Abtweilerer Männergesangverein als Dirigentin mit vielen Konzerten zur höchsten Blüte gebracht. Am 1. Mai 1933 übernahm Lehrer Gutheil das Lehramt. Er wurde als ungemein strenger Lehrer beschrieben. So streng, dass ihn einmal ein Nachbar der Schule beim bestrafen eines Kindes zur Mäßigung ermahnt hat.

Bürgerhaus im Mai 2010

1941 kam dann der Lehrer Monnerjahn. Er war im Nebenerwerb Imker, hatte Milchschafe, Ziegen und der Schulgarten war stets in einem sehr gepflegten Zustand. Er war zugleich Organist in unserer Kirche, leitete den Männerchor, den er durch seine musikalischen Kenntnisse zu regelrechten Höchstleistungen verhalf. Er hatte damals zudem eine Flötengruppe gebildet und viel mit der Jugend gesungen. Ich selbst habe bei ihm Violine-Unterricht bekommen. Seine Notenkenntnisse, die er uns beigebracht hat, haben sich sehr positiv in unserem Chor ausgewirkt. Als er 1952 an die Ringschule Bad Kreuznach versetzt wurde übernahm Lehrer Liebmann den Schuldienst. Er war gebürtig in einer vorderpfälzischen Stadt mit 12000 Einwohnern. Als Junglehrer nun in einem so kleinen Dorf Fuß zu fassen war nicht so leicht. Denn mit der schulischen Tätigkeit allein war und ist es in einem kleinen Dörfchen nicht getan. Das Dorf erwartet von seinem Lehrer auch Anteilnahme am dörflichen Leben. Die Ansprüche die man an ihn stellte waren nicht gerade bescheiden.

Können sie Orgel spielen?
Sind sie ein guter Sänger?
Können sie einen Chor leiten?
Verstehen sie was von der Landwirtsschaft?
Sind sie Jäger?
Spielen sie Skat?
Haben sie schon eine Braut?
Und so weiter und so weiter…!

Er ließ sich aber nicht entmutigen und hat es auch verstanden Dorf und Schule zu einer Gemeinschaft zusammen zu führen. Im Chor hatte er auch mitgesungen und sein Wunsch war damals, dass bald ein Saal entstehen sollte, damit die Bevölkerung wieder Interesse an kulturellen Dinge bekäme. Dieser Wunsch ist damals leider nicht verwirklicht worden.

Der letzte Lehrer läutete sowohl das Ende und den Anfang einer langen Ära ein

Am 01.04.1962 wurde dann der Lehrer Jost Ludwig Didlaukies der ev. Bekenntnisschule in Abtweiler zugewiesen. Seine Anreise, den 5 km langen Weg, von Staudernheim zu Fuß nach Abtweiler war schon eine sehr anstrengende Sache. Die damalige Schülerzahl betrug beachtliche 37 wissbegierige Jungen und Mädchen. Die Anfangswochen des neuen Lehrers waren gewiss nicht die allerglücklichsten. In seiner ersten Turnstunde brach sich ein Schüler der 8. Klasse den Unterschenkelknochen, das war damals schon ganz schön aufregend. Lehrer Didlaukies hat sich dann allmählich an das Abtweilerer Dorfleben gewöhnt und nach langem hinhalten im Jahre 1966 endlich ein eigenes Bad in seine Wohnung bekommen. Er wurde auch in das Presbyterium berufen und als Mitglied in den Ortsgemeinderat gewählt. Als er sich dann in Abtweiler eingelebt hatte, kamen schon die Pläne dass die Grundschule in Abtweiler aufgelöst wird. Schließlich war für die Abtweilerer Schüler am 22. Februar 1969 der letzte Schultag im Bürgerhaus und unser letzter Lehrer wurde nach Meisenheim versetzt.

Nach dem Eintritt der neuen Schulordnung im Jahr 1969 stand das Schulhaus leer und wurde zeitweise als Mietwohnung benutzt. Das schöne Bild des Schulgebäudes war getrübt und sicher haben es auch alle Dorfbewohner sehr bedauert. Bis dann nach einigen Jahre die zündende Idee kam, die Schule zu diesem neuen Objekt, dem heutigen Bürgerhaus umzufunktionieren. Mitte der 1990er Jahre kam es schließlich zum Anbau bzw. Umbau des Bürgerhauses. Und das neu umgebaute Kultur- und Bürgerhaus ist letztlich sehr gelungen und wird seitdem auch regelmäßig für Sitzungen, Vorträge, Feiern und Feste genutzt.

Anmerkung: Vielen Dank an Günter Dörr – ehem. Bürgermeister und Initiator dieses Artikels

Wenn Sie Ergänzungen oder Anmerkungen zu diesem Artikel haben sollten, so bitten wir Sie sich per Kontaktformular mit Abtweiler Online in Verbindung zu setzen. Herzlichen Dank.

Über Marco Wendel

Aufgewachsen in Abtweiler und Gründer von Abtweiler Online. Von Beruf bin ich Geologe und publiziere seit Jahren als freier Journalist für diverse Zeitungen und Magazine. Die Arbeit für Abtweiler Online ist für mich natürlich Ehrensache.

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