Liturgisches Jahrbuch 3/2020
Inhalt der Ausgabe 3/2020
Editorial
LITURGIE – MACHT – KIRCHE
Peter Ebenbauer
Was kann Liturgische Theologie zur Analyse und Kritik kirchlicher Machtverhältnisse beitragen?
Benedikt Kranemann
Machtkonstellationen im Gottesdienst. Liturgiewissenschaftliche Perspektiven zu einem umstrittenen Thema
Birgit Jeggle-Merz
Sakrale Macht und die Rolle der Frau. Sichtungen in der römisch-katholischen Liturgie
Albert Gerhards und Kim de Wildt
Signaturen der Macht im sakralen Raum
Buchbesprechungen
Editorial 3/2020: LITURGIE – MACHT – KIRCHE
In der katholischen Kirche nicht nur in Deutschland wird in letzter Zeit zunehmend über Macht und Gewaltenteilung diskutiert. Aktuell steht diese Debatte im Zusammenhang des Rufs nach Reformen in der Kirche, der insbesondere 2018 nach der Veröffentlichung der MHG-Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz laut geworden ist und nicht mehr verstummt. Dabei wird immer wieder auf die Liturgie und insbesondere auf das Verhältnis von Klerus und »Laien«, Männern und Frauen, römischer Kurie und Ortskirchen, auf unterschiedliche Formen des Klerikalismus im Gottesdienst, auf ein notwendiges Ausloten neuer und vielfaltiger Partizipationsmöglichkeiten etc. hingewiesen. Unterschiedliche Machtverhältnisse in der Kirche spielen für den Gottesdienst eine Rolle. Liturgie bleibt nicht außen vor, wenn es um Machtmissbrauch und Klerikalismus geht, verleiht sogar beiden manchmal in besonders nachdrücklicher und damit verletzender Weise Ausdruck und beschädigt die betroffenen Menschen, die Institution und letztlich den Glauben selbst. Ohne ein Offenlegen der im Hintergrund wirksamen Zusammenhänge, der jeweiligen Strukturen und Mechanismen, ohne eine Debatte darüber, wie im Gottesdienst bewusst oder unbewusst Macht und somit letztlich auch der Gottesdienst missbraucht wird, lässt sich die derzeitige Kirchenkrise nicht bewältigen. Dafür ist die Liturgie ein für die Kirche zu grundlegendes Geschehen, und dies gilt nicht nur für die katholische Kirche. Die entsprechenden Probleme werden nun auch Thema auf dem Synodalen Weg, den die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland vor Kurzem begonnen haben. Sie sind unter anderen Vorzeichen, etwa zur Ermöglichung von tätiger Teilnahme, in der Liturgiewissenschaft schon länger erörtert worden und werden jetzt explizit und nachdrücklicher denn je mit Blick auf die Konstruktion von Machtverhältnissen oder deren mögliche Destruktion durch die Liturgie beleuchtet. Die entsprechenden Forschungsfragen betreffen die Liturgiegeschichte wie die Gegenwart des Gottesdienstes. Es geht um die Theologie der Liturgie wie um einzelne Formen und Riten, um Sprache, Normen, Rollen, Geschlechterverhältnisse, Raumkonstellationen etc. Die Beiträge dieses Themenheftes widmen sich schwerpunktmäßig der heutigen Liturgie. Sie bieten eine Situationsanalyse, legen liturgietheologische Reflexionen vor, erörtern verschiedene Fallbeispiele und suchen nach Lösungsansätzen.
Um deutlich zu machen, dass es sich um Fragen handelt, für die nach theologischen Antworten zu suchen ist, steht der Beitrag von Peter Ebenbauer am Anfang. Er diskutiert, was die Liturgische Theologie analytisch-kritisch mit Blick auf Machtverhältnisse in der Kirche beitragen kann. Das Ziel ist es, Aspekte von Macht in verschiedenen liturgischen Zusammenhängen theologisch benennen und reflektieren zu können.
Benedikt Kranemann fragt, welche Bilder von Kirche und Macht sich im katholischen Gottesdienst in problematischer Weise äußern und wie mit entsprechenden Pathologien der Liturgie umgegangen werden kann. Liturgie muss mit allen Konsequenzen als Feier der Getauften verstanden werden. Auf den verschiedenen Ebenen kirchlichen Umgangs mit der Liturgie ist absolute Transparenz gefordert.
Birgit Jeggle-Merz untersucht die Rolle von Frauen in der Liturgie. Sie beklagt eine deutliche Ungleichbehandlung von Frauen, verweist auf die Taufwürde aller Getauften, mahnt eine Überarbeitung der liturgierechtlichen Normen an und hebt mit Pius XII. hervor, dass die Kirche das, was sie festgelegt hat, nicht nur verändern, sondern auch abschaffen kann.
Albert Gerhards und Kim de Wildt suchen nach Spuren der Macht im liturgischen Raum. Ihnen geht es um die Problemlage historischer Räume mit ihrer sehr starken Konzentration auf den Priester wie um alternative Raumkonzepte für den Gottesdienst. Interessant und anregend sind ihre Überlegungen, welche Machtfragen mit Blick auf Räume der Stille eine Rolle spielen. Sie werfen die Frage nach dem generellen Verhältnis von Religion, Ritual und Macht auf.
Die vier Beiträge können nur einen kleinen Ausschnitt möglicher Aspekte des Themenfeldes bearbeiten.1 Sie möchten die wissenschaftliche Diskussion bereichern, aber auch die Debatten im jetzt anlaufenden Synodalen Weg anregen.
1 Vgl. zum Thema auch Amt – Macht – Liturgie. Theologische Zwischenrufe für eine Kirche auf dem Synodalen Weg, hg. v. Gregor Maria Hoff/Julia Knop/Benedikt Kranemann (QD 308), Freiburg/Br. [u.a.] 2020.