Für eine zukunftsorientierte Haltung von Zuchtsauen - Fragen und Antworten
Welche Tierschutzprobleme gibt es in der konventionellen Zuchtsauenhaltung? Was sind Kastenstände im Deckzentrum und Ferkelschutzkörbe im Abferkelbereiche und warum werden sie genutzt? Worum geht es bei der Änderung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung? Antworten auf diese und weitere wichtige Fragen zur zukunftsorientierten Haltung von Zuchtsauen finden Sie in der nachfolgenden Auflistung.
In der konventionellen Sauenhaltung werden die Sauen im „Deckzentrum“ und im „Abferkelbereich“ monatelang in Kastenständen, in einer Art "Käfig" fixiert, und in Ferkelschutzkörben gehalten, d.h. etwa 150 Tage im Jahr fixiert. In dieser Zeit können sich die Sauen nicht frei bewegen und sich noch nicht einmal umdrehen. Viele gängigen Kastenstände im Deckzentrum sind zudem so beschaffen, dass sich die Sauen nicht ungehindert in Seitenlage hinlegen und ausstrecken können.
Die Haltung der Sauen über den derzeit üblichen, sehr langen Zeitraum im Kastenstand ist aus Sicht des Tierschutzes sehr problematisch. Die Probleme bestehen vor allem in der langen Bewegungseinschränkung durch die Fixierung und in der Einschränkung beim Ausstrecken der Gliedmaßen der Tiere durch die engen Kastenstände.
Sauen sind soziale, neugierige Tiere, die in Gruppen mit Rangordnungsstrukturen leben. Nur zum Zeitpunkt der Geburt ziehen sich die Sauen von der Gruppe zurück. Dieses arttypische Verhalten muss in den Haltungsbedingungen Berücksichtigung finden.
In der konventionellen Haltung von Sauen können die Tiere im Deckzentrum zum Besamen und danach bis zu vier Wochen lang in Kastenständen fixiert werden. Die Tiere können sich in diesen Kastenständen nur sehr eingeschränkt bewegen. Zur Besamung der Sauen ist eine Fixierung angebracht. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die brünstigen Sauen, durch ihr Verhalten in der Gruppe verletzen können. Mit dem Argument, dass die Sauen bei Auseinandersetzungen in der Gruppe nach der Besamung die frisch entstandenen Embryonen verlieren, lässt man die Tiere nach derzeitiger Rechtslage bis zu vier Wochen in den Kastenständen stehen.
In der ökologischen Schweinehaltung haben sich bereits alternative Vorgehensweisen zu der langen Fixierung der Sauen im Deckzentrum mit nur sehr kurzzeitigem Festhalten für den (künstlichen) Besamungsvorgang durch den Besamungstechniker bewährt.
Nach der Besamung kommen die Sauen in den Wartebereich, in dem sie artgemäß in Gruppen gehalten werden. Kurz vor der Geburt kommen die Sauen in den Abferkelbereich. Dort kommen die Sauen einzeln in Buchten mit Ferkelschutzkörben. Das sind Vorrichtungen, in denen sie die Ferkel zur Welt bringen sollen. Mit der Fixierung der Sau sollen die Ferkel vor dem Erdrücken durch die Sau geschützt werden. Die Sau wird durch den Ferkelschutzkorb so eingeschränkt, dass sie nicht in der Bucht umherlaufen oder sich nur umdrehen kann. Sauen dürfen in der konventionellen Haltung nach den derzeit geltenden Regelungen während der gesamten Säugezeit, etwa vier Wochen, in dem engen Ferkelschutzkorb gehalten werden, obwohl die Ferkel nur in den ersten Lebenstagen gefährdet sind.
Auch zur Fixierung der Sau im Ferkelschutzkorb gibt es bereits alternative Systeme, die sich in der Öko-Sauenhaltung bewährt haben. Die Umstellung auf diese alternativen Einrichtungen ist allerdings aufwändig. Sie erfordert den Umbau und die deutliche Erweiterung des gesamten Stallsystems.
Eine Ablehnung der Verordnung hätte nicht mehr, sondern weniger Tierschutz, was wir nicht verantworten wollen. Ziel kann nicht sein, dass die Tiere im Käfig etwas mehr Platz haben, sondern, dass die Kastenstandshaltung generell durch artgerechte Systeme ersetzt wird.
Seit Jahrzehnten setzt sich Rheinland-Pfalz mit zahlreichen Initiativen für eine Verbesserung des Tierschutzes in der Nutztierhaltung ein, unterstützt von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 1999 die Legehennenhaltungsverordnung aus dem Jahr 1987 wegen der zu geringen Flächenvorgaben für die konventionelle Käfighaltung für unvereinbar mit den Anforderungen des Tierschutzgesetzes erachtet und damit für nichtig erklärt hat. Aufgrund eines im Jahr 2007 von Rheinland-Pfalz eingelegten Normenkontrollantrags erklärte das Bundesverfassungsgericht 2010 die Regelung zur Kleingruppenhaltung von Legehennen für mit dem Grundgesetz unvereinbar. Diese Entscheidung brachte das endgültige Ende der tierschutzwidrigen Käfighaltung von Legehennen in Deutschland.
Im Falle der Kastenstandhaltung von Sauen urteilte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt im November 2015 (sog. Magdeburger- oder Kastenstandurteil), dass Sauen im Kastenstand beim Hinlegen in Seitenlage nicht am Ausstrecken gehindert werden dürfen oder, wie das Gericht sagt: „dass den in einem Kastenstand gehaltenen (Jung)Sauen die Möglichkeit eröffnet sein muss, jederzeit in dem Kastenstand eine Liegeposition in beiden Seitenlagen einzunehmen, bei der ihre Gliedmaßen auch an dem vom Körper entferntesten Punkt nicht an Hindernisse stoßen“.
Allerdings löst das Urteil nicht die Tierschutz-Probleme der langen Fixierung von Sauen im Kastenstand, sondern führt nur zu etwas größere Kastenstände und zementiert damit die Käfighaltung weiter. Darum setzten sich die Bundesländer in der Folge des sog. Magdeburger Urteils dafür ein, dass die Haltungsbedingungen von Sauen grundlegend verbessert werden und zwar nicht nur im Deckzentrum, sondern auch im Abferkelbereich und die Kastenhaltung ganz abgeschafft wird. So beteiligten sie sich direkt an der Erarbeitung von Eckpunkten für die Änderung der Tierschutznutzierhaltungsverordnung. Die Bundesregierung jedoch verschleppte die Änderung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung und legte dem Bundesrat erst im November 2019 einen Verordnungsentwurf zur Stellungnahme vor.
Dieser ursprüngliche Verordnungsentwurf der Bundesregierung wird zu Recht heftig von Seiten der Tierschutzverbände kritisiert, weil der Entwurf sogar die derzeit geltende Regelung (§ 24 Abs. 4 Nr. 2 Tierschutzgesetz), dass sich die Sauen ungehindert in Seitenlage ausstrecken können müssen, verschlechtert. Damit würde die Umsetzung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt umgangen werden.
- Die Kastenstandhaltung im Deckzentrum wird abgeschafft. Die Sauen dürfen nur noch kurzfristig für die Besamung fixiert werden.
- Sauen müssen ihrem arttypischen Verhalten entsprechend in der Zeit vom Absetzen bis kurz vor der Geburt in der Gruppe gehalten werden.
- Die Fixierung der Sau im Abferkelbereich verkürzt sich auf 5 Tage um die Geburt, zum Schutz der Ferkel.
- Verkürzung der Fixierung der Sau von 160 Tagen im Jahr auf nur noch 12 Tage im Jahr.
- Damit berücksichtigt die Verordnung den Tierschutz erheblich besser und geht deutlich über die Umsetzung des Magdeburger Urteils hinaus, das nur das Ausstrecken der Gliedmaßen und quasi größere Kastenstände verlangt.
- In der Übergangsfrist gilt eine Sofortlösung, nachdem bauliche Hindernisse entfernt werden müssen, sodass die Tiere ihre Gliedmaßen im Kastenstand in die Nachbarbucht ausstrecken können.
Mit den aktuell vorliegen Änderungsanträgen zu dem Entwurf der Bundesregierung, die dem Bundesrat zur Abstimmung vorliegen, würde der Schritt in Richtung artgerechtere Haltung der Sauen in der Gruppe möglich sein. Das Ausstrecken der Gliedmaßen (während der Übergangsfristen in die Nachbarbucht) würde ab sofort ermöglicht werden. Nach der Übergangsfrist sind keine Kastenstände mehr erlaubt.
Tage im Kastenstand und Ferkelschutzkorb / Jahr bei 2,3 Würfen
Status Quo | VO-Entwurf des Bundes | Vorschlag im Bundesrat |
80 Tage Deckzentrum | 18 Tage Deckzentrum | 0 Tage im Deckzentrum |
80 Tage Abferkelbereich | 12 Tage Abferkelbereich | 12 Tage im Abferkelbereich |
Die Kritik an der Verordnung richtet sich auch auf die bisher langen Übergangsfristen mit dem berechtigten Argument, dass die gerichtlichen Entscheidungen schon lange eine Verbesserung einfordern - die allerdings bis heute nicht umgesetzt wurden. Aber auch in diesem Punkt konnten durch Anträge und Initiativen der Bundesländer erhebliche Verbesserungen gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung erreicht werden:
Ab sofort muss ein Ausstrecken der Gliedmaße ermöglicht werden und ggf. bauliche Hindernisse entfernt werden, sodass die Sauen die Beine in die Nachbarbucht ausstrecken können.
Die Übergangsfristen im Deckzentrum werden im Vergleich zum Entwurf des Bundes von 15 Jahren (+2 Jahre im Härtefall) auf 8 Jahre (+2 Jahre Härtefall) verkürzt. Zudem muss nach 3 Jahren ein Umbaukonzept zur Ermöglichung von Gruppenhaltung im Deckzentrum, nach 5 Jahren der Bauantrag vorliegen. Bauern, die nicht umbauen, müssen spätestens nach 5 Jahren die Sauenhaltung einstellen.
Eine solche reduzierte Übergangszeit wäre aus Tierschutzsicht ein Erfolg im Vergleich zu der Übergangszeit bis zum Ende der Käfighaltung bei Legehennen, die 25 Jahre (+ 2 Jahre Härtefall) betrug.
Wegen der hohen Kosten, dem hohen baulichen und technischen Aufwand im Abferkelbereich betragen die Übergangsfristen im Abferkelbereich jedoch bis zu 15 (+2 Jahre Härtefall) Jahre.
Die hohen Kosten für ein neues Gesamtstallsystem, insbesondere für bäuerliche Familienunternehmen bei uns in Rheinland-Pfalz stellt es eine große Herausforderung dar. Gerade infolge der Corona-Krise und dem Stopp der Gastronomie sind auch die Schweinepreise wieder auf Tiefstniveau gesunken. Dumping und Preisdruck auf allen Ebenen bestimmen den Schweinemarkt, das war von der Bundes- und EU- Politik bisher so gewollt. Der Erhalt der bäuerlichen Strukturen ist insbesondere für Rheinland-Pfalz wichtig für unsere regionalen Strukturen, das Angebot regionaler Produkte, den Erhalt unserer Kulturlandschaft, die Sicherstellung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion und die Abkehr von industrieller Massentierhaltung. Aber auch die Vermeidung von Tiertransporten und wassergefährdenden Gülle-Importen sind für uns wichtige Anliegen, die mit dem Umbau der Tierhaltung in Zusammenhang stehen.
Um den Landwirten schnelle Investitionen in die Verbesserung der Sauenhaltung zu erleichtern, soll es im Zuge des Corona-Konjunkturprogrammes ein Investitionsförderprogramm für den Stallumbau für die zügige Umsetzung besserer Haltungsbedingungen in den Jahren 2020 und 2021 geben. Dafür sind 0,3 Mrd. Euro angesetzt. Damit dieses Förderprogramm im Sinne des Tierschutzes greifen kann, ist es wichtig, dass durch differenzierte Mindestanforderungen an die jeweiligen Tierhaltungen schnellstmöglich eine verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen geschaffen wird. Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass nur zukunftsorientierte, artgerechte Tierhaltungssysteme gefördert werden.
Die Verordnung wird zu einer sofortigen Verbesserung für Sauen im Deckzentrum führen, denn bauliche Hindernisse müssen sofort entfernt werden, damit die Sauen die Beine ausstrecken können.
Zwar bestehen die Übergangsfristen im Abferkelbereich von 15 Jahren (+2 Jahre im Härtefall) und im Deckzentrum von 8 Jahre (+2 Jahre Härtefall) und die bauliche Förderung erhalten nur die Betriebe bei schnelleren Umbau. Aber. im Deckzentrum nach 3 Jahren ein Umbaukonzept zur Ermöglichung von Gruppenhaltung im Deckzentrum, nach 5 Jahren der Bauantrag vorliegen. Bäuerinnen und Bauern, die nicht umbauen, müssen spätestens nach 5 Jahren die Sauenhaltung einstellen.
Dann würde nur das Magdeburger Urteil (Ausstrecken der Beine) umgesetzt, aber sich sonst nichts ändern. Das gerade für den Tierschutz wirklich relevante Ende der Kastenstandhaltung im Deckzentrum und die deutliche Reduzierung der Fixierung um Abferkelbereich würden jedoch nicht kommen. Eine neue noch weiter verbesserte Verordnung würde vor dem Hintergrund politischer Verfahrensprozesse auch erst nach Jahren wieder aufgerufen werden können; die Politik weiter durch Gerichtsurteile und schwierige Vollzugsprobleme an Vertrauen verlieren. Das gilt insbesondere für Bundesländer mit mittelständischen Strukturen, die Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu großen Betriebe in den Hochburgen der Schweinehaltung haben. Die Betriebe würden in bauliche Veränderung an den Kastenständen investieren und damit in die, aus Tierschutzsicht, falsche Haltung der Sauen investieren müssen. Wertvolle Zeit für eine Umstellung und Neu-Orientierung hin zu tiergerechten Haltungssystemen der Betriebe würde verloren gehen.
Die Sauen würden in den derzeit erlaubten, engen Kästen im Abstand zueinander untergebracht, ohne dass sie sich berühren können. Die Sauen wären auch weiterhin ca. 160 Tage pro Jahr im Kastenstand und im Ferkelschutzkorb fixiert. Keine der sonstigen in der Änderungsverordnung geregelten Verbesserungen der Haltungsbedingungen würde umgesetzt werden. Ein Einstieg in die arttypische Gruppenhaltung wäre damit verhindert und nur eine Kastenhaltung wie bisher mit mehr Abstand zwischen den Sauen in einer Art „besseren“ Käfighaltung weiterhin zulässig. Die Situation wäre damit ähnlich wie die, in der Legehennenhaltung damals von der CDU/CSU eingeführten „ausgestalteten Käfige“, die keine Verbesserung des Tierschutzes dargestellt haben, sondern die nicht artgerechte Haltung lediglich verlängerten.
Daher würde ein Scheitern der Änderungsverordnung eine faktische Verschlechterung für die Sauen bedeuten.
Ein „Ablehnen“ oder eine aufgrund der Regelungen im Bundesrat dieser faktisch entsprechenden „Enthaltung“ ist vor diesem Hintergrund keine Verbesserung des Tierschutzes und daher keine Alternative.
Der Bundesrat entschied am 03.07.20 über die Änderung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung.
In den Verhandlungen haben wir deutliche Verbesserungen erreicht. Neben dem tatsächlichen Ende der Kastenstandhaltung im Deckzentrum soll auch die Förderung von Stallum- und Neubauten auf Stallsysteme ausgelegt sein, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen und die deutlich vor Ablauf der Übergangsfrist umbauen.
Notwendig wäre zudem weiterhin, dass eine solche Neu-Orientierung in der Sauenhaltung in ein weitergehendes Konzept zur Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen eingebettet wird. Das Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern wie auch die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, der sog. Borchert-Kommission, zur Weiterentwicklung der gesamten Nutztierhaltung müssen aufgegriffen und zügig umgesetzt werden. Außerdem müssen Produkte aus Tierhaltungen, die im Besonderen den Tierschutz in den Mittelpunkt stellen durch das Tierwohl-Labeling sichtbar und unterstützt werden. Es bedarf einer verbraucherorientierten Kommunikation, um die Wertigkeit der tiergerechten Haltung und die entsprechende Honorierung der Produkte zu unterstreichen. Hierfür werden wir uns auch weiterhin einsetzten und die Bundesregierung zum Handeln auffordern.
Unabhängig von der Tierschutznutztierhaltungsverordnung ist dies auch für die Arbeitsbedingungen, insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Schlachtbetrieben wichtig. Weiter setzen wir uns für ein Ende der GVO Soja Futtermittel Importe ein, die zum massiven Raubbau an den Wäldern, gigantischen Umweltproblemen und Zerstörung der Lebensgrundlagen der Bauern und Bäuerinnen durch die Agro-Industrie führt.