Zu den Kapiteln
Schlagworte
5. 1 Einwohner- und Häuserzahlen
vgl. auch Konfessionszahlen IV 10
1670 15 Häuser in Ober-Wesseling (Fabricius II, S. 58)
5. 2 Agrarwirtschaft, Fischerei
Acker- und Viehwirtschaft
1290 wird in Ober-Wesseling Roggen angebaut, außerdem werden Hühner gezüchtet (StaK 265 Sion 1/9)
1345 Neben Roggen wird Hafer angebaut und Viehzucht betrieben (StaK 264 Severin 1/64)
1400 wird in einer Schlichtung entschieden, daß die Gemeinde Ober-Wesseling im Sommer nicht mehr Vieh, als sie im Winter von ihren eigenen Weiden ernähren kann, halten darf (StaK 265 Sion 1/27). Bis ins 16. Jahrhundert dauern die Klagen gegen die Bewohner an, daß diese ihr Vieh auf Grund und Boden des Sioniterklosters schicken, Früchte pflücken und die Tiere weiden lassen (ebd. Akt 27 fol. 13). 1671 beendet ein Vertrag den Streit (Dietz, Heimatbuch, S. 127)
1599 werden Schweine in Nieder-Wesseling gehütet (LHAK 48/1751)
1708 weist das bergische Extraktenverzeichnis die Züchtung von Zugvieh (6 Pferde, 18 Ochsen), Rindern (26) und Kühen (76) aus. Schafe, Ziegen und sonstiges Vieh wird nicht aufgeführt (Extractus, S. 130f.). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommen Ziegen und Bienenstöcke hinzu (VB Amt W 1930)
1714 nach der Abschrift des Weistums von 1478 weisen die Schöffen von Wesseling dem Grundherren ein frei schefferei zu (III 1 Weistümer).
1772 muß Wesseling an das Bonner Cassiusstift 17 Malter Korn (Roggen) abliefern. Außerdem erhält der Dekan 11 Malter Hafer (MaB Kapitelsprotokolle 232 S. 53-55). Im 18. Jahrhundert werden auch Futterpflanzen wie Klee und Rüben angebaut (StaK 265 Sion Akt 27, 28)
2005 Das Versuchsgut Dikopshof ist heute dem Institut für Pflanzenbau der Universität Bonn angeschlossen und erforscht Aspekte des Ackerbaus. Die Versuchswirtschaft Maarhof ist dem Institut für Obst- und Gemüsebau unterstellt
5. 2 Wein- und Gartenbau
1238 bekommt das Kloster Ophoven 11 Morgen Weingärten in Ober-Wesseling geschenkt (NrhUB II 236)
1361 wird in Ober-Wesseling Wein angebaut. Allein 12 Morgen bewirtschaftet der Kölner Sionskonvent (StaK 265 Sion 2/22)
1395 erhalten die Kölner Minoriten eine Rente aus einem Weingarten zu Wesseling (ebd. 264 Severin 1/296)
1570 wird neben Acker- auch Weinbau in Wesseling betrieben (LAV NRW R Kk II 1563)
1641-1712 wird in Ober- und Nieder-Wesseling Rot- und Weißwein angebaut, vom dem das Kloster Sion Weinzins erhält (StaK 265 Sion Akt 32, 33)
1660 wird Wein in Parzellen der Flure Auf dem Sonnenberg, Auf den Klemensbitzen, An der langen Gaß, Auf den neun Morgen, am grünen wegh, an der euffgaßen, in der Bitzen, Moldenbitzen angebaut (ebd. 238 Kreuzbrüder Akt 32 fol. 78f.)
1708 sind 35,5 Mg Land in Wesseling mit Reben bestockt. Nur in Blankenberg, Löwenburg und in Lülsdorf befinden sich größere Rebflächen im bergischen Raum (Extractus, S. 128-131)
1712 zählt das Kloster Sion Weingärten auf dem Sonnenberg, under dem Sonnenberg, aber auch an anderen Stellen längs, hinter oder neben den Häusern auf (StaK 265 Sion Akt 33 fol. 5f.). Weinbau wird nicht nur in den Weinbergen, sondern auch in den Gärten rings um die Häuser betrieben.
1714 sollen die Schöffen, wenn die Trauben reif sind, Leser einstellen. Wenn der Wein gefüllt wird, sollen die Herren ein 1/2 Ohm des besten Weines abfüllen. Der soll am Martinstag auf dem Hof getrunken werden (III 1 Weistümer).
1772 erhält der Grundherr in Nieder-Wesseling, das Bonner Cassiusstift, einen Malter Erbsen (MaB Kapitelsprotokolle Nr. 232, S. 54). Weiterhin werden – jedoch seltener – Rüben sowie Bohnen und Möhren angebaut.
(1820) wird in Wesseling nur noch Rotwein gezogen. Nach Velten rangiert er in einer Güteklassifizierung des Kreises Bonn auf dem 25. Platz. Nur in Bornheim, Poppelsdorf und Bonn werden schlechtere Weine erzeugt, während der beste Wein aus Gielsdorf kommt (A. Velten, Medizinische Topographie d. Kreises Bonn, 1988, S. 103)
5. 2 Fischerei
1238 bekommt das Zisterzienserinnenkloster Ophoven neben den Ländereien auch 3 Fischereien zu Ober-Wesseling geschenkt. Zum Besitz gehört auch die dortige Rheininsel mit einer Fischerei (NrhUB II 236)
1263 beauftragt Erzbischof Engelbert von Köln den Pleban von Wesseling, eine Rheinfischerei in Wesseling, die sich im Besitz des Sionskonvents befindet, zu schützen (StaK 265 Sion 8). 1280 beauftragt Erzbischof Siegfried von Westerburg bezugnehmend auf die Weisung Engelberts seine sämtlichen Amtleute, die sich in Besitz des Sionskonvents befindlichen Güter in Wesseling und anderswo zu schützen und ihre Rechte zu vertreten (ebd. 1/5)
1573 besitzt das Kloster Sion den Fischereibezirk von der Urfeler herrlichkeit biß an Niederwesselinger herrlichkeit, alß mit nahmen dreyer trager, welche man nendt den schnellardt (ebd. Akt 35 fol. 2)
1575 erwirbt Nieder-Wesseling für eine jährliche Zahlung von 3 Gulden die Fischereirechte von der Ober-Wesselinger Hoheit bis zu den Siechenhäusern (Drösser, Rhein, S. 28)
1714 nach der Abschrift des Weistums von Nieder-Wesseling von 1478 kommt dem Grundherrn eine Fischerei __(von der Oberweßlinger hoichheit bis an die alte schmitt) zu (III 1 Weistümer).
1766-90 pachtet der Hoflieferant Klein den Salmenfang zwischen Urfeld und Widdig für 12 Jahre (LAV NRW R Kk IV 132)
1787 wird die Erlaubnis zur Aalfischerei bei Wesseling unterhalb des Salmenfangs erteilt (ebd. 130)
1843 lebt in Wesseling noch ein Berufsfischer. Danach wird Fischerei nur noch im Nebenerwerb betrieben (StaW A 38)
5. 3 Bergbau
1884 befindet sich an der Brühler Chaussee eine Kiesgrube im Besitz der Gemeinde Wesseling (StaW A 18)
1912 befindet sich am Keldenicher Weg eine Grube zur Kiesausbeutung (ebd.)
1991 verlegt die Uranerzbergbau-GmbH ihren Sitz von Bonn nach Wesseling (Bergbauarchiv Bochum 150, 17)
5. 4 Mühlen
1238 schenkt Ludwig von Lülsdorf dem Kloster Ophoven eine Wassermühle zu Ober-Wesseling (NrhUB II 235). 1375 wird dem Kölner Kloster Sion das Mühlenrecht durch das Bonner Schöffengericht bestätigt (StaK 265 Sion Akt 31 fol. 1b). 1573 wird die Rheinmühle als freie Mühle des Klosters Sion auf dem Rhein entgegen Lülstorf in Oberwesselinger Herrlichkeit genannt. Im 18. Jahrhundert existiert keine Wassermühle mehr. 1732 ist das Mühlenrecht seit undenckliche[n] Jahre[n] nicht mehr in Gebrauch (ebd. 3/102)
1578 erlaubt Herzog Wilhelm von Jülich seinem Kanzler Wilhelm von Orsbeck, in der Freiheit Wesseling eine Windmühle zu errichten und das Gemahl des Bezirkes an sich zu nehmen. Aus der Mühle muß seit 1590 ein Erbzins an Wilhelm von Orsbeck entrichtet werden (LHAK 48/1911; LAV NRW R Kk II 1563)
1666 wird eine (Wind-)Mühle in Ober-Wesseling erwähnt (StaK 265 Sion Akt 28 fol. 18). Da bisher lediglich eine Wassermühle auf dem Rhein existierte, die vermutlich im 17. Jahrhundert verfiel, ist zu vermuten, daß diese Windmühle Nachfolgerin der alten Rheinmühle war. 1693 wird diese Windmühle in Ober-Wesseling nochmals im Besitz des Klosters Sion genannt (ebd. fol. 1a)
1746 und 1763 wird der Bau einer Roßmühle in Nieder-Wesseling anstatt der bereits vor 1703 verfallenen Windmühle geplant. Der Bau erfolgt nicht, die Einwohner von Wesseling müssen auswärts mahlen, zwischen 1767 und 1787 in Langel (LHAK 48/1741)
5. 4 Gewerbe und Industrie
Nur vereinzelt treten Handwerkerberufe in den mittelalterlich-frühneuzeitlichen Quellen auf. Am häufigsten werden seit dem 14. Jahrhundert Wirte und Bäcker genannt. Gaststätten dienten in Wesseling als Wechselspann- sowie als Zollstationen. Möglicherweise war im 14. und 15. Jahrhundert von Köln ausgehende Seidenweberei im Verlagssystem von Bedeutung.
1345 Gastwirt genannt (StaK 264 Severin 1/64)
1459 becker (StaK 271 Weiße Frauen Akt 4)
1459 zymermann (ebd. 9 fol. 35)
1506 untersagt der Transfixbrief des Kölner Seidamtes, Seide außerhalb Kölns, vor allem nach Deutz und Wesseling, zu geben. Möglicherweise vergaben Kölner Verleger zuvor Seide ins Umland zur Weiterverarbeitung (M. Wensky, Die Stellung d. Frau in d. stadtkölnischen Wirtschaft im Spätmittelalter, 1980, S. 170, 173)
1512 pistor (StaK 264 Severin Akt 14 fol. 6)
1580 schomecher (ebd. 265 Sion A 26 fol. 32v)
1587 schnieder (LHAK 48/1743)
1590 Müller (ebd. 48/1749 S 130)
1590 Wever (ebd. 48/1750), auch 1594 (ebd. 48/1751)
1595 Meister Hans Barbierer (IV 6 Ärzte und Hebammen)
1595 (Audi) Wirt (LHAK 48/1751)
1596 Vaßbender (ebd.)
1598 Backhauß, Schomecher (ebd. 48/1743 S. 31)
1599 mouller (ebd. 48/175)
1619 Müllermeyster, wijrt (ebd.)
1662 Kronenwirt (LAV NRW R Kk IV 74)
1666 gehören zur Kronenwirtschaft, der größten Gaststätte in Ober-Wesseling, 2 Morgen Land und das Gebäude. 1662 war der Wirt auch Zöllner (LAV NRW R Kk IV 74). Neben der Kronenwirtschaft gibt es im 17. Jahrhundert 3 weitere Wirtshäuser in Ober-Wesseling (StaK 265 Sion Akt 28 fol. 11)
1678 gibt es in Nieder-Wesseling wohl 2 Gaststätten, die größte war die taberna vulgo kanten (StaK 265 Sion Akt 27)
1714 werden in der Abschrift des Weistums von 1478 Wirte und Bäcker als Berufsgruppen in Nieder-Wesseling genannt. Zudem wird Wesseling als backesfrei bezeichnet (III 1 Weistümer)
1766 fuhrmann (StaK 265 Sion 1774)
1776 Wilhelm Weegh, mercator (Dietz, Heimatbuch, S. 152)
1789 handelt der Tabakfabrikant Johann Breuer mit den Produkten seiner Fabrikation in seinem Haus in Ober-Wesseling an der Landstraße (LAV NRW R Kk II 5028 fol. 20-22)
1820 8 Fruchtmakler in Wesseling genannt (Drösser, Rhein, S. 30)
1876-94 produziert Johann Wilhelm Schmidt an der Werft zu Wesseling Parkettfußböden, Holz- und Kehlleisten (Dietz, Heimatbuch, S. 296)
1892 existieren in Wesseling 4 gewerbliche Einrichtungen: C.F.W., die Gerbereien Schmitz-Du Mont und Driesser & Odendall sowie die Goldleistenfabrik G.F. Ferrenholtz (StaW A 32)
1893 gründet der Kölner Kaufmann Friedrich August Foerster auf dem Rheinberg eine mechanische Strumpfstrickerei, die bis zu 70 Arbeiter beschäftigt; 1910 wird der Betrieb eingestellt (Dietz, Heimatbuch, S. 296f.)
1909 8 gewerbliche Betriebe in Wesseling: 2 Strumpffabriken, 2 Gerbereien, 2 Strickereien, 1 Goldleistenfabrik, 1 Glimmerfabrik (StaW A 234)
1910 eröffnen die Strumpfwarenfabriken Biergans und Gentrup GmbH und Willmes GmbH (Prasthofer, S. 45); 1929 Schließung
2004 sind 7036 Menschen im produzierenden Gewerbe, 1805 in Handel , Gastgewerbe und Verkehr, 69 in der Landwirtschaft und 2324 im Dienstleistungssektor beschäftigt (Landesamt f. Datenverarbeitung u. Statistik NRW, Stand 30. Juli 2004)
5. 4 Lederfabrikation
1793/97 siedelt sich die Sohlledermanufaktur Jakob Werotte in Wesseling an. Es ist der 1. Industriebetrieb im Ort und die einzige Manufaktur dieser Art im Raum Köln. Der Betrieb ist auf 280 Gruben und eine Jahresproduktion von 3000-4000 Häuten angelegt (Kermann, S. 422f.). 1814 beschäftigt die Gerberei bis zu 30 Arbeiter (J. A. Demian, Statistisch-politische Ansichten u. Bemerkungen auf einer Reise durch einen Theil d. neuen preussischen Provinzen am Nieder- u. Mittelrheine, 1815, S. 229)
1819 2 Brennereien in Wesseling mit je 1 Branntweinblase. Die Lederfabrik wird nur schwach betrieben und beschäftigt 6 Arbeiter (LAV NRW R Reg. Köln 2170, 2150)
1836 Die Lederfabrik Matth. Krings, ehemals Werotte, beschäftigt im Sommer 3, im Winter 5 Arbeiter und 2 Lehrlinge und produziert jährlich ca. 1000 Stück Häute im Wert von 10.000 Rtl. (Adelmann, Rheinprovinz, S. 170f.)
1861 Der Kölner Fabrikant Schmitz-Du Mont übernimmt die Sohllederfabrik Krings, ehemals Werotte (Kermann, S. 423)
1867 produzieren in Wesseling 2 Lohgerbereien, der Produktionswert beträgt 55.000 Rtl., wobei die kleinere nur 5.000 Rtl. umsetzt (LAV NRW R Reg. Köln 2168)
5. 4 Chemische Industrie
1843 Gründung der Bleiweißfabrik W.O. Waldthausen an der Landstraße bei Wesseling, erstmalige Einführung des deutschen Kammerverfahrens im Rheinland sowie Nutzung von modernen Dampfkraftanlagen (H. Pohl u.a., Die chemische Industrie in d. Rheinlanden während d. Industriellen Revolution, 1983, S. 34f.). 1860 Produktionsumstellung auf Teer und Dachpappe unter Verwendung von Steinkohlenteer; 1922 Schließung nach Brandunglück (Prasthofer, S. 34)
1880 Gründung der Firma H. & F. Zimmermann im Ortsgebiet von Wesseling zur Herstellung chemischer Produkte; 1883 Umzug in den Norden von Wesseling. 1905 Umbenennung in Chemische Fabrik Wesseling AG. Erste Wirtschaftsgebäude sind die ehemaligen Hallen der Papiermühle und Pappenfabrik an der Landstraße. Produziert werden vornehmlich Farben, überwiegend Blaufarbe (bis 2002), Eisenoxydfarben und Ferrocyan (StaW B 188; Chemische Fabrik, S. 22f.)
1880-1900 Ausbau der Fabrikanlagen der C.F.W. um Laboratien, Lager (Turmbau), Verwaltung (Comptoir-Gebäude) und Kamin- und Dampfkesselgebäude (Chemische Fabrik, S. 25f.)
1901 Genehmigung und Baubeginn einer Schwefelsäurefabrik durch die C.F.W., die aus dem Abfall der Farbproduktion durch das Bleikammerverfahren Schwefelsäure herstellen soll. 1924 liegt die Kapazität bereits bei 25.000 Tonnen Schwefelsäure. 1933/37 sind 4 Systeme in Betrieb (ebd., S. 31, 52)
1904 zieht die 1898 in Köln-Ehrenfeld gegründete Rheinische Glimmerwarenfabrik nach Wesseling. Sie ist vor dem Zweiten Weltkrieg Marktführer für Isolierstoffe aus Naturglimmer und den Werkstoff Mikanit (Flugzeug- und Unterseebootbau), beschäftigt bis zu 100 Personen (Dietz, Heimatbuch, S. 334)
1909 gründen Aldus C. Higgins, George N. Jeppson und Alfred Schütte die Deutsche Norton Gesellschaft mbH in Wesseling (DNG) mit 15 Fachleuten aus Worcester/Massachusetts und 85 deutschen Beschäftigten. 1912 zählt das Werk 150 Mitarbeiter. Produziert werden Schleifmittel bzw. Schleifscheiben (Norton, S. 10)
1920 Gründung der Rheinischen Elektrowerke Koholyt AG (1930 von der Feldmühle übernommen). 1921 erfolgt die Aufnahme des Betriebs. Die Produkte des Unternehmens gehen an die Schleifmittelindustrie. Unter anderem werden in den 1920er Jahren auch Schleifscheiben und wasserfestes Schleifpapier produziert. 1938 beschäftigt das Unternehmen 300 Arbeiter und 90 Angestellte (W. Matzke, Wesseling. In: K. Kayser/T. Kraus , Köln u. d. Rheinlande, 1961, S. 221)
1921 Niederlassung der Feldmühle AG (heute Saint-Gobain Abrasives GmbH)
1931 führt die Deutsche Norton Gesellschaft kunstharzgebundene Schruppschleifen für die Stahlindustrie ein. Die Arbeiterzahl wächst auf 400. Wegen Rohstoffschwierigkeiten werden in Wesseling keramische Grundstoffe entwickelt und ein Tunnelofen erbaut (Norton, S. 11; 50 Jahre Deutsche Norton Gesellschaft mbH 1909-1959, 1959, [S. 14])
1937 erfolgt die Verlagerung der Chemisch-Keramischen Fabrik Schultheis und Söhne von Köln nach Wesseling. Sie produziert Emailleerzeugnisse und Produkte für die keramische Industrie (W. Matzke, Wesseling. In: K. Kayser/T. Kraus <Hg.>; Köln u. d. Rheinlande, 1961, S. 223)
1939-45 werden zusätzlich ein Kesselhaus, eine Ofenhalle und ein 2. Tunnelofen bei der Deutschen Norton Gesellschaft errichtet (Norton, S. 13)
1939-45 arbeiten mehr als 120 deutsche und 100 Fremdarbeiter in der C.F.W. Mit der Kali-Chemie wird eine Verkaufsgemeinschaft „Preußischblau“ gegründet, der sich zahlreiche Blaufarbenfabriken im Reich anschließen (Chemische Fabrik, S. 58)
1940 erwirbt die Degussa 26 % Anteil der C.F.W und eine Option auf weitere 25 %, so daß das Werk Konzernwerk wird. 1941 kauft Degussa die übrigen 25 % und erweitert die Fabrik in Wesseling um einen 5. Kessel, einen 2. rotierenden Wärmezug, Stromversorgungsanlagen, eine modernen Schwefelextraktion und eine Erzeugungsstätte für Tonerdegel (Teg) für die Kautschukindistrie (ebd., S. 58f.)
1951 Produktion von rotem Blutlaugensalz (Rotkali) bei C.F.W., vornehmlich für die Fotoindustrie und den Auslandsmarkt (ebd., S. 77)
1953 Errichtung eines Degussa-Werkes neben dem Werk der C.F.W. zwecks Herstellung von Cyanwasserstoffsäure, Blausäure durch das Formamidverfahren und später Acetoncyanhidrin und Methionin. Hauptabnehmer ist die C.F.W., an der Degussa inzwischen 93 % hält. 1954 99 Mitarbeiter (ebd., S. 68, 82; Degussa, S. 38f.)
1956 wird die Schwefelproduktion bei C.F.W. bzw. Degussa eingestellt und durch Füllstoffproduktion ersetzt (ebd., S. 40)
1957 Bau einer Blausäureproduktionsanlage durch Degussa (ebd., S. 42)
1958 Errichtung einer Cyanurchloridanlage in Wesseling durch Degussa. Cyanurchlorid aus Wesseling entwickelt sich zum bedeutendsten organischen Produkt des Unternehmens (ebd., S. 42f.)
1959 hat die Deutsche Norton Gesellschaft in Wesseling 600 Mitarbeiter auf einem 8,7 ha großen Firmengrundstück und produzierte u.a. Brennhilfsmittel und weiterhin Schleifscheiben (Norton, S. 14)
1979/81 Zusammenlegung der Werke Degussa und C.F.W. zum Werk Wesseling (Degussa, S. 51)
1984 verlagert die Deutsche Norton Gesellschaft die Schleifmittelproduktion nach Frankreich und Italien. Dafür wird in Wesseling fortan Pulpstones für die Papierindustrie produziert (Norton, S. 16)
1980er Umstellung der Produktion bei Degussa vornehmlich auf Umweltprodukte wie Zeolithe (bis 2001) und Phosphatersatzstoffe (Degussa, S. 57)
5. 4 Petrochemische Industrie
1937 Gründung der Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG, Union Kraftstoff (UK), in Wesseling und Baubeginn eines Werkes mit 1939 450 Arbeitern und 188 Angestellten (Joest, S. 24, 28; UK 1962)
1941 Betriebsstart des Hydrierwerkes Union Kraftstoff. Aus rheinischer Braunkohle sollen in Wesseling synthetische Treibstoffe und Schmieröle produziert werden. Im Sommer des Jahres arbeiten 6000 Personen in der Anlage, darunter 2700 Ausländer (ebd., S. 20f.; UK 1962)
1945 Verbot der Kraftstoffproduktion durch die Alliierten. Union Kraftstoff beginnt mit Stromerzeugung für die Region, später ab 1947 Ammoniakerzeugung gemeinsam mit Hoechst für die Düngemittelindustrie; 1955 Beginn der Harnstoffproduktion (bis 1979). Erzeugung von Methanol für Bayer, Hoechst und Degussa. 1979 Neubau einer Methanolsynthese (Joest, S. 42-44)
1948 Erlaubnis der Hydrierung von Rückstandsöl für die Union Kraftstoff von bis zu 180.000 Jahrestonnen. Partner ist Shell (Umwandlung in Benzin) (ebd., S. 50-53)
1950-69 Produktion von Synthesegasgemische aus Braunkohle bei Union Kraftstsoff, u. a. zwecks Versorgung der Hochdruckanlagen. Ab 1969 Ersatz von Braunkohle durch Schweröl (ebd., S. 75)
1950 Errichtung einer thermische Spaltanlage bei der Union Kraftstoff mit einer Kapazität von 420000 Tonnen Rohölrückstand p.a. 1955 Bau einer Platforming-Anlage (ebd., S. 55f.)
1953 gründen BASF und Shell in Wesseling die Rheinischen Olefinwerke GmbH (ROW). 1955 erfolgt die Inbetriebnahme des ersten petrochemischen Großwerkes in Deutschland. Produziert werden vornehmlich Lupolen und Aethylbenzol für die Kunstoffproduktion (Polystrol), später auch Styrol für Styropor (1999 Stillegung) (Union Kraftstoff, 1954, S. 12f.; Basell, S. 8f., 100f.)
1956 Bau einer Pipeline von Wilhelmshaven nach Wesseling. In der Folge Errichtung weiterer Pipelines, u.a. aus Rotterdam (Rotterdam-Rhein-Pipeline, RRP), Antwerpen, aus den deutschen Ölfördergebieten und nach Frankfurt (Hoechst) (Joest, S. 61f.)
1958 Die ROW beginnt als erstes deutsches Unternehmen mit der Produktion von Kunstharzen in einer Epikote-Anlage. Die Pipeline von Rotterdam wird mit der ROW verbunden und versorgt diese mit Naphta (Basell, S. 22f.)
1963 Beginn der Produktion von Ethylen aus Benzin bei Union Kraftstoff. In den folgenden Jahren wird die Angebotspallette auf zahlreiche Olefine und Aromate ausgeweitet (Joest, S. 88)
1969 beginnt bei ROW in Wesseling ein großer Standortausbau mit einem geplanten Investitionsvolumen von 1,8 Mrd. DM. Unter anderem sollen 2 neue Ethylen-Anlagen mit einem Produktionsvolumen von 1,2 Mio. Tonnen errichtet werden. Anlage 6 geht 2 Jahre später in Betrieb als weltgrößter Produktionsbereich. Die Arbeiterzahl steigt auf 3.200 (Basell, S. 40-50)
1973 Größerer Ausbau der UK-Raffinerie in Wesseling mit einem Spitzendurchsatz von mehr als 5 Mio. Tonnen Rohöl. Errichtung einer Olefinanlage; mehr als die Hälfte der Mineralölprodukte werden fortan für die Erzeugung von Chemieprodukten verwendet (Joest, S. 60)
1984 Beginn der Produktion von Düsentreibstoffen bei Union Kraftstoff (ebd., S. 107)
1989 wird die Union Kraftstoff Teil der DEA-Mineraloel AG, ab 2002 Shell & DEA Oil GmbH. Die Rheinland-Raffinerie (W & Godorf) ist mit einem Rohöldurchsatz von ca. 16 Mio. Tonnen pro Jahr die größte Raffinerie in Deutschland und der größte Benzolproduzent Europas (Wirtschaft im Dialog 2/2005, S. 13)
1998 geht die ROW in die Gemeinschaftsunternehmen Elenac und Targor auf. Elenac vereint alle Polyethylen-Aktivitäten der Muttergesellschaften BASF und Shell; Targor ist ein reines Tochterunternehmen der BASF für die Polypropylen-Anlagen. Die ROW hat 1998 im Werk Wesseling insgesamt 15 petrochemische Anlagen in Betrieb und beschäftigt auf 2,71 km² Werksgelände 2.250 Mitarbeiter sowie 162 Auszubildende (StaW Union Kraftstoff, Beigabe Elenac S. 4)
2000 ensteht der weltweit führende Kunststoffkonzern Basell und vereint die Unternehmen Elenac, Montell und Targor. Das Werk Wesseling wird um eine Gasphasen-Wirbelschicht-Anlage erweitert. Außerdem entstehen 50 Silos für Bunkerung, Verpackung und Versand der Produkte. Zudem wird W Zentrum der Mitarbeiterausbildung des Mutterkonzerns (Basell, S. 102f.)
5. 4 Reedereien, Transport und Logistik
1900 Niederlassung eines Zweigwerkes der Eisenbahn-Verkehrsmittel AG EVA (heute Eisenbahnreparaturwerk Brühl GmbH)
1901 wird durch die Köln-Bonner Eisenbahnen die Verladewerft Wesseling errichtet (Zenz, S. 32; StaW X 05-02)
Bis 1905 entstehen große Wagenhallen und das KBE-Kraftwerk in Wesseling, so daß der Ort eine zentrale Funktion für die Köln-Bonner Eisenbahnen wahrnimmt (Zenz, S. 42)
1919 Gründung der Vereinigungsgesellschaft Rheinischer Braunkohlebergwerke m.b.H., Abteilung Schiffahrt, Köln-Wesseling, mit Sitz in Wesseling. 1923 verfügt die Abteilung Schiffahrt bereits über 18 Boote. Die Transportpalette umfaßt bis heute chemische, Metall- und Nuklearprodukte (A. Paas, 25 Jahre Rheinschiffart unter d. Flagger d. Braunkohle – Denkschrift 1944, S. 173f.; Drösser, Rheinbraun, S. 18f.)
1999 verlegt die 1978 aus der Reederei Braunkohle GmbH und der Umschlags- und Speditionsgesellschaft „Braunkohle“ mbH gegründete RSB (seit 1993 RSB Logistic) ihre Zentrale aus Wesseling nach Hürth (Drösser, Rheinbraun, S. 71)
Werksbahnen und Privatbahnen
1879 wird der Antrag der Firma Waldthausen auf Bau einer Sekundärbahn entlang des Weges nach Sechtem abgelehnt; weitere Anträge von 1883, 1885 und 1891 scheitern ebenfalls, da die preußische Regierung den Ausbau der Staatsbahnen bevorzugt (Prasthofer, S. 42)
1912 Eröffnung der Güterstrecke Wesseling-Rheinwerft-Wesseling (Zenz, S. 152)
1917 Aufnahme des Kübelwagenverkehrs zwischen der Grube Gruhlwerk und dem Rheinhafen Wesseling. 1937 wird der Kübelwagenverkehr mit der Grube Concordia aufgenommen (ebd., S. 152-154)
5. 4 Hafenwirtschaft
Die wirtschaftliche Gesamtentwicklung von Wesseling ist seit dem 19. Jahrhundert mit dem Hafen und seinem Ausbau verbunden. Hauptgrund für den Ausbau der Wesselinger Häfen war neben dem Getreidehandel vornehmlich der Braunkohletransport auf dem Rhein. Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Transport chemischer Produkte hinzu.
1561 wird Getreide aus dem Umland für den Handel mit der Stadt Köln in Wesseling umgeschlagen (UB Siegburg II 867)
1766 Obst und Getreide werden in Wesseling be- und entladen (LHAK 48/1774)
1745 werden Teile des Altars der Schloßkirche zu Brühl in Wesseling angelandet (W. Drösser, Die Baurechnung d. Altars v. Balthasar Neumann in d. Schlosskirche zu Brühl. In: Denkmalpflege im Rheinland 19, 2002/2, S. 87-91)
1840 werden in Wesseling mehr als 100.000 Scheffel Getreide umgeschlagen (Drösser, Rhein, S. 30)
1870 Bau eines Lagerplatzes für den Getreidehandel mit dem Kölner Markt (L. M. Diesch, Vom Rheindorf zur Industriegemeinde, 1960, S. 37)
1901 wird Wesseling Hauptumschlagplatz für Kohle und Briketts. Gleichzeitig errichten die Köln-Bonner Eisenbahnen die Verladewerft Wesseling-Rheinwerft, von wo aus Kohle und Briketts nach Süddeutschland, Frankreich, Holland und in die Schweiz geliefert werden (Zenz, S. 32, 55, 151)
1922-67 erfolgt der Ausbau von 3 Hafenbecken für die Brikettverschiffung und den Öl- und Gastransport (zum Ausbau des Hafens vgl. auch I 1).
5. 4 Metallverarbeitung
1900 Niederlassung eines Zweigwerkes der Pohlig-Heckel-Bleichert Vereinigte Maschinenfabriken AG, 1979 Schließung
1911 Gründung der Eisengießerei Grohmann & Cie. Ab 1912 heißt die Firma Wesselinger Gußwerke Rheinguß GmbH. Das Unternehmen stellt vor dem Zweiten Weltkrieg säurebeständiges Metall (Eisensiliziumguß) her. Nach 1945 erfolgte zunächst die Demontage des Werkes, 1946 die Wiederaufnahme der Produktion, die vorwiegend die chemische Industrie und den Kunstoffmarkt bedient (Dietz, Heimatbuch, S. 335f.)
1918 Gründung der KWE (Köln-Wesselinger Eisenbau) als Gerätebetrieb Bauwens durch die Brüder Peco, Camillus und Jean mit Zentrallager, Werkzeugmacherei, Schmiede, Schlosserei, Lokomotivraum und Stellmacherei sowie einem Verwaltungsgebäude. Ab 1919 Produktion von Feldbahngerät für nahegelegene Steinbrüche sowie die Basalt- und Tonindustrie in Eifel und Westerwald. 1934 beschäftigt die KWE 80 Mitarbeiter (Köln-Wesselinger Eisenbau 1918-1968, 1968, Nr. 1918, 1919, 1934)
Ab 1950 produziert die KWE vornehmlich für die chemische Industrie Rohre, Stahlbaustoffe und Reaktorteile (ebd. Nr. 1968f.)
5. 4 Zwangsarbeit 1939-45
Durch Einberufungen der Arbeiterschaft aus Wesseling während des Zweiten Weltkriegs und den kriegsbedingt gestiegenen Bedarf an Arbeitskräften in den kriegswichtigen Industriebetrieben des Chemiestandortes entstanden zwischen 1940 und 1945 insgesamt 17 Ausländerlager (Zwangsarbeiterlager) mit 21 Unterlagern. Diese beherbergten zusammen ca. 10.500 Zwangsarbeiter. Die UK unterhielt 7 Hauptlager mit 10 Einzellagern, die EVA in Berzdorf, die Chemische Fabrik sowie Pohlig je 2 Lager, Feldmühle, Köln-Bonner Eisenbahnen, Bauwens/KWE, Reederei Braunkohle und Deutsche Norton je ein Lager (U. Froitzheim, Arbeit als Kriegsbeute. Der Einsatz v. Fremd- u. Zwangsarbeitern in Wesseling 1939-1945, 2004, S. 157)
5. 4 Kreditinstitute
1895 gründet die Kreisspar- und Darlehenskasse Bonn in Wesseling eine Filiale (StaW A 284 Kreisspar- und Darlehnskasse)
1955 Eröffnung einer Filiale der Rheinisch-Westfälischen Bank als Gechäftsstelle der Deutschen Bank (H.P. Koll, Vor 50 Jahren: Eröffnung d. ersten Großbankfiliale im Landkreis Köln in W am 1. Dezember 1955. In: WHGBll 45, 2005, S. 25-27)
1924 Gründung der Spar- und Darlehenskasse eG W, später Raiffeisenbank (StaW Zeitungsarchiv 19.5.1999)
2005 Filiale der Raiffeisenbank Rhein-Erft eG in Wesseling, daneben Geschäftsstellen in Berzdorf, Keldenich und Urfeld. Filialen der Kreissparkasse Köln befindet sich in Wesseling, Keldenich, Urfeld und Berzdorf.
5. 4 Druckereien und Zeitungen
1907 Gründung des Wesselinger Volksblatts, bis 1933 Organ der Zentrumspartei sowie Amtliches Organ der Bürgermeisterei Hersel (StaW X 05-02)
5. 5 Wirtschaftliche Gesamtentwicklung
Grundlage der Wirtschaft des Raumes Wesseling waren vom Mittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Rheinschiffahrt (I 1 Rheinschiffahrt; Hafenbetrieb; V 4 Hafenwirtschaft) und die Landwirtschaft, insbesondere der Weinbau, aber auch der Getreideanbau (Roggen), die Fischerei und die Viehwirtschaft (Rinder- und Schafzucht; vgl. insgesamt V 2). Im 17. und 18. Jahrhundert wuchs die Bedeutung des Gemüseanbaus, besonders von Erbsen- und Bohnen. Die Berufs- und Gewerbetabellen 1673-1907 zeigen deutlich das Überwiegen der Landwirtschaft (einschließlich Knechte, Mägde und Tagelöhner; dazu auch Diesch, S. 22). Noch 1885 wurden mehr als 80 % der Fläche der Landgemeinde Wesseling als Ackerland genutzt. Seit 1900 sank dieser Anteil auf unter 45 % im Jahr 2005 (V 2 Bodennutzungstabellen). Wesseling ist heute die Stadt mit dem höchsten Anteil an Gewerbeflächen im Kammerbezirk der IHK Köln; den knapp 40 % Acker- und Gemüsebauflächen stehen 35 % Gebäude- und Freiflächen, 12 % Verkehrs- sowie 0,6 % Betriebsflächen gegenüber. Mit dieser Veränderung ging ein Wandel der Beschäftigtenstruktur einher. Bereits 1965 waren nur 1,6 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig, 59,1 % dagegen in der Energiewirtschaft und dem produzierenden Gewerbe. Dieser Anteil sank nach einem zwischenzeitlichen Anstieg in den 1970er Jahren auf unter 50 % 1987. Fortan wuchs die Bedeutung des Dienstleistungssektors sowie des Handels. Heute sind mehr als 36 % aller Beschäftigten in diesen Sektoren tätig. Die Land- und Forstwirtschaft ist dagegen weiter in ihrer Bedeutung gesunken und hält nur noch einen Anteil von 0,6 % (V 4 Gewerbetabellen). Trotzdem spielt sie noch eine besondere Rolle, da in Wesseling nach wie vor Sonderkulturen angebaut werden, besonders Gemüse und Obst. Darüber hinaus unterhält die Universität Bonn in Wesseling 2 Versuchsgüter – seit 1904 den Dickopshof (Ackerbau) und den Maarhof (Obst- und Gemüsebau) (W. Drösser, Der Dickopshof – 100 Jahre Lehr- u. Forschungsstation d. Universität Bonn. In: WHGBll 43, 2004, S. 4-8). Die Fischereiwirtschaft hatte für beide Gemeindeteile bis weit in das 19. Jahrhundert große Bedeutung, denn sowohl in Ober- als auch in Nieder-Wesseling wurden Fischereibezirke (1239 in Ober-Wesseling insgesamt 3, in Nieder-Wesseling 1) für den Salmen- (zuletzt 1790, LAV NRW R Kk IV 132) und für den Aalfang (zuletzt 1787, ebd. 130) verpachtet. Aber auch die Bedeutung der Fischereiwirtschaft sank im Verlauf des 19. Jahrhunderts. 1843 war nur noch ein Fischer hauptberuflich tätig (StaW A 38), danach wurde die Fischerei nur noch im Nebenerwerb betrieben (V 2 Fischerei)
Für die Freiung von Nieder-Wesseling waren weniger wirtschaftliche, sondern vielmehr territoriale Gründe ausschlaggebend. Denn durch die Montfauconer Grundherrschaft und die Zugehörigkeit des linksrheinisch gelegenen Ortes zum Herzogtum Berg lag eine solche Entwicklung auf der Hand. Nieder-Wesseling war bis 1794 wirtschaftlich für Berg und auch für die Pfandherren von nur geringer Bedeutung. Dies belegen nicht nur die nachlässige Behandlung der Pfandherrschaft, etwa durch die Grafen von der Leyen, sondern auch die wiederholten Steuerschulden und –nachlässe, die jedoch meist in Naturkatastrophen wie Hochwasser und Eisgang begründet lagen. So schuldete Wesseling 1577 Jülich-Berg noch 25 Goldgulden (Below, Landtagsakten II 128); auch bei den sonstigen Abgaben war Wesseling im Vergleich zu anderen bergischen Freiheiten vergleichsweise niedrig veranschlagt
Im regionalen Handel traten Wesselinger Kaufleute nur selten auf. 1776 nennen die Quellen erstmals einen Händler aus Wesseling (Dietz, Heimatbuch, S. 152). Ob der wohlhabende Jude namens Jakob aus Wesseling als Wesselinger Händler in Frankfurt auftrat, ist wenig wahrscheinlich (IV 8). Wesseling war kein Marktort, so daß davon auszugehen ist, daß der Handel bis Ende des 13. Jahrhunderts für die Wesselinger Wirtschaft nur eine geringe Rolle gespielt hat. Der gewerbliche Sektor war Ende des 18. Jahrhunderts kaum oder gar nicht vertreten (V 4 Gewerbetabellen)
Im 19. Jahrhundert beginnt die gewerblich-industrielle Entwicklung zu einem international bedeutsamen Chemie- bzw. Industriestandort. 1793 siedelte sich mit der Sohlledermanufaktur Jakob Werotte das erste nachzuweisende gewerbliche Unternehmen in Wesseling an. Das Absatzgebiet der Lederfabrik erstreckte sich auf das Rheinland, das Maingebiet, das Münsterland, Belgien und die Niederlande; zur Zeit der französischen Besatzung kam das französische Kernland hinzu (Prasthofer, S. 32). Sie erlangte vor allem in dieser Zeit als Lieferant für die kriegführenden Armeen Napoleons Bedeutung und wurde zur größten Manufaktur am linksrheinischen Mittelrhein (Heimatchronik d. Landkreises Köln, 1954, S. 42). 1843 folgte mit der Bleiweiß- bzw. Teerfabrik Waldthausen ein zweites größeres Unternehmen, das bis 1922 bestand und mit Werotte/Schmitz-Dumont (Leder) sowie der 1880 gegründeten C.F.W. das industrielle Rückgrad Wesselings im 19. Jahrhundert bildete. Weitere industrielle Ansiedlungen im 19. Jahrhundert hatten keine Zukunft und bestanden oft nur kurze Zeit, so z.B. die Brauerei in Nieder-Wesselinger Gemarkung und weitere kleine und kleinste Betriebe. 1894 existierten 6 solcher Gewerbe, darunter Gerbereien, Goldleistenfabriken und Strumpfstrickereien. Die Industrialisierung nahm 1880 mit der Gründung der Firma H. & F. Zimmermann, die 1905 in Chemische Fabrik Wesseling AG (C.F.W.) umbenannt wurde, ihren Anfang, zunächst durchaus bescheiden, behindert durch die schlechte Verkehrsanbindung der Ortes. Noch 1892 beklagt der Jahresbericht der Bonner Handelskammer, daß für die Zukunft der in Wesseling gelegenen Industrie […] der Anschluß an das Staatseisenbahnnetz eine Lebensfrage sei (W. Tüllmann, Wesseling in alter Zeit, 1977, S. 99). Dabei gab es bereits 1879, 1883 und 1885 Bestrebungen seitens der beiden Chemieunternehmen, vor allem der Bleiweißfabrik, Wesseling mit privatem Kapital an das Schienennetz anzuschließen. Das scheiterte jedoch am Veto der Regierung (Prasthofer, S. 42). Erst mit der Errichtung der Liegehäfen und dem Anschluß an das Eisenbahnnetz Anfang des 20. Jahrhunderts gewann Wesseling als zentraler Chemiestandort, Umschlagplatz und Abnehmer der Bergbauerzeugnisse aus dem rheinischen Braunkohlerevier an Bedeutung. Damit setzte die 2. Phase der industriellen Entwicklung von Wesseling ein, denn nun besaß der Ort 5 Standortvorteile, die beispielsweise die Deutsche Norton als Gründe für ihre Standortwahl 1910 nennt: 1. Nähe zum Braunkohlerevier, 2. billiger Baugrund, 3. ausreichend Platz für Erweiterungen, 4. verkehrsgünstige Lage und 5. der geplante Liegehafen (Norton, S. 10f.)
Seit der Verbesserung der Verkehrslage gründeten sich fast im Jahrestakt größere Werke, so allein 1910 eine Sturmpfwarenfabrik, eine Eisengießerei (Wesselinger Gußwerke Rheinguß GmbH, LAV NRW R LA Bonn 342) und 2 weitere Einrichtungen, vor allem der chemischen Industrie (ebd. 348). Wesseling entwickelte sich bis 1930 zum wichtigsten Chemie- und Industriestandort im Rheinland südlich Kölns. Dabei profitierte der Ort besonders vom Zuzug mittelständischer Unternehmen aus dem nahen Köln. Der Verlust von fast der Hälfte der Industrie für den Kreis Bonn bei der Eingliederung Wesselings in den Kreis Köln 1932 verdeutlicht die Bedeutung des Standorts (Prasthofer, S. 46)
Wurden im 19. Jahrhundert meist bereits vorhandene und zuvor genutzte Gewerbeflächen gekauft oder übernommen, markierte der Beginn des 20. Jahrhunderts auch hier eine Veränderung: Nunmehr wurden von den Unternehmen gemeinsam mit der Gemeinde großflächig, gleichsam auf dem Reißbrett, Neubauten und Fabrikanlagen, möglichst mit Bahnanschluß geplant – Fläche war ausreichend vorhanden. Zusätzlich profitierte der prosperierende Industriestandort im Verlauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von sogenannten Standortagglomerationen, d.h. zahlreiche Zuliefererbetriebe für Verkehr, Industrie, Anlagen- und Wohnungsbau siedelten sich zusätzlich in Wesseling an.
Die vorerst letzte Phase der Wesselinger Industriegeschichte wurde 1937 durch die Gründung der Union Kraftstoff (UK) eingeleitet. Die Union Kraftstoff wurde aufgrund der Autarkiebestrebungen des „Dritten Reiches“ in Wesseling als dem verkehrsmäßig günstigsten Standort nahe dem Rheinischen Braunkohlerevier gegründet. Hier sollten vor allem synthetische Treibstoffe aus Braunkohle hergestellt werden (Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG <Hg.>, Union-Kraftstoff, 1954, S. 1). Nach dem Krieg erfolgte die Umstellung auf die Verarbeitung von Rohöl. Der Übergang der Union Kraftstoff von Braunkohle auf Öl gilt für den gesamten Kölner Wirtschaftsraum als prozeßauslösend für die jüngste Industrieentwicklung. Dies wird u.a. deutlich an der Ausrichtung der beiden Ölpipelines von Wilhelmshafen und Rotterdam auf Wesseling, durch die der Standort zum Zentrum des deutschen Pipelinenetzes geworden ist. Die aus der Gründung der Union Kraftstoff resultierenden petrochemischen Agglomerationen und Produktverflechtungen in den 1950er Jahren im gesamten Kölner Wirtschaftsraum machten Wesseling zu einem wichtigen Zentrum der deutschen Petrochemie (neben UK u.a. C.F.W., ROW, Shell, BASF; zu den einzelnen Produkten und petrochemischen Firmenansiedlungen vgl. V 4). Auch den 3 Großwerken der Petrochemie in Wesseling sind weitere Firmenansiedlungen gefolgt, vor allem aus der Bauindustrie, dem Anlagenbau und dem Zuliefererbereich. Diese Entwicklung des Standortes Wesseling machte die Gemeinde nicht nur zu einer der finanzkräftigsten Deutschlands (vergleichbar mit Rüsselsheim, Sindelfingen und Mülheim-Kärlich), sondern führte auch zu einer Monostrukturierung des Wesselinger Wirtschaftsraumes, der als südlicher Eckpfeiler des Kölner Chemiegürtels bezeichnet wird (H. Kellenbenz <Hg.>, Zwei Jahrtausende Kölner Wirtschaft, Bd. 2, 1975, S. 410). Wirtschaftliche Schwierigkeiten bei der Union Kraftstoff und Rationalisierungen bei den übrigen chemischen Unternehmen ließen in Wesseling früh den Wunsch nach einer Veränderung der Wirtschaftstrukturen wachsen. So setzt die Stadt Wesseling seit den 1990er Jahren zunehmend auf eine breitere Streuung ihrer wirtschaftlichen Grundlagen neben der Industrie auch auf mittelständisches Gewerbe sowie Dienstleistung. Deshalb wurde für die Fortentwicklung der Wirtschaftsstruktur in Wesseling gemeinsam mit der Shell Deutschland Oil GmbH das neue „Gewerbegebiet Rheinbogen“ mit einer Fläche von 16,2 ha erschlossen (V 4).
5. 6 Hohlmaße und Gewichte
1714 In Wesseling gilt Kölner Weinmaß: 1 Fuder zu 6 Ohm (LHAK 48/1879). Außerdem gilt in Nieder-Wesseling als trockenes Maß der hof Maass, also das Kölnische Maß: 1 Malter = 4 Sümber. Das bönnische Maß galt im 18. Jahrhundert im Amt Bonn (Ober-Wesseling): 1 Malter = 4 Sümber = 8 Sester = 16 Viertel = 64 Pinten = 142,9 Liter (StaK 265 Sion Akt 29 fol. 1f.)
1714 in der Abschrift des Weistums von 1478 heißt es, Wirte und Bäcker sollten zu normalen Gerichtsverhandlungen auf dem Fronhof ihre Maße, trockene wie nasse, vorzeigen (III 1 Weistümer)
5. 6 Flächenmaße
1660 bis ins 19. Jahrhundert gelten kölnische Morgen: 1 köln. Mg = 4 Viertel = 16 Pinten = 224 zwölfschuhige Ruten = 3124,57 qm (StaK 202 Antoniter Akt 92 fol. 7v; ebd. 238 Kreuzbrüder Akt 32 fol. 87-88v)
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Rönz, Helmut, Rheinischer Städteatlas Wesseling. Teil 5: Wirtschafts- und Sozialstruktur, Statistik, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-wesseling.-teil-5-wirtschafts--und-sozialstruktur-statistik/DE-2086/lido/5c6582f557ba89.07420035 (abgerufen am 19.08.2024)